Feuilleton

Bader, Barbiere, Perückenmacher und Friseure

"Haarspalterei" heißt eine Sonderausstellung, die noch bis zum 26. Oktober im Schloss- und Spielkartenmuseum Altenburg zu sehen ist. Die Entwicklung vom Handwerk der Bader und Barbiere zum modernen Friseurberuf wird anhand von Handwerkszeug, Schmuckstücken, Schriftstücken und Raritäten dokumentiert. Im Mittelpunkt stehen Leihgaben aus der Privatsammlung des Riesaer Friseurmeisters Gunter Heil.
Biedermeierperücke Friseursalon Besser, Dresden.
Foto: Wylegalla

Vergeblich hatten die ortsansässigen Wundärzte Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg davon zu überzeugen versucht, dass Johann Andreas Eisenbarth "von der Chyrurgie nicht das geringste" verstehe. Der Landesherr war aufgrund einer Erhebung zu der Erkenntnis gelangt, dass in Altenburg durchaus noch ein tüchtiger Chirurg benötigt wurde. Eisenbarth, ein aus Oberviechtach in der Oberpfalz gebürtiger Okulist, Bruch- und Steinschneider, war 1686 – zwei Jahre nach der Gesellenprüfung – über Zwickau in die Thüringer Residenzstadt gekommen und hatte dort ein Privileg für die Ausübung seines Handwerks beantragt.

… kurier’ die Leut’ nach meiner Art

Um die landesherrliche Genehmigung zum Praktizieren zu erlangen, mussten sich handwerklich ausgebildete Wundärzte der strengen Prüfung eines "Collegium chirurgicum" von akademisch gebildeten Medici unterziehen. Eisenbarth gelang es allen Bedenken der Altenburger Innung zum Trotz, die "Herren Commißarien" von seinem chirurgischen Können zu überzeugen, und erhielt das begehrte fürstliche Privileg. Er lebte bis 1691 in Altenburg und besuchte die Märkte in der Umgebung, um "auf seinem Theatro" Patienten zu behandeln. Seine von Gauklern begleiteten marktschreierischen Auftritte waren umstritten. Die Entwicklung einer Nadel zum Starstechen und eines Polypenhakens belegen indessen, dass er sein Handwerk verstanden haben muss. In einer 1753 veröffentlichten Schrift gegen Kurpfuscherei zollte ihm der Helmstedter Chirurgieprofessor Lorenz Heister sogar höchstes Lob; er war selbst bei vier Operationen des legendenumwobenen Wundarztes zugegen gewesen.

Die wundärztliche oder chirurgische Versorgung der Bevölkerung wurde bis in das 19. Jahrhundert hinein durch Bader und Barbiere wahrgenommen. Akademikern waren auf dem Konzil von Tours 1163 und dem IV. Laterankonzil 1215 die häufig tödlich verlaufenden Eingriffe untersagt worden, weil sie moralisch nicht mit dem geistlichen Amt der meist klerikalen Mediziner zu vereinbaren waren. Erst seit Beginn der frühen Neuzeit wurden den Medizinstudenten zumindest theoretische Kenntnisse in der Chirurgie vermittelt. In der praktischen Unterweisung assistierten den Dozenten und Anatomen allerdings Bader und Barbiere als Prosektoren.

Von der Rasur bis zur "kleinen Chirurgie"

Nachdem Kreuzfahrer die orientalische Badekultur kennen- und schätzen gelernt hatten, wurde es auch im mittelalterlichen Europa üblich, dass Angehörige aller Gesellschaftsschichten regelmäßig öffentliche Badestuben besuchten. Neben geselligen Wannen-, Dampf- und Schwitzbädern boten die Bader ihren Kunden auch Haarschnitte und Rasuren an. Darüber hinaus gehörten medizinische Anwendungen – von Blutegel-Therapien über das Klistiersetzen und Schröpfen bis zum Zähnebrechen und kleineren chirurgischen Maßnahmen – zu ihrem Kompetenzbereich.

In Altenburg erinnert heute noch die "Baderei" an den Standort dreier mittelalterlicher Badstuben. Ab dem 15. Jahrhundert sind dort die Namen der Betreiber überliefert. Weil Bader häufig mit kranken Menschen und Blut in Berührung kamen, galt ihr Beruf als "unehrlich" (unehrenhaft). Erst auf dem Augsburger Reichstag 1548 wurde den Badern im gesamten Heiligen Römischen Reich das Zunftrecht zugebilligt. Die ältesten Zunftartikel des Altenburger Baderhandwerks stammen aus dem Jahr 1553.

Im Stadtarchiv und dem Thüringischen Staatsarchiv Altenburg aufbewahrte Akten weisen darauf hin, dass sich – getreu nach den Innungsartikeln – die Anzahl der Bader und später auch der Barbiere nicht am Bedarf der wachsenden Bevölkerung orientierte, sondern über mehrere Jahrhunderte konstant gehalten wurde. Die ansässigen Berufskollegen hielten zusammen wie Pech und Schwefel und fanden immer wieder ein Hintertürchen, um niederlassungswillige Bewerber von auswärts abzuwehren.

Mit der Ausbreitung der Syphilis und anderer infektiöser Krankheiten im 16. Jahrhundert wurde es zusehends still in den öffentlichen Badehäusern. Wer es sich leisten konnte, besuchte nun private Badestuben oder reiste zu Mineralquellen. Der Bader Not wurde nun der Barbiere Gewinn.

Dieser Berufsstand war durch Badeknechte, denen einst aus Angst vor Konkurrenz die Eröffnung eines eigenen Badehauses untersagt worden war, begründet worden. Sie hatten aus der Not eine Tugend gemacht, indem sie ihre Kunden zu Hause oder auf Jahrmärkten bedienten. Ihr Leistungsspektrum reichte ähnlich wie das der Bader von der Rasur bis zur "kleinen Chirurgie". Ähnlich wie diese hatten sich auch die Barbiere zu Innungen zusammengeschlossen.

Weil sich beide Berufsbilder mehr und mehr glichen, wurden 1773 per Reichsgesetz beide Arbeitsfelder zum Beruf des Chirurgen oder Wundarztes vereinigt; aufgrund der handwerklichen Ausbildung war er gegenüber der akademischen Medizin klar abgegrenzt. Je nach Schwierigkeitsgrad der Operationen unterteilte man die Chirurgen in drei Klassen. So beherrschten nur wenige Spezialisten Trepanationen und Amputationen, Starstiche, die Erweiterung verengter Harnröhren, Luftschnitte und die Behandlung von Nasen- und Lippenkrebs. Die Kunst, Blasensteine operativ zu entfernen, maßten sich viele an, doch nur wenige brachten es hier zur Meisterschaft.


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Vom "Bartscherer" zum Friseur

Manchem Wundarzt lag die Erhaltung der eigenen Existenz näher als das Gesetz. Deshalb versuchten zum Ärgernis der Ärzte und Apotheker immer wieder Chirurgen, mit internistischen Leistungen und der Herstellung von Arzneien ihr Einkommen aufzubessern.

Mit dem Beginn anatomischer Forschungen im 19. Jahrhundert ignorierten dann die Mediziner die mittelalterlichen Konzilsbeschlüsse und begannen sich zusehends für die lange Zeit verpönte Chirurgie zu interessieren.

Auch die Obrigkeit erkannte offenbar, dass das zunehmende medizinische Wissen nicht länger im Rahmen einer Handwerkslehre erworben werden konnte. Deshalb wurde in der preußischen Medizinalordnung von 1825 für die Ausbildung von Wundärzten I. Klasse ein dreijähriges Studium vorgeschrieben. Chirurgen mit Gesellenbrief erhielten die Approbation von nun an erst, nachdem sie noch zwei Jahre studiert hatten. Mit der Entwicklung von Narkoseverfahren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der Erkenntnis, dass ein aseptisches Umfeld den Erfolg der Operationen wesentlich steigert, wurde die Chirurgie endgültig eine Domäne des ärztlichen Berufsstands.

Die Barbiere wurden indessen nicht brotlos. Bereits im 17. Jahrhundert hatten sich etliche von ihnen – nicht gerade zur Freude der damals noch jungen Perückenmacherzünfte – mit der Fertigung und Pflege kunstvoller Haargebilde ein zusätzliches Standbein geschaffen. Als mit der Französischen Revolution die alten – besser gesagt: künstlichen – Zöpfe abgeschnitten wurden, waren es die Barbiere, die aufgrund ihrer fundierten Kenntnisse in punkto Schönheit und Körperpflege fortbestehen sollten. Aus dem Berufsbild des "Bartscherers" entwickelte sich nun allmählich das moderne Friseurhandwerk.


Reinhard Wylegalla

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