Praxis

Beratung von Gichtpatienten – was ist wichtig?

Schmerzen lindern und irreversible Schäden an Gelenk und Niere vermeiden

Von Claudia Bruhn

Die Gicht zählt zu den Erkrankungen, deren Verlauf durch das Befolgen einiger Ernährungsregeln günstig beeinflusst werden kann. In manchen Fällen genügt sogar eine diätetische Behandlung, um die Symptome in den Griff zu bekommen. Daher ist es sinnvoll, im Beratungsgespräch neben Abgabehinweisen zu den rezeptpflichtigen Arzneimitteln einige nützliche Ernährungstipps parat zu haben.

Entstehung eines Gichtanfalls Die ausgefällten Uratkristalle werden von polymorphkernigen Leukozyten durch Phagozytose aufgenommen. Die Kristalle vermindern die Stabilität der lysosomalen Membranen, so dass es zur Ruptur und Freisetzung lysosomaler Enzyme aus der Zelle und in Folge zur Entzündungsentstehung kommt. Die freigesetzten Harnsäurekristalle werden von frischen Zellen erneut phagozytiert, es kommt auch hier zur Autolyse. Aus den Leukozyten freigesetzte Mediatoren bewirken ihrerseits die Einwanderung weiterer Phagozyten. Die mit der Autolyse der Zellen verbundene pH-Wert-Senkung setzt die Löslichkeit der Harnsäure herab und fördert so die Ausfällung weiterer Kristalle. Im Endeffekt entsteht ein Kreislauf, bei dem eine intensive, lokal begrenzte, aber sehr schmerzhafte Entzündungsreaktion abläuft und aufrecht erhalten wird.

[Quelle: Steinhilber, D.; Schubert-Zsilavecz, M.; Roth, H. J.: Medizinische Chemie. Targets und Arzneistoffe. Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart (2005).]

Die primäre Gicht (Arthritis urica) ist eine vererbbare, chronische Erkrankung, bei der erhöhte Harnsäurekonzentrationen zur Ablagerung von Harnsäurekristallen im Bindegewebe (vor allem von Haut oder Gelenken, aber auch inneren Organen) führen. Daraus resultieren spezifische Symptome – vom akuten Gichtanfall bis hin zu dauerhaft schmerzenden, geschwollenen und schließlich deformierten Gelenken.

Ursache der Gicht ist entweder eine erhöhte Bildung oder eine gestörte renale Ausscheidung von Harnsäure. Hohe Harnsäurespiegel können aber auch als Komplikation anderer Erkrankungen wie z. B. Niereninsuffizienz oder myelotische Leukämien sowie als Folge einer Strahlen- oder Chemotherapie von Tumoren – wegen der damit verbundenen Zellzerstörung – auftreten (sekundäre Gicht).

Therapie der Gicht

Als Grenzwert wird eine Harnsäurekonzentration über 6,4 mg/dl im Serum betrachtet. Ob zur Behandlung der Erkrankung diätetische Maßnahmen ausreichen oder ob eine medikamentöse Therapie notwendig ist, entscheidet der Arzt. Bei der medikamentösen Therapie wird unterschieden zwischen:

  • der Therapie des akuten Gichtanfalls und
  • der Behandlung im symptomfreien Intervall und bei chronischer Gicht.

Ziel der Behandlung ist eine Senkung der Harnsäurekonzentrationen im Serum unter 5,5 mg/dl. Beim akuten Gichtanfall werden zur symptomatischen Schmerzbehandlung nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAID) eingesetzt, bei Kontraindikationen gegen NSAID auch Glucocorticoide (z. B. Prednisolon). Die Dosierungen der nicht-steroidalen Antiphlogistika im akuten Anfall sind relativ hoch (z. B. Indometacin initial 300 mg/d, dann 100 bis 150 mg über zwei bis vier Tage, Diclofenac 150 mg/d). Wegen der kurzen Behandlungsdauer ist jedoch nur in Einzelfällen mit schweren unerwünschten Wirkungen zu rechnen. Auch Phenylbutazon (z. B. Ambene® Tabletten) wird beim akuten Gichtanfall eingesetzt; wegen schwerer Nebenwirkungen ist dieses Analgetikum nur noch für diese Indikation sowie zur Behandlung akuter Schübe eines Morbus Bechterew zugelassen. Der COX-2-Hemmer Etoricoxib (Arcoxia® Tabletten) besitzt ebenfalls eine Zulassung zur Behandlung des akuten Gichtanfalls. Um die akuten Beschwerden zu bessern und die Kettenreaktion zur Auslösung eines Anfalls zu unterbrechen wird Colchicin eingesetzt, das die Phagozytoseaktivität der Leukozyten herabsetzt.

Beim akuten Anfall zum Arzt

Beim akuten Gichtanfall ist ein sofortiger Arztbesuch notwendig. Steht die Diagnose fest, können im Rahmen der Selbstmedikation gegen die Schmerzen und Schwellungen in den betroffenen Gelenken verschiedene analgetische Wirkstoffe – auch zur externen Anwendung – empfohlen werden, wobei die entsprechenden Nebenwirkungen und Kontraindikationen zu beachten sind (siehe Tabelle).

Zur chronischen Gichttherapie werden ärztlicherseits das Urikostatikum Allopurinol sowie die Urikosurika Probenecid und Benzbromaron eingesetzt. Probenecid und Benzbromaron erhöhen die Ausscheidung von Harnsäure im Urin durch Hemmung der tubulären Rückresorption, sie müssen einschleichend dosiert werden. Um das Ausfallen von Natriumureat-Kristallen in den Nieren zu vermeiden ist es von Vorteil, durch Gabe von z. B. Natriumhydrogenkarbonat den Harn zu neutralisieren (auf pH 6,5 bis 6,8). Die Patienten sollten im Beratungsgespräch darauf hingewiesen werden, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen (mindestens 2 l/Tag).

Als künftige mögliche Alternative zu Allopurinol befindet sich ein neuer selektiver Xanthinoxidase-Hemmer (Febuxostat) in der Entwicklung. In einer multizentrischen Vergleichsstudie führte er zu einer stärkeren Abnahme des Harnsäurespiegels als Allopurinol.

Mögliche Interaktionen beachten

Bei gleichzeitiger Anwendung von Allopurinol bzw. den Urikosurika und anderen Wirkstoffen können zahlreiche Interaktionen auftreten. So wurde beispielsweise über das Auftreten immunologischer Reaktionen bei gleichzeitiger Einnahme von ACE-Hemmern und Allopurinol berichtet. Bisher liegen dazu jedoch nur wenige Fallberichte vor und die Ursachen dafür sind noch nicht bekannt. Nach bisherigen Erkenntnissen tritt diese Interaktion nur innerhalb der ersten Wochen nach Beginn der gleichzeitigen Einnahme beider Arzneistoffe auf. Für die Apothekenpraxis wird empfohlen, bei einer Erstverordnung von Allopurinol bei einem Patienten, der ACE-Hemmer erhält – oder im umgekehrten Fall – Rücksprache mit dem behandelnden Arzt zu halten. Hinweise auf diese Interaktion finden sich auch in den Fachinformationen von ACE-Hemmern (siehe Kasten Interaktion).

Interaktion Allopurinol – ACE-Hemmer

Bei Anwendung von Captopril bei diesen (Anm.: mit Allopurinol behandelten) Patienten ist es ratsam, das weiße Blutbild und das Differentialblutbild vor der Therapie, alle zwei Wochen während der ersten drei Therapiemonate und danach in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren. Während der Behandlung sollten alle Patienten angewiesen werden, den Arzt über jedes Anzeichen einer Infektion zu informieren (z. B. Halsschmerzen, Fieber), in diesem Fall sollte ein Differentialblutbild der weißen Blutkörperchen erstellt werden. Wenn eine Neutropenie (weniger als 1000/mm3 Neutrophile) entdeckt wird oder der Verdacht darauf besteht, sollten Captopril und andere gleichzeitig eingenommene Arzneimittel ... abgesetzt werden.

[Quelle: Fachinformation Loprin® Cor/25/50 Tbl., Stand November 2006.]

Weitere Interaktionen sind möglich bei gleichzeitiger Gabe von Probenecid und Benzbromaron und Salicylaten, die die urikosurische Wirkung abschwächen. Probenecid wiederum verzögert die Ausscheidung von sauren NSAID, was für die gleichzeitige Anwendung von Analgetika von Bedeutung sein kann.

Ernährungsberatung: Vorsicht vor Extremen!

Ist der Serumharnsäurespiegel nur mäßig erhöht, kann eine diätetische Behandlung ausreichend sein. Die zentrale Empfehlung ist dabei, den Verzehr purinreicher Nahrungsmittel einzuschränken. Zu den purinreichen Nahrungsmitteln zählen:

  • Fleisch und Wurst
  • Innereien (Leber, Niere, Herz)
  • bestimmte Fischarten (z. B. Sardinen, Sprotten)
  • Schalen- und Krustentiere (z. B. Hummer)
  • Gemüsesorten wie Linsen, Erbsen, weiße Bohnen, Rosenkohl
  • Sojaprodukte

Listen mit den Harnsäurekonzentrationen der verschiedenen Lebensmittel finden sich zahlreich im Internet (z. B. unter www.bva.at/). Hilfreicher für den Beratungsalltag sind jedoch konkrete Empfehlungen, z. B. den Fleisch- und Wurstkonsum auf maximal vier Portionen pro Woche mit je 100 Gramm zu beschränken. Hülsenfrüchte sollten bei Gicht höchstens ein- bis zweimal pro Monat verzehrt werden. Als purinarme Alternative empfehlen sich Lebensmittel wie Eier und Milchprodukte.

Eine Ernährungsberatung sollte dabei individuell auf die Vorlieben des Patienten abgestimmt sein. Dazu müssen seine bisherigen Ernährungsgewohnheiten zunächst einmal hinterfragt werden. Als Faustregel gilt: Extreme vermeiden! So ist es zwar beispielsweise ratsam, dass ein übergewichtiger Gichtpatient sein Körpergewicht reduziert, Fastenkuren sind jedoch nicht zu empfehlen, denn auch dadurch kann ein Gichtanfall ausgelöst werden.

Zurückhaltung ist auch geboten bei Einladungen zu Festlichkeiten; besonders in ländlichen Regionen sind die Mahlzeiten bei solchen Gelegenheiten häufig sehr üppig und vor allem fleischlastig!

Auf Alkohol sollten Gichtpatienten möglichst verzichten, denn Alkohol und vor allem Bier (auch alkoholfreies) kann einen Gichtanfall auslösen. Empfehlenswerte Getränke sind Mineralwässer sowie Kräuter- und Früchtetee. Kaffee, schwarzer Tee und Kakao sind in Maßen erlaubt.

Gichtgefahr durch Obst und gesüßte Limonaden

Nach neuesten Erkenntnissen kann auch ein regelmäßiger Konsum von mit Fructose gesüßten Getränken sowie der Verzehr von fructosereichem Obst (Äpfel, Orangen) und daraus frisch gepressten Säften den Harnsäurespiegel und damit das Gichtrisiko erhöhen. Dies hat eine kürzlich ausgewertete großangelegte Studie – die Health Professionals Follow-up-study – ergeben, bei der 46.393 über 40-jährige Männer ohne Gicht in der Vorgeschichte regelmäßig zu ihren Lebens- und Ernährungsgewohnheiten befragt worden waren. 755 Teilnehmer entwickelten in den zwölf Jahren der Studie eine Gicht. Auffällig war dabei, dass viele von ihnen bei der Befragung einen hohen Konsum von Süßgetränken angegeben hatten. Die statistische Auswertung der Studiendaten ergab, dass bereits ein Süßgetränk pro Tag das Gichtrisiko um 45% erhöhte, zwei pro Tag sogar um 85%. Die Autoren der Studie sehen als mögliche Ursache für den beobachteten Zusammenhang, dass die in den Süßgetränken reichlich enthaltene Fructose viel ATP verbraucht, das auch für den Abbau von Purinen benötigt wird und dadurch der Harnsäurespiegel ansteigt. Gichtpatienten sollten daher beim Konsum von fructosereichem Obst und Getränken, die mit Fructosesirup gesüßt sind, zurückhaltend sein. Diätlimonaden, das heißt mit Süßstoff gesüßte Getränke, führten in der Studie nicht zu einer Steigerung des Gichtrisikos.

 

Quelle

Choi, H. K.; Curhan, G.: Soft drinks, fructose consumption, and the risk of gout in men: prospektive cohort study. Br Med J 336:309 – 312 (2008).

Underwood, M.: Sugary drinks, fruit and increased risk of gout. Br Med J 336:285 – 286 (2008).

Mutschler, E.: Arzneimittelwirkungen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 9. Auflage (2008).

Lennecke, K.; Hagel, K.; Przondziono, K.: Selbstmedikation für die Kitteltasche. Leitlinien zur pharmazeutischen Beratung, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart, 3. Auflage (2007).

 


Anschrift der Verfasserin 

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn,
 Dorfstr. 60, 
17291 Randowtal/ OT Schmölln

 

 

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