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Verbieten!

Wer aufmerksam gesellschaftliche Strömungen verfolgt, merkt: die anfängliche Euphorie in Sachen Arzneiversandhandel verfliegt. Nachdem sich mit der Zulassung des Versandhandels die Medien fast überschlugen, die neuen Möglichkeiten zu loben, Arzneimittel auch übers Internet zu bestellen, stellt sich in den letzten Monaten zusehends Ernüchterung ein. Zwar erscheint in der einen oder anderen Zeitschrift noch ein kleiner Hinweis, dass man mit der Bestellung von Arzneimitteln bei deutschen Versandapotheken sparen könne und dass der Versand sicher sei. In ihrer Oktober-Ausgabe von "test" hat die Stiftung Warentest die Beratungsqualität von Versendern untersucht – die Ergebnisse sind keineswegs zufriedenstellend. Mehr und mehr schiebt sich nun das Thema Arzneimittelfälschungen und Internet in den Vordergrund. Selbst wettbewerbsfreundliche Medien scheinen mittlerweile zu merken, dass Arzneimittel eine Ware besonderer Art sind, dass man sie besser nicht irgendwoher bezieht, sondern nur aus zuverlässigen Quellen: aus einheimischen Apotheken. So kann ein Patient beim Bezug von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bei ausländischen Internetapotheken nie sicher sein, ob er Originalware erhält oder gefälschte Arzneimittel aus dubiosen Quellen. Spätestens da hört dann der Spaß auch bei den Versandliebhabern auf. Hier geht es um Arzneimittelsicherheit, um die Gesundheit, letztlich auch um Leben und Tod.

Die Frankfurter Sonntags Zeitung von letztem Sonntag widmete dem Thema Arzneimittelfälschungen eine Seite – der Leser erfährt von den Beschlagnahmungen gefälschter Arzneimittel durch den Zoll, von den Propecia-Untersuchungen des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker und von den Aktivitäten des Richard Adler, der in großem Stil gefälschte Arzneimittel europaweit über ein saarländisches Unternehmen in St. Wendel vertrieben haben soll. Er kann auch lesen, dass selbst der Auftritt einer Internetapotheke im Netz sehr leicht zu fälschen ist. Professor Schweim hat es an einem Beispiel vorgeführt (siehe den Bericht in DAZ Nr. 27, S. 52). Einziger Wermutstropfen ist, dass nun auch deutsche Apotheken genannt werden müssen: Bekanntlich wird gegen einige deutsche Zytostatika-herstellende Apotheken ermittelt wegen des Verdachts, u. a. gefälschte Arzneimittel verarbeitet zu haben.

Eine aktuelle Studie des Bundeskriminalamts zum Thema "Arzneimittelkriminalität – ein Wachstumsmarkt" empfiehlt, die Notwendigkeit des Internethandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu hinterfragen. Laut BKA ist Deutschland das einzige Land in der Europäischen Union, das einen Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zulässt. Nach meinen Kenntnissen dürfen dies allerdings auch die Niederlande und Großbritannien – aber immerhin, die meisten Staaten schützen ihre Bürger vor der Gefahr, gefälschte Arzneimittel aus Internetapotheken zu bekommen. Nur die Bundesregierung scheint davon bisher wenig zu halten. Die Initiative des nordrheinwestfälischen Gesundheitsministers Laumann, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wieder zu verbieten, ist noch nicht im Bundesgesundheitsministerium aufgegriffen worden. Muss erst etwas passieren? Muss der deutsche Markt erst noch stärker mit gefälschten Arzneimitteln über das Einfallstor Internetversandhandel überschwemmt werden? Jetzt müsste gehandelt werden, bevor es zu spät ist.

In den Bereich Chemikalienhandel via Internet scheint bereits Bewegung zu kommen. Wie zu lesen war, denkt die Bundesregierung darüber nach, den Verkauf von Chemikalien an Privatleute über den Versandhandel ganz zu verbieten. Anlass ist der Bezug von Chemikalien zum Bau von Bomben durch Terroristen.

Selbst Tierarzneimittel dürfen nicht über den Internetversandhandel vertrieben werden. Vor diesem Hintergrund ist es umso unverständlicher, dass in Deutschland der Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln für Menschen erlaubt ist. Es reicht eben nicht aus, wenn sich auf den Internetseiten des Bundesgesundheitsministeriums Hinweise finden lassen, wie man erkennt, ob eine Versandapotheke vertrauenswürdig ist oder nicht. Selbst in diesen Informationen heißt es: "Bei der Nutzung von Gesundheitsinformationen aus dem Internet sowie beim Bezug von Arzneimitteln über das Internet ist es schwierig, seriöse von unseriösen Anbietern zu unterscheiden" – eine Gefahr, denen man die Bürger nicht aussetzen müsste.

Vor diesem Hintergrund muss unsere Forderung jetzt verstärkt werden: Den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verbieten! Denn die Nachteile sind offensichtlich und liegen auf der Hand. Der Zeitpunkt, dieses Verbot nachdrücklich zu fordern, ist günstig. Wir sollten jetzt eine Kampagne starten.

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