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- DAZ 38/2008
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Arzneimittel und Therapie
Immunmodulation mit individualisierten Impfstoffen
Rund 65 Jahre nach der Entdeckung des Penicillins stoßen Antibiotika als Wunderwaffe gegen Infektionskrankheiten immer mehr an ihre Grenzen. Waren 1948 nur 3% der Staphylococcus-aureus-Stämme gegen Penicillin resistent, sind es heute bis zu 80%. Oder sprachen 1988 lediglich 4% der Gruppe-A-Streptokokken nicht auf Erythromycin an, waren es zwei Jahre später schon 24%.
Immer neuere, noch wirksamere Antibiotika sind inzwischen entwickelt worden. Doch gegen jedes bekannte Antibiotikum mit Zulassung in der Humanmedizin sind heute resistente Erreger bekannt. Auch Erreger mit Mehrfachresistenz werden immer häufiger nachgewiesen und die Anzahl der zur Auswahl stehenden Antibiotika wird immer kleiner. So waren im Jahr 2001 bereits fast 50% der E.-coli-Erreger unempfindlich gegen Ampicillin, mehr als jeder dritte dieser Keime war nicht mehr durch Amoxicillin-Clavulansäure hemmbar, und mehr als jeder zehnte E.-coli-Stamm war resistent gegenüber Ciproflaxin.
Die Resistenz ist eine wichtige Abwehrstrategie der Mikroben und wird durch den Antibiotika-Gebrauch beeinflusst. Ein höherer Verbrauch und eine längere Anwendung von Antibiotika erhöhen das Risiko der Resistenzbildung bzw. senken die Erreger-Empfindlichkeit.
Vor diesem Hintergrund rückt die Immunmodulation mit individualisierten, maßgeschneiderten Impfstoffen zur Steigerung der Abwehrkräfte als Behandlungsalternative vermehrt in das medizinische Interesse. Das therapeutische Prinzip besteht darin, den Keim, der bei einem Patienten eine Infektion bzw. eine eitrige Entzündung auslöst, zu isolieren und als Grundlage für einen Impfstoff aus körpereigenen (autogenen) Erregern zu verwenden. Dafür entnimmt der Arzt Proben aus den Infektionsherden des Patienten, die anschließend im Labor unter Reinraumbedingungen klassifiziert, isoliert und als Reinkultur kultiviert werden. Danach werden die Erreger schonend ohne toxische oder potenziell allergisierende Zusätze wie Formaldehyd oder Phenol inaktiviert und dem Patienten wieder verabreicht. Nach einer Sterilitätskontrolle über 14 Tage wird der Impfstoff zur Anwendung freigegeben. Die Gesamtdauer der Herstellung beträgt somit insgesamt etwa drei Wochen.
Die Impfung selbst erfolgt in einer Serie mit ansteigender Wirkstoffkonzentration. UniVaccin® mit grampositiven Keimen soll in die Haut (intrakutan) als Quaddeln von ca. 1 cm Durchmesser gespritzt werden. Bei gramnegativen Bakterien soll die Applikation unter die Haut (subkutan) nach vorherigem Anheben einer Hautfalte erfolgen. Bei Mischvaccinen aus grampositiven und gramnegativen Keimen soll immer das Dosierungsschema für gramnegative Keime angewendet werden. Der Patient benötigt insgesamt acht Impfungen, wobei die ersten vier im Zeitabstand von einer Woche und die letzten vier im Abstand von jeweils einem Monat zur vorausgegangenen Impfung appliziert werden.
Therapie und Prävention zugleich
Autogene Vaccine sind Patienten-individuell, das heißt jeder Patient bekommt seinen maßgeschneiderten, nur für ihn geeigneten Impfstoff. Und die autogenen Vaccine sind Erregerspezifisch – die nachweislich krankheitsauslösenden Erreger stellen die Basis dieses spezifischen Impfstoffes. Anders als herkömmliche Impfstoffe, die langfristig gegen einen Erreger immunisieren, mit denen der Körper eventuell nie in Berührung kommt, wird das Immunsystem hierbei gezielt gegen den Infektions-auslösenden Erreger, mit dem sich das Immunsystem bereits in der Auseinandersetzung befindet, gestärkt. Die Autovaccine therapiert auf diese Weise wie ein Antibiotikum. Gleichzeitig erfolgt eine Immunmodulation, welche die Wirkungsweise eines Impfstoffes darstellt, indem ein Schutz vor einer erneuten Infektion mit dem gleichen Erreger aufgebaut wird. Dabei werden auch die für die Erregerspezies typischen Erkennungsbereiche nicht außer Acht gelassen, so dass auch gegen Reinfektionen mit einer anderen antigenen Variante ein Basisschutz aufgebaut wird.
Spezifische Immunantwort
Es wird angenommen, dass die im individuellen Impfstoff (UniVaccin®) enthaltenen Ganzzell-Antigene über eine Präsentation durch dendritische Zellen spezifische humorale und zelluläre Immunreaktionen induzieren. Dendritische Zellen sind hochspezialisierte antigenpräsentierende Zellen des Immunsystems, welche antigenspezifische Immunantworten wie u. a. die Aktivierung von Killerzellen initiieren. Somit wird das Immunsystem in die Lage versetzt, pathogene Keime unschädlich zu machen und die Infektion zu überwinden.
Anwendungsgebiete
Die Injektionssuspension ist zugelassen zur Anwendung bei Erwachsenen und Kindern ab einem Jahr. Bislang existieren aber keine klinischen Studien, die die Wirksamkeit der individuellen Impfstoffe belegen. Allerdings liegen retrospektive Analysen vor, die Erfolge bei zahlreichen Indikationen aufzeigen. Bewährt hat sich die Autovaccine vor allem bei Krankheitserregern mit hoher Antibiotikaresistenz, bei Antibiotikaunverträglichkeiten oder zur Vermeidung wiederholter Antibiotikatherapien. Somit konnten bereits viele chronische oder chronisch-rezidivierende Infektionen wie beispielsweise Furunkel, Harnwegsinfekte, Parodontitiden oder Osteomyelitiden gut therapiert werden. Zugelassen ist der individuelle Impfstoff zur Therapie und Prophylaxe chronischer bzw. wiederkehrender Infektionen des Urogenitaltraktes, der Haut und Grenzflächen, des Nasen-Rachenraumes, der Atemwege und mit multiresistenten Bakterien.
Quelle
Prof. Dr. Pramod M. Shah; Priv.-Doz. Dr. Oliver Nolte; Dr. Ralf Thrull: "Der individuelle Impfstoff UniVaccin® hilft, wenn Antibiotika versagen", Hamburg, 5. September 2008, veranstaltet von der G. Pohl Boskamp GmbH & Co. KG, Hohenlockstedt.
Apothekerin Gode Meyer-Chlond
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