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Arzneimittel und Therapie
Rituximab: Angriff auf die B-Lymphozyten
Rituximab "erkennt" CD20-Moleküle, heftet sich daran und mobilisiert so das körpereigene Immunsystem, die markierten Zellen zu zerstören. Es bindet spezifisch an das CD20-Antigen von reifen und späten Vorstufen der B-Zellen und von B-Zell-Lymphomen. Dieses CD20-Antigen wird auf 95% aller B-Zell-Lymphome vom niedrigmalignen Non-Hodgkin-Typ exprimiert. CD20 ist auf gesunden und malignen B-Zellen zu finden. Es befindet sich jedoch nicht auf hämatopoetischen Stammzellen, normalen Plasmazellen und anderen Gewebezellen. Diese werden deshalb durch die Therapie nicht angegriffen. Für die antitumorale Aktivität von Rituximab werden verschiedene Mechanismen diskutiert, mit denen das Absterben der Tumorzelle erreicht werden kann. Dazu zählen eine komplementvermittelte Lyse der malignen Tumorzellen, die Induktion einer zellvermittelten Zytotoxizität durch Heranführen von Killerzellen oder Makrophagen an die Tumorzelle sowie eine Induktion der Apoptose. Außerdem scheint es die Proliferation von B-Zell-Lymphomen zu verhindern und Lymphomzellen für eine Chemotherapie zu sensibilisieren.
Wirksam bei der Behandlung von Lymphomen
Rituximab ist in Deutschland seit 1998 dem Markt. Der monoklonale Antikörper ist zur Behandlung von Lymphomen zugelassen, die von B-Zellen ausgehen, dies sind vor allem Non-Hodgkin-Lymphome. Der Verlauf einer solchen Erkrankung ist von der Art des Lymphoms, dem diagnostizierten Stadium, der Tumorlast und -größe sowie dem Alter des Patienten abhängig. Aggressive Non-Hodgkin-Lymphome verbreiten sich rasch im Körper und führen unbehandelt innerhalb weniger Monate zum Tod. Hier gehört Rituximab heute zur Standardtherapie. Bei älteren Patienten konnte durch die Kombination einer Chemotherapie mit Rituximab eine Drei-Jahres-Überlebensrate von 78% erzielt werden, die Fünf-Jahres-Überlebensrate ist für Patienten, die mit Rituximab plus Chemotherapie erstbehandelt wurden, um 13% höher als für diejenigen, die nur eine Chemotherapie erhielten. Bei jungen Patienten mit niedrigem Risiko ist mit Rituximab sogar in fast allen Fällen eine Heilung möglich.
Indolente Lymphome, zu denen das follikuläre Lymphom gehört, haben in der Regel einen deutlich langsameren Krankheitsverlauf. Sie sprechen gut auf Therapien an, jedoch ist immer wieder mit Rückfällen zu rechnen. Zu den Therapiemöglichkeiten gehören Strahlentherapie, Chemotherapie und die Antikörpertherapie mit Rituximab. Bei Patienten, die neben der Chemotherapie Rituximab erhielten, dauerte es im Schnitt 27 Monate, bis der Krebs wiederkam. Bei Patienten, die nur eine Chemotherapie erhielten, waren dies nur sieben Monate. Rituximab ist seit Januar 2008 in Kombination mit einer Chemotherapie auch zur Erstbehandlung der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) zugelassen. Die CLL ist die in der westlichen Welt am häufigsten vorkommende Leukämieform und tritt vor allem im höheren Lebensalter auf.
Besserung der rheumatoiden Arthritis
Der Angriff von Rituximab auf die B-Zellen wird nicht nur zur Behandlung von Lymphomen, sondern auch zur Reduktion der B-Zellen bei Autoimmunerkrankungen genutzt. So ist Rituximab bereits zur Behandlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis zugelassen. Hier linderte die Therapie mit Rituximab in einer klinischen Studie bei Patienten mit schwerer rheumatoider Arthritis, bei denen es auch unter Methotrexat nicht zu einer deutlichen Besserung gekommen war, über mehrere Monate lang die Beschwerden.
In der Studie wurden unter anderem die Weiterbehandlung mit Methotrexat und die Kombination von Rituximab plus Methotrexat miteinander ver-glichen. Unter der Kombination besserte sich bei 43% der Patienten in der Woche 24 die Erkrankung um mindestens 50% nach den Kriterien des American College of Rheumatology (ACR 50), während es unter der Monotherapie mit Methotrexat nur 13% waren. Die Therapie mit Rituximab hatte zum Teil schwerwiegende Nebenwirkungen: Schwere Infektionen traten in den ersten 24 Wochen bei insgesamt fünf Patienten auf.
Erste Erfolge bei Immunneuropathien
Rituximab scheint auch bei neuroimmunologischen Erkrankungen wirksam zu sein, zum Beispiel der Gammopathie-assoziierten Polyneuropathie sowie bei der multifokalen motorischen Neuropathie. Obwohl diese Erkrankungen nach gängiger Meinung vor allem durch T- und nicht primär durch B-Zellen ausgelöst werden, scheinen hier auch humorale Antikörper- und Komplement-vermittelte Schädigungsmechanismen eine Rolle zu spielen.
In einer unkontrollierten Fallserie von acht Patienten mit Neuromyelitis optica und deutlicher Einschränkung durch die Erkrankung unterdrückte die Therapie mit Rituximab weitere Schübe und verbesserte den Behinderungsgrad nach einjähriger Behandlung. Die Rituximab-Therapie wurde gut vertragen und erzielte eine anhaltende B-Zell-Depletion über sechs bis zwölf Monate. In einem Fallbericht führte Rituximab zur klinischen Stabilisierung bei einem Patienten mit multipler Sklerose, dessen Erkrankungsaktivität trotz einer Behandlung mit Mitoxantron persistierte. Während Rituximab bei vier Patienten mit primär-chronisch progredienter multipler Sklerose scheinbar nicht zu einer vollständigen B-Zell-Depletion führte, wurde im Fallbericht eine komplette Depletion von B-Lymphozyten im peripheren Blut und Liquor im Beobachtungszeitraum von sechs Monaten nachgewiesen.
Derzeit laufen kontrollierte Therapiestudien bei schubförmiger sowie bei primär-chronisch progredienter multipler Sklerose. In einer randomisierten, doppelblinden Phase-II-Studie mit 104 Patienten mit einer schubförmig verlaufenden multiplen Sklerose reduzierte Rituximab über einen Zeitraum von sechs Monaten die im Kernspintomogramm sichtbare Krankheitsaktivität (relative Reduktion der Läsionen um 91%) und unterdrückte das Auftreten klinischer Schübe signifikant um 58% im Vergleich zu Placebo. 69 Teilnehmer erhielten am ersten Studientag und 14 Tage später intravenös je 1000 mg Rituximab, 35 erhielten Placebo. Im Schädel-MRI von Patienten in der Rituximab-Gruppe fanden sich hochsignifikant weniger Gadolinium-positive Läsionen als Zeichen der Krankheitsaktivität als bei Patienten in der Placebo-Gruppe. Diese Differenz war auch nach 48 Wochen immer noch hoch signifikant. In der Woche 24 betrug die Krankheitsschubrate nach Therapie mit Rituximab 14,5% und mit Placebo 34,3%. Nach 48 Wochen hatten in der Rituximab-Gruppe 20,3% und in der Placebo-Gruppe 40% einen MS-Schub erlitten. Nebenwirkungen, vor allem leichter und moderater Art, traten unter Rituximab häufiger auf als unter Placebo, allerdings lediglich nach der ersten Infusion.
Quelle
Prof. Dr. Norbert Schmitz, Hamburg, Prof. Dr. Michael Herold, Erfurt; Prof. Dr. M. Hallek, Köln: "2008: Die ersten zehn Jahre Anti-CD20-Antikörper-Therapie in der Hämatologie”, Berlin, 22. Februar 2008, veranstaltet von der Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen.
Hauser SL, et al.: B-cell depletion with rituximab in relapsing–remitting multiple sclerosis. N. Engl. J. Med. 2008; 358: 676-688.
Edwards JCW, et al.: Efficacy of B-cell–targeted therapy with rituximab in patients with rheumatoid arthritis. N. Engl. J. Med. 2004; 350: 2572-2581.
hel
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