Arzneimittel und Therapie

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Gefahren für Magen und Darm

Bei etwa jedem 20. in Deutschland stationär aufgenommenen Patienten sind unerwünschte Arzneimittelwirkungen der Grund für die Einweisung ins Krankenhaus. Am häufigsten leiden diese Patienten dabei unter Blutungen im Magen-Darm-Trakt, ausgelöst durch Acetylsalicylsäure und nicht-steroidale Antirheumatika. Aber auch andere Wirkstoffe und Erkrankungen führen häufig zu Magen-Darm-Nebenwirkungen. Hier kommt der Apotheke eine wichtige Rolle bei der Aufklärung zu.

Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 5 bis 10% derer, die Acetylsalicylsäure (ASS) und nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) einnehmen, ein Magen- bzw. Zwölffingerdarm-Geschwür entwickeln. Die Zahl der durch ASS und NSAR bedingten Todesfälle in Deutschland wird auf 1250 bis 10.000 pro Jahr geschätzt und liegt damit etwa in Höhe der Verkehrstoten.

Da die Acetylsalicylsäure ebenso wie nicht-steroidale Antirheumatika in der Selbstmedikation eine große Rolle spielen, kommt der Apotheke eine wichtige Rolle bei der Aufklärung über diese Problematik zu. Denn viele Patienten wissen häufig zu wenig über die Nebenwirkungen dieser frei verkäuflichen Medikamente und unterschätzen daher deren Risiko. Werden diese Wirkstoffe ärztlicherseits verordnet, muss das Herz-Kreislauf-Risiko sorgfältig gegen die Gefahr einer schwerwiegenden Komplikation am Magen-Darm-Trakt abgewogen werden. In vielen Fällen besteht die Möglichkeit, durch die gleichzeitige Gabe eines Protonenpumpenhemmers das Risiko von Schäden an Magen und Darm zu minimieren.

Antibiotika nicht im Liegen einnehmen!

Aber auch Wirkstoffe gegen schwerwiegendere Krankheiten wie Infektionen oder Tumorerkrankungen führen häufig zu Magen-Darm-Nebenwirkungen. Hier steht der Arzt vor der Herausforderung, bei der Auswahl des jeweiligen Medikaments und seiner Dosierung auf den größtmöglichen Nutzen: Schaden-Quotienten zu achten.

Bei den Antibiotika beispielsweise sind direkte Schädigungen der Schleimhaut, Störungen der Motilität und Veränderungen der Darmflora die bedeutsamsten Nebenwirkungen am Magen-Darm-Trakt. Antibiotika wie Clindamycin und Tetracycline können nach oraler Verabreichung zu einer Schleimhautschädigung der Speiseröhre führen. Diese erfolgt über eine lokale chemisch vermittelte Irritation des Epithels mit nachfolgender Entzündungsreaktion. Das Ausmaß der Schädigung hängt dabei nicht nur von der Substanz, sondern auch von der Galenik und vor allem von der Kontaktzeit in der Speiseröhre ab. Aus diesem Grund besteht die sinnvollste Prophylaxe-Maßnahme darin, die Antibiotika stets in aufrechter Haltung mit reichlich Flüssigkeit einzunehmen.

Einfluss auf die Motilität

Bei der Gruppe der Makrolid-Antibiotika treten als unerwünsche Effekte prokinetische Wirkungen wie zum Beispiel Krämpfe im proximalen Gastrointestinaltrakt auf. Diese erklären sich aus der Eigenschaft dieser Substanzen, am Rezeptor des prokinetischen Peptidhormons Motilin agonistisch zu wirken. Motilin ist die stärkste bisher bekannte motilitätsfördernde Substanz und 50-mal stärker wirksam als Acetylcholin. Die prokinetische Wirkung der Makrolide wurde erstmals 1990 bei Erythromycin identifiziert und tritt bereits bei subantibiotischen Dosen (50 mg Erythromycin) auf. Bei den neueren Makroliden wie beispielsweise Clarithromycin und Roxithromycin ist die agonistische Wirkung am Motilin-Rezeptor dagegen bedeutend schwächer ausgeprägt.

Clostridium-Durchfälle nehmen zu

Weiterhin sind Antibiotika für mindestens ein Viertel aller medikamentös induzierten Durchfallerkrankungen verantwortlich. Ursache hierfür ist vor allem eine Störung der physiologischen Darmflora, was unterschiedliche Folgen haben kann. In den letzten Jahren haben Häufigkeit und Schwere der durch den pathogenen Anaerobier Clostridium difficile verursachten Infektionen deutlich zugenommen. Clostridium difficile kann starke Durchfälle auslösen, in schweren Fällen kommt es zur pseudomembranösen Colitis, einer der gefürchtetsten Nebenwirkung von Antibiotika.

Antibiotika können Reizdarm-Syndrom auslösen

Nicht selten bleiben Antibiotika-induzierte Störungen der Darmflora auch längere Zeit nach Beendigung der Therapie bestehen. So haben mit Antibiotika behandelte Patienten beispielsweise ein fünffach gesteigertes Risiko, in den folgenden Monaten nach der Therapie ein Reizdarmsyndrom zu entwickeln. Dieser Zusammenhang wird durch mehrere Studien untermauert, die Mechanismen sind aber bisher nur unvollständig aufgeklärt.

Einfluss ist möglich

Die gute Nachricht: Einige unerwünschte Arzneimittelwirkungen am Magen-Darm-Trakt lassen sich abmildern, zum Beispiel durch Veränderungen der Applikationsart. Ein Beispiel dafür ist das Zytostatikum 5-Fluorouracil (5-FU), das zur Behandlung von fortgeschrittenen Tumoren im Verdauungstrakt (z. B. kolorektales Karzinom, Magenkarzinom, Pankreaskarzinom) eingesetzt wird. Nach Gabe von 5-FU (und seinen Kombinationspartnern wie Folinsäue und Oxaliplatin) werden im Magen-Darm-Trakt vor allem Nebenwirkungen wie Durchfall, Mundschleimhautentzündungen (Stomatitis), Übelkeit und Erbrechen, darüber hinaus eine Verminderung der Zahl der weißen Blutkörperchen (Leukozytopenie) beobachtet. Die Applikation von 5-Fluorouracil kann auf zwei verschiedenen Wegen vorgenommen werden: als Bolusgabe oder als Infusion über 24 bis 48 Stunden. In Studien wurden nach infusionaler Gabe von 5-FU signifikant seltener Durchfälle und Leukozytopenien als nach Bolusgabe beobachtet. Bezüglich der klinischen Wirksamkeit fand man in diesen Studien keine Unterscheide zwischen beiden Applikationsarten.

Quelle

Prof. Dr. Wolfgang Fischbach, Aschaffenburg; Prof. Dr. Gerald Holtmann, Essen; Prof. Dr. Peter Layer, Hamburg; Prof. Dr. Rainer Porschen, Bremen; Prof. Dr. Jürgen F. Riemann, Ludwigshafen; Dr. Martin Strauch, München: "Medikamente – nicht immer Freunde von Magen, Darm & Co.!", Berlin, 28. September 2007, veranstaltet von der Gastro-Liga, Gießen,

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn
Beratung in der Selbstmedikation Viele Patienten wissen zu wenig über die Nebenwirkungen von frei verkäuflichen Arzneimitteln und unterschätzen daher deren Risiko.
Foto: Noweda eG, Essen

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