Ernährung aktuell

Grün – Gelb – Rot

Um dem Verbraucher die Unterscheidung zwischen gesunden und ungesunden Lebensmitteln zu erleichtern, benötigt er eine klar verständliche Nährwertkennzeichnung. Hieran hapert es in Deutschland nach wie vor, trotz mehrfacher Vorstöße. In den letzten Wochen wurde das Thema wieder verstärkt diskutiert. Mittlerweile deutet einiges darauf hin, dass die sogenannte Ampellösung kommen wird.

Farbig, einheitlich, bezogen auf eine feste Mengeneinheit (100 g oder 100 ml) und auf der Vorderseite der Lebensmittelpackung platziert – so wünschen sich die deutschen Verbraucher die Nährwertkennzeichnung von zusammengesetzten Lebensmitteln. Das ist das Ergebnis einer vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) in Auftrag gegebenen Umfrage. Auf ihrer Basis haben die Verbraucherschutzminister der Länder am 11. Juni 2008 eine verbindliche farbliche Kennzeichnung in Form einer eingefärbten Grafik vorgeschlagen, die auf einen Blick vermitteln soll, wie viel Zucker, Fett und Salz ein Lebensmittel enthält. In der farblichen Gestaltung soll sich die Kennzeichnung an die in Großbritannien bereits praktizierte Nährwert-Ampel anlehnen. Diese kennzeichnet den Gehalt an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz in rot/gelb/grün (s. Tabellen). Rot bedeutet, man sollte das Lebensmittel selten essen, z. B. weil es einen hohen Fett- oder Salzgehalt aufweist, gelb bedeutet, das Lebensmittel ist akzeptabel, grün ist die gesündeste Variante. Zusätzlich werden beim britischen Ampelsystem Informationen zum Gesamtenergiegehalt und zum Prozentsatz der empfohlenen täglichen Aufnahmemenge (GDA, Guideline Daily Amount) vermittelt.


Tab. 1: Kriterien für die Ampelkennzeichnung von Lebensmitteln
(pro 100 g)*
Inhaltsstoff
grün
gelb
rot
Fett
< 3 g
3 - 20 g
> 20 g
gesättigte Fettsäuren
< 1,5 g
1,5 - 5 g
> 5 g
Zucker
< 5 g
5 - 15 g
> 15 g
Salz
< 0,3 g
0,3 - 1,5 g
> 1,5 g
*nach Werten der britischen Lebensmittelbehörde Food Standard Agency (FSA)
Tab. 2: Kriterien für die Ampelkennzeichnung von Getränken
(pro 100 ml)*
Inhaltsstoff
grün
gelb
rot
Fett
< 1,5 g
1,5 - 10 g
> 10 g
gesättigte Fettsäuren
< 0,75 g
0,75 - 2,5 g
> 2,5 g
Zucker
< 2,5 g
2,5 - 7,5 g
> 7,5 g
Salz
< 0,3 g
0,3 - 1,5 g
> 1,5 g
*nach Werten der britischen Lebensmittelbehörde Food Standard Agency (FSA)

Pro und Contra Ampel

Das Bundesverbraucherministerium ist in Bezug auf die Ampellösung derzeit noch zwiegespalten. Im vergangenen Herbst hatte der Bundesverbraucherminister die "1 + 4"-Nährwertangaben zur Lebensmittelkennzeichnung vorgeschlagen. Sie soll den Verbrauchern einen Überblick über den Kaloriengehalt sowie den Gehalt an Zucker, Fett, gesättigten Fettsäuren und Salz verschaffen. Die Ampellösung lehnte Seehofer stets ab. Nach Veröffentlichung der Umfrage stellte er nun jedoch eine farbliche Unterlegung des vom Ministerium unterstützten "1+ 4"-Kennzeichnungsmodells in Aussicht. Andererseits versagte das Bundesverbraucherministerium dem Votum der Verbraucherschutzminister der Länder vom 11. Juni seine Unterstützung. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat daher nun Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, sich in die Diskussion um die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln einzuschalten. "Die Bundeskanzlerin muss im Kampf gegen Übergewicht Farbe bekennen", so VZBV-Vorstand Gerd Billen. Von der Reaktion Seehofers und seines Ministeriums zeigte sich Billen enttäuscht: "Die Verbraucher wünschen sich nicht nur eine unmissverständliche Kennzeichnung, sondern auch eine eindeutig verbraucherfreundliche Positionierung der Bundesregierung."

Bitte verbindlich!

Bedenklich ist aus Sicht der Verbraucherschützer auch die Aussage Seehofers, dass es sich bei der Lebensmittelkennzeichnung in Form der Ampel nur um freiwillige Angaben handeln könne. Seehofer beruft sich hier auf Europarecht, nach dem eine verpflichtende bundesweite Vorschrift nicht möglich sei. Die Vize-Fraktionschefin der Grünen, Bärbel Höhn, kritisierte dies: "Freiwilligkeit bei der farblichen Kennzeichnung bringt gar nichts", erklärte sie. "Kein Unternehmen würde sein Fertiggericht oder seine Süßigkeit mit einer roten Ampelfarbe diskreditieren." Hiervon geht auch der gemeinnützige Verbraucherschützerverein foodwatch aus. Er berichtete vor Kurzem über die Hintergründe der von den Lebensmittelkonzernen Nestlé, Kelloggs, Danone und anderen gestarteten Initiative "ausgezeichnet informiert". Die Initiative lehnt die farbliche Kennzeichnung der Nährwertgehalte ab und schlägt stattdessen ein Zahlensystem vor, das sich nach dem Tagesbedarf (GDA – Guideline Daily Amounts) einer erwachsenen Frau richtet. Laut foodwatch hat dies einzig zum Zweck, einen zu hohen Zucker- oder Fettgehalt in den Produkten zu verschleiern. Insbesondere sogenannte Kinderlebensmittel, darunter viele Frühstücks-Getreideprodukte, würden bei der Ampelkennzeichnung durch rote Werte beim Zuckergehalt negativ auffallen. "Diese Produkte sind versteckte Süßigkeiten. Erst mit der Ampelkennzeichnung wird dies deutlich", sagte Matthias Wolfschmidt von foodwatch.

Lebensmittelkennzeichnung in Europa

Am 30. Januar 2008 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag angenommen, der für eine klarere und stärker auf die Bedürfnisse der Verbraucher in der EU zugeschnittene Kennzeichnung von Lebensmitteln sorgen soll. Der Verordnungsentwurf zielt auf eine Modernisierung und Verbesserung des EU-Rechts im Bereich der Lebensmittelkennzeichnung ab, so dass die Verbraucher die wesentlichen Informationen erhalten, die sie für bewusste Kaufentscheidungen benötigen. Nach dem Vorschlag müssen wichtige Informationen zum Nährwert bei allen fertig abgepackten Lebensmitteln auf der Packungsvorderseite erscheinen. Weitere Vorschriften legen allgemein fest, wie diese Informationen darzustellen sind; die Mitgliedstaaten dürfen allerdings auf einzelstaatlicher Ebene zusätzliche Maßnahmen ergreifen, sofern das EU-Recht dadurch nicht untergraben wird.

Quellen:

Wenzel, A.: Ampel oder GDA – was soll auf das Etikett? DAZ Nr. 24/2007, S. 88f

Nährwert-Ampel: Rot für Kinderlebensmittel von Nestlé, Kellogg‘s und Danone; Pressemitteilung von foodwatch vom 23.5.2008

Besser essen mit der Ampel; VZBV-Pressemitteilung vom 29.5.2008

Nährwertkennzeichnung: Merkel soll Farbe bekennen; VZBV-Pressemitteilung vom 16.6.2008

 


Dr. Beatrice Rall

 

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