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Infektionskrankheiten
Zecken richtig entfernen
Lyme, ein kleiner Ort im Staat Connecticut im Nordosten der USA, hätte wahrscheinlich auf diese Art der Berühmtheit verzichten können. Im Jahre 1976 wurde hier zum ersten Mal die nach ihr benannte Erkrankung beschrieben.
Medizinern war aufgefallen, dass in dieser Region gehäuft Fälle von Arthritis auftraten und dass die Betroffenen keinerlei Faktoren aufwiesen, die normalerweise mit einer Arthritis assoziiert waren. Stattdessen berichtete ein Viertel der untersuchten Patienten vom Auftreten eines Erythems etwa vier Wochen vor Einsetzen der ersten Symptome. Da die Fälle besonders im Sommer und Frühherbst auftraten, nahm man an, dass diese Form der Arthritis durch ein unbekanntes Agens verursacht wird, welches durch Arthropoden übertragen wird.
... durch schraubenförmige Bakterien
Wenig später wurde auch der Erreger identifiziert und 1982 von Willy Burgdorfer beschrieben. Es handelt sich um eine bis dahin unbekannte Spirochäte der Gattung Borrelia, welche nach ihrem Entdecker auf den Namen Borrelia burgdorferi getauft wurde.
Seit dieser Entdeckung wurde viel über die Verbreitung, Übertragung, Pathogenese und die mögliche Therapie der Borreliose bekannt.
Borrelien sind schraubenförmige Bakterien und kommen in fast allen Regionen der Erde vor. Dabei leben sie in unterschiedlichsten Säugetierwirten wie Nagern, nutzen aber auch Vögel und Reptilien als Reservoir.
Als Vektoren, das heißt als
Zwischenwirt zur Übertragung, haben sich viele Borrelienarten an Arthropoden adaptiert (Abb.1).
Zwischenwirt Zecke sorgt für Verbreitung
Hauptüberträger von Borrelia burgdorferi sind dabei unterschiedliche Zecken der Gattung Ixodes, in Europa Ixodes ricinus , der gemeine Holzbock. Durch ihn werden Borrelien auch auf Menschen übertragen, wo sie dann nach Infektion und Manifestation eine sogenannte Lyme-Borreliose verursachen. Andere Borrelienarten wie zum Beispiel Borrelia recurrentis , werden durch die Kleiderlaus (Pediculus humanus) übertragen. Auch sie können beim Menschen eine Erkrankung hervorrufen, das sogenannte Läuserückfallfieber. Doch während diese Infektion durch Hygienemaßnahmen in Europa äußerst selten vorkommt und nur noch in bestimmten Regionen Afrikas, Asiens und Südamerikas auftritt, ist die Lyme-Borreliose in unseren Breiten stetig auf dem Vormarsch.
Drei wichtige Genospezies ...
Ihr Erreger, Borrelia burgdorferi , ist fast weltweit verbreitet, man findet ihn vor allem in
Nordamerika, Europa, Asien und Australien. Untersuchungen der DNA der Bakterien haben ergeben, dass verschiedene Genospezies existieren, darunter drei, die hauptsächlich für das Auftreten einer Borreliose verantwortlich sind. Diese werden kollektiv unter der Bezeichnung Borrelia burgdorferi sensu lato (im weiteren Sinne) zusammengefasst und umfassen die Spezies Borrelia burgdorferi sensu stricto (im engeren Sinne), B. garinii und B. afzelii • Daneben sind weitere neun minimal- oder nicht-pathogene Genotypen bekannt. Eine wichtige Beobachtung ist, dass diese Genospezies weltweit nicht gleichmäßig verteilt sind, sondern regional auftreten. In Nordamerika ist ausschließlich B. burgdorferi präsent, in Asien sind es hauptsächlich B. garinii und B. afzelii und in Europa kommen alle drei Genospezies vor.
... mit enormer Anpassungsfähigkeit
Aufgrund ihrer Lebensweise in unterschiedlichsten Wirten haben Borrelien eine enorme Anpassungsfähigkeit entwickelt. Anders als Erreger, die ausschließlich Säugetiere infizieren, müssen sich Borrelien durch den fortwährenden Wechsel zwischen warmblütigen Säugetieren und Zecken ständig anderen Umweltbedingungen anpassen. Ihr Genom, welches 1997 komplett entschlüsselt wurde, zeigt dementsprechend eine außergewöhnliche Organisation. Mit 1,5 Millionen Basenpaaren gilt es als relativ klein. Ein Großteil der Information entfällt auf ein lineares Chromosom, daneben besitzen Borrelien noch neun zirkuläre und zwölf lineare Plasmide. Relativ wenige der Gene kodieren für biosynthetische Enzyme, weshalb der Erreger für die Nährstoffversorgung auf seine Wirte angewiesen ist.
Ungewöhnlich viele Lipoprotein-codierende Gene
Stattdessen weist das Genom von Borrelia ca. 100 Gene auf, welche für sogenannte Lipoproteine kodieren, so viele wie sonst kein bekanntes Bakterium. Lipoproteine sind mit Fettsäuren versehene Polypeptide, welche auf der äußeren Bakterienmembran verankert sind und offenbar eine wichtige Rolle bei der Interaktion des Organismus mit seiner Umwelt spielen. Sie vermitteln unter anderem die Migration der Bakterien durch das Gewebe, die Anheftung an Wirtszellen und das Ausschalten der wirtseigenen Abwehrreaktion. Je nach Wirt, in dem sich die Borrelien gerade befinden, werden diese Gene unterschiedlich exprimiert. Faktoren wie zum Beispiel Temperatur oder die Zusammensetzung des umgebenden Mediums (Zeckendarm, Blut) spielen dabei eine wichtige Rolle.
Outer-surface-Protein A sorgt für Darmhaftung
So sind bis zum Frühjahr, wenn die Borrelien sich im Darm der Zecken aufhalten, vor allem Proteine wie das Outer-surfaceProtein A (OspA) präsent. Dieses hilft den Borrelien, sich an die Darmwand der Zecken anzuheften. In diesem Stadium sind die Bakterien weitgehend inaktiv und vermehren sich nicht. Wenn eine Zecke einen Wirt befällt und ihre Blutmahlzeit beginnt, ändert sich das Genexpressionsmuster der Borrelien, offensichtlich durch die Temperaturänderung hervorgerufen.
Outer-surface-Protein C sorgt für Beweglichkeit
Die Borrelien erwachen sozusagen und beginnen, sich auf ihren neuen Wirt einzustellen, vor allem durch die Änderung ihrer Proteinausstattung an der Oberfläche. Die Produktion von OspA wird heruntergefahren und dafür vermehrt OspC, ein weiteres Oberflächenprotein, gebildet. Dieses hilft den Borrelien nun, sich vom Darm in die Speicheldrüse der Zecken zu bewegen und von dort in den neuen Wirt zu gelangen, ein Prozess der 24 bis 72 Stunden dauert. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass eine Infektion mit Borrelien verhindert werden kann, wenn die Zecke kurz nach ihrem "Biss" entfernt wird, also bevor die Borrelien in die Speicheldrüse gewandert sind.
Borrelien vermögen sich nun an unterschiedlichste Strukturen und Proteine ihres Säugetier-Wirtes zu heften, was ihnen auch eine Ausbreitung im Körper ermöglicht. So binden sie beispielsweise an Plasminogen und dessen Aktivatoren, an Fibronectin, ein extrazelluläres Matrixprotein, und an Decorin, ein mit Kollagen assoziiertes Proteoglykan.
Schlagabtausch mit dem Immunsystem
Um der Abwehrreaktion des Immunsystems zu entgehen, können verschiedene Borrelien-Genotypen Faktoren des Komplementsystems binden und inhibieren. Damit ist es ihnen möglich, diesem Teil der angeborenen Immunantwort zu entgehen und sich weiter im Organismus auszubreiten. Aber auch das adaptive Immunsystem können Borrelien zeitweilig unterlaufen, indem sie die Bildung verschiedener Oberflächenproteine regulieren und damit die Angriffspunkte der gebildeten Antikörper reduzieren. Allerdings gibt es Hinweise, dass in diesem Schlagabtausch zwischen Immunsystem des Menschen und Überlebensstrategien des Bakteriums letzteres auf Dauer immer den Kürzeren zieht. So scheinen die meisten Patienten auch ohne Antibiotikagabe die Borrelien nach spätestens einigen Jahren zu eliminieren. Betrachtet man den Lebenszyklus der Borrelien, ist das auch nicht verwunderlich. Sie müssen sich ja nur während des Sommers den Gefahren des Lebens in einem immunkompetenten Säugetier aussetzen, danach verbringen sie den Winter wieder in einem latenten Zustand im Darm der Zecke. Dementsprechend mussten sie keine Strategien für ein dauerhaftes Überleben in Säugetieren entwickeln.
Genotyp beeinflusst Krankheitsverlauf
Welchen Krankheitsverlauf eine Borreliose annimmt, kann zum großen Teil davon abhängen, mit welchen Genotypen man sich infiziert. Alle Borrelien können ein Erythema migrans verursachen, welches durch die Ausbreitung der Erreger in der Haut entsteht. B. burgdorferi kann sich weiter ausbreiten und vermag vor allem eine chronische, Antibiotika-resistente Arthritis hervorzurufen. B. garnii breitet sich nicht so weit aus, ruft aber eher Erkrankungen wie eine Neuroborreliose hervor. B. afzelii infiziert oftmals ausschließlich die Haut und verursacht beispielsweise eine Acrodermatitis chronica atrophicans. Allerdings gibt es bei allen Formen durchaus Überlappungen (Abb. 2).
Schwierige Impfstoffsuche
Gerade wegen der Schwere einiger Krankheitsverläufe wurden früh Untersuchungen gestartet, Zielstrukturen der Borrelien zu identifizieren und einen effektiven Impfstoff zu entwickeln. Deren Eigenschaft, sich ständig zu verändern, zu tarnen und das Immunsystem zu überlisten, macht dieses Unterfangen bis heute extrem schwierig. Hinzu kommt noch die Heterogenität zwischen den verschiedenen Genospezies. Klassische Methoden wie die Gewinnung abgeschwächter Erreger oder von Bakterienlysaten waren nicht von Erfolg gekrönt. Zum Einen lässt sich der Erreger nur sehr schwer in Kultur züchten und benötigt ein komplexes Kulturmedium. Zum Anderen neigen Borrelien dazu, unter Kulturbedingungen Teile ihres Genoms, die eingangs erwähnten Plasmide, zu verlieren, womit auch ein Verlust der Immunogenität einher gehen kann. Für die Immunisierung von Haustieren, beispielsweise von Hunden, sind derzeit allerdings verschiedene Präparate erhältlich, die auf Bakterienlysaten basieren.
OspA-Impfstoff schützt auf erstaunliche Weise
Um mit gentechnischen Methoden einen wirksamen Impfstoff zu erhalten, wurden verschiedene Oberflächenproteine auf ihre Immunogenität hin untersucht. Im Jahr 1990 wurde erkannt, dass Mäuse durch die Gabe von rekombinatem OspA vor einer Infektion geschützt werden konnten. Hierbei war vor allem erstaunlich, auf welche Weise diese Impfung funktioniert. OspA wird ja von Borrelien nur während ihres Aufenthalts im Zeckendarm gebildet und tritt selten während des Lebenszyklus im Säugetier auf. Dementsprechend bilden Infizierte während des Beginns der Infektion keine Antikörper, die gegen OspA gerichtet sind. Eine Impfung mit OspA induziert dagegen einen hohen Antikörperspiegel gegen dieses spezielle Bakterienprotein. Wird ein Impfling von einer Zecke gebissen, saugt diese mit dem Blut auch die spezifischen Antikörper auf, welche sich dann schon im
Zeckendarm an die Borrelien heften und somit deren Übergang in den neuen Wirt blockieren, ja sogar dazu beitragen, dass die Bakterien in der Zecke eliminiert werden.
Aufstieg und Fall des OspA-Impfstoffs
Die Firma SmithKline Beecham entwickelte diesen Impfstoff weiter und erhielt 1998 die Zulassung für den amerikanischen Markt. Die Anwendung war vorgesehen für Menschen zwischen 15 und 70 Jahren, welche in Regionen mit endemischem Auftreten von Borreliose lebten. Da der Impfstoff nur aus dem OspA des Genotyps B. burgdorferi bestand, hätte eine Anwendung in Europa nur einen teilweisen Schutz vermittelt. Deshalb bestanden Pläne, für den europäischen Markt eine trivalente Vakzine mit OspA aller drei hier vorkommenden Spezies zu entwickeln. Von Lymerix, so der Handelsname des US-Impfstoffes, wurden in den USA innerhalb der ersten 19 Monate nach Zulassung 1,4 Millionen Dosen verabreicht, wobei keine ungewöhnliche Häufung von Nebenwirkungen beobachtet wurde. Allerdings traten auch unter den Impflingen einige Fälle von Arthritis auf. Zeitgleich mit der Zulassung des Impfstoffes wurde eine Studie veröffentlicht, die OspA im Verdacht hatte, für das Auftreten der Antibiotika-resistenten Arthritis nach Borrelieninfektion verantwortlich zu sein (siehe Kasten). Untersuchungen der Proteinstruktur des OspA zeigten eine teilweise Ähnlichkeit zu dem Protein hLFA-1 (human leukocyte function-associated antigen-1). Demnach könnte OspA also zu einer Autoimmunreaktion gegen dieses körpereigene Protein führen und die Arthritis auslösen. Obwohl diese Vermutung heute sogar von den Autoren der damaligen Studie nicht mehr vertreten wird, sorgte dieser Bericht doch dafür, dass der Impfstoff im Jahr 2002 vom Markt genommen wurde. Dabei urteilten die US Food and Drug Administration (FDA) und die Centers for Disease Control and Prevention noch nach eingehenden Untersuchungen, dass kein Zusammenhang zwischen der Impfung mit Lymerix und dem Auftreten der berichteten Nebenwirkungen bestand. Der Hersteller selbst zog den Impfstoff zurück, offiziell wegen schlechter Verkaufszahlen. Diese waren nämlich drastisch gesunken, nachdem das Thema in der amerikanischen Presse sehr emotional behandelt wurde und verschiedene Anwaltgruppen mit Betroffenen vor Gericht gezogen waren. Zusammen mit Lymerix wurden auch sämtliche Anstrengungen begraben, einen Impfstoff für Europa auf den Markt zu bringen.
Neuer Anlauf mit modifiziertem OspA-Impfstoff
Im Jahre 2005 ließ die Firma Baxter verlautbaren, einen neuen Impfstoff für Europa testen zu wollen. Dieser, in Tierversuchen erfolgreiche Kandidat, besteht ebenfalls aus OspA, allerdings mit einem Unterschied zum Vorgänger: Dem Protein wurde jene Aminosäuresequenz entfernt, die Ähnlichkeit zum humanen LFA-1-Protein aufweist. Es bleibt zu hoffen, dass dieses neue Protein genauso effektiv ist wie der Vorgänger und dass dem Impfstoff eine höhere Akzeptanz beschieden ist.
Bis heute konnte kein anderes Borrelienprotein als überzeugender Impfstoffkandidat identifiziert werden, womit ein neuer, ähnlich wirksamer Impfstoff in den nächsten Jahren nicht zu erwarten ist. Darüber hinaus ist fraglich, wie viel Engagement Firmen in Zeiten drohender Pandemien wie SARS und Vogelgrippe in die Entwicklung einer Vakzine gegen Borreliose investieren. Verständlicherweise befürworten gerade Menschen, die schon eine Borreliose durchgemacht haben, die Entwicklung eines Impfstoffes. Und diese Zahl wird in den nächsten Jahren sicherlich steigen. <
Literatur beim VerfasserAnschrift des Verfassers:Dr. Heribert WarzechaLehrstuhl für Pharmazeutische BiologieJulius-von-Sachs-InstitutJulius-von-Sachs-Platz 297082 WürzburgE-Mail: warzecha@biozentrum.uni-wuerzburg.de- Richtige Methoden • Um das Tier sicher und schnell zu entfernen, sollte es mit einem Skalpell oder scharfen Taschenmesser aus der Haut gehebelt werden. Hierbei darf ruhig etwas Blut fließen oder ein kleines Stück Haut entfernt werden. Die von Ärzten empfohlene Splitterpinzette ist wohl nicht bei jedem Spaziergang mit dabei, aber auch mit Zahnseide oder einem Haar lässt sich die Zecke gut herausziehen. Eine weitere Möglichkeit bietet die Zeckenkarte , ein Scheckkarten-großes Plastikteil mit entsprechenden Aussparungen für große und kleine Zecken. Eine der rabiatesten Methoden ist das Herausschaben mit der Rasierklinge , bei dem der Zeckenkörper in einer schnellen Bewegung vom Kopf abgetrennt wird, der daraufhin entweder vom Körper selbst abgestoßen wird oder am Folgetag vom Arzt entfernt wird. Auch die Anwendung von Kältespray , mit dem das Tier sofort eingefroren wird und dann problemlos auch mit der Zeckenzange entfernt werden kann, ist möglich. Zwar funktionieren die vorgestellten Methoden nicht so reibungslos wie die Zeckenzange, aber das Risiko einer Infektion wird dadurch enorm gesenkt. Abschließend sollte man das betroffene Hautareal desinfizieren.
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