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Management
Großhandel, Überweiser-geschäft oder Direkteinkauf?
Die von einer Offizinapotheke1 abgesetzten Produkte werden heute in der Regel nicht mehr selbst hergestellt, sondern als Fertigarzneimittel eingekauft. Damit stellt sich für eine öffentliche Apotheke2 – wie für jeden anderen Handelsbetrieb auch – die strategische Frage, wie der Wareneinkauf (in diesem Fall der Arzneimitteleinkauf) zu organisieren ist.
Einer im deutschen Markt tätigen Offizinapotheke bieten sich drei unterschiedliche Möglichkeiten, Arzneimittel zu erwerben: der Direkteinkauf, das Überweisergeschäft und der Großhandelseinkauf. Im Rahmen des Direkteinkaufs tritt die Apotheke direkt mit dem pharmazeutischen Hersteller in Kontakt, bestellt bei diesem die Ware und wird (unter Einsatz eines vom Hersteller bestimmten Logistikers) beliefert. Auch die Fakturierung erfolgt in aller Regel durch den Hersteller selbst. Im Rahmen des Überweisereinkaufs beauftragt der Hersteller einen pharmazeutischen Großhändler, die mit der Apotheke vereinbarte Warenlieferung vorzunehmen. Auch die Fakturierung der Lieferung übernimmt der Großhändler.
Die dritte Form des Arzneimitteleinkaufs stellt der Großhandelseinkauf dar. Angesichts ca. 120.000 im deutschen Markt verfügbarer Arzneimittel, die bei bis zu 1400 pharmazeutischen Herstellern bzw. Betrieben mit Zulassungsinhaberschaft3 erworben werden können, nimmt der pharmazeutische Großhandel die ökonomische Funktion der Bündelung der Warenströme und der Sicherung der kurzfristigen Lieferbereitschaft der Apotheken durch eigene Warenlagerung wahr. Erwerben Apotheken Arzneimittel ohne unmittelbaren Kontakt zu deren Herstellern beim pharmazeutischen Großhandel, spricht man vom Großhandelseinkauf.
Mit dem am 1. Mai 2006 in Kraft getretenen Arzneimittelversorgungs- und -wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG)4 verfolgt der Gesetzgeber unter anderem das Ziel, durch eine Neuregelung der gewährten Rabatte im Arzneimittelsektor Kostensenkungspotenziale zu generieren. Den Vorschriften des AVWG folgend sind zwar sämtliche Einkaufsoptionen nach wie vor grundsätzlich zulässig, allerdings kommt es durch die regulierenden Eingriffe des Gesetzgebers hinsichtlich der Preisverhandlungen zwischen Apotheken und Herstellern zu gravierenden strukturellen (Preis-)Veränderungen.
Grundsätzlich erfordert eine betriebswirtschaftlich orientierte Führung der Apotheke, die Einkaufsstrategie strukturell zu kontrollieren und jede der drei Einkaufsarten hinsichtlich der erzielbaren Rabatte und der relevanten Prozesskosten zu bewerten.
Das betriebswirtschaftliche Kalkül, welches dieser Bewertung zugrunde liegt, ist offensichtlich: Relevant sind zum einen der Preis der Arzneimittel bzw. die gewährten Rabatte (Wirkung auf den Rohertrag) sowie zum anderen die Kosten in der Apotheke, die die Bearbeitung der Einkäufe bis hin zu ihrer Einlagerung verursacht (Wirkung auf das Betriebsergebnis). Die Preise und Rabatte sind für jede Apotheke transparent, jedoch sind die mit einer Einkaufsstrategie verbundenen Kosten (Prozesskosten) bisher nicht systematisch analysiert worden. Dies war der Hintergrund eines Projektes, welches das Institut für Pharmakoökonomie und Arzneimittellogistik (IPAM) an der Hochschule Wismar gemeinsam mit ausgewählten Apotheken von Oktober 2005 bis März 2006 durchgeführt hat. Gegenstand der Analyse war die Frage, welche Prozesskosten5 (Personal- und Sachkosten) die drei unterschiedlichen Einkaufsalternativen in einer durchschnittlichen Apotheke verursachen.
Im Rahmen des Projektes wurden fünf unterschiedliche Apotheken analysiert, von denen eine im Direktgeschäft als Einkaufszusammenschluss von zwei Apotheken tätig wird und somit bei einer auf Einkaufsprozesse abzielenden Analyse auch als prozessuale Einheit zu betrachten ist. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die wesentlichen Kennzahlen der analysierten Apotheken.
Für die Prozesskostenanalyse wurden Apotheken ausgewählt, die bezüglich ihrer Größe und historischen Einkaufsstruktur unterschiedliche, für den Gesamtmarkt aber durchaus typische Apothekensegmente repräsentieren. Damit gelang es, für den Untersuchungsgegenstand eine betriebswirtschaftliche Datenbasis zu generieren, die vor dem Hintergrund der Analyseziele wegen der geringen Stichprobengröße zwar im statistischen Sinne nicht als repräsentativ, zugleich jedoch als betriebswirtschaftlich sehr aussagekräftig anzusehen ist.
Prozesskostenanalyse von Einkaufsprozessen: Methodisches Vorgehen
Zur Vorbereitung der Erhebung und Analyse der Einkaufsprozesskosten in den Apotheken wurde gemeinsam mit den Prozessverantwortlichen vor Ort der Einkaufsprozess in den Apotheken in die relevanten Teilprozesse (Tätigkeiten) gegliedert, um in einem zweiten Schritt die Prozesskosten pro Teilprozess zu ermitteln. Tabelle 2 systematisiert die Teilprozesse sowie deren Relevanz beim Direkteinkauf, Überweisereinkauf bzw. Großhandelseinkauf. Neben den mit Personaleinsatz ablaufenden Tätigkeiten wurden drei dem Wareneinkauf direkt zuzurechnende Kostenkategorien (keine eigentlichen Teilprozesse im Sinne einer Aktivität) berücksichtigt. Hierzu gehören die Fracht- und Belieferungskosten (M), die Kapitalbindungskosten (N) und der Warenverfall (O). Diese Kosten sind grundsätzlich in ihrer Höhe von der jeweiligen Einkaufsart abhängig und somit auch für die auf Basis der Prozesskostenrechnung abzuleitende Vorteilhaftigkeitsanalyse relevant.
Konstitutiver Bestandteil des Direkt- und Überweisergeschäfts sind Gespräche und Verhandlungen mit den Herstellern (A/B). Die laufenden Gespräche (A) – oft ohne vorherige Anmeldung der Herstellervertreter – werden in der Apothekenpraxis von den Mitarbeitern in der Apotheke (in der Regel durch pharmazeutisch-kaufmännische Assistentinnen – PKA) durchgeführt. Die durchschnittliche Apotheke führte dabei pro Jahr ca. 120 Gespräche.
Die grundsätzlichen Verhandlungen mit den Herstellern (B) – dann oft nach Anmeldung in der Apotheke – finden mit einer Häufigkeit von durchschnittlich 23 Gesprächen im Jahr weitaus seltener statt. Diese Verhandlungen haben meist den Charakter eines Jahresgesprächs, so dass sie ganz überwiegend auch von den Apothekern (Inhabern) durchgeführt werden. Die Charakterisierung als Jahresgespräch wird auch bestätigt durch die durchschnittliche Zahl der Direktlieferanten in den Apotheken, die bei ca. 20 Arzneimittelherstellern lag. Im Rahmen des Großhandelsgeschäfts (C) finden hingegen keine laufenden Vertreterkontakte statt. Die Preis- und Bezugsverhandlungen mit dem Großhandel werden maximal einmal im Quartal durch die Apotheker durchgeführt, wobei sie dann sämtliche bezogene Arzneimittel betreffen.
Nicht wenige Apotheken koordinieren ihr Direkt- und Überweisergeschäft aufgrund der von den Herstellern geforderten Mindestabnahmemengen bzw. geleisteten mengenabhängigen Rabatte mit anderen Apotheken. In diesem Fall ist es notwendig, die Bestellmengen zwischen den beteiligten Apotheken abzustimmen (D). In den beobachteten Apotheken wurde diese Abstimmung durchschnittlich jeweils 50-mal pro Jahr für das Direkt- und Überweisergeschäft durch die Apotheker durchgeführt.
Sowohl im Direkt- und Überweiser- als auch im Großhandelsgeschäft ist es möglich, temporär offerierte Angebote im Einkauf zu nutzen. Die in der Apotheke in der Regel durch die PKA durchgeführte Angebotssuche (E) findet im Direkt- und Überweisergeschäft in Summe 50-mal pro Jahr statt, im Großhandelsgeschäft wird in den Apotheken in der Regel mehr als einmal am Werktag (ca. 300-mal im Jahr) nach Angeboten recherchiert.
Basis jeder Direkt-, Überweiser- oder Großhandelsbestellung ist das Feststellen des Bestellbedarfs (F). Dieser Teilprozess findet je nach Einkaufsart in der durchschnittlichen Apotheke unterschiedlich häufig statt: Im Direktgeschäft wird ca. 75-mal im Jahr der Bestellbedarf geprüft, im Überweisergeschäft sind es aufgrund des deutlich geringeren Volumens ca. 30 Prüfungen. Im Großhandelsgeschäft ist es in Offizinapotheken in aller Regel üblich, mehr als einmal pro Werktag den Bestellbedarf zu prüfen. Dieser durch im Warenwirtschaftssystem vordefinierte Dispositionsmengen unterstützte, dennoch aber auch manuelle Tätigkeiten beinhaltende Teilprozess findet in den analysierten Apotheken durchschnittlich 440-mal im Jahr statt. Allerdings ist nicht für jede Großhandelsbestellung eine manuelle Tätigkeit des Apothekenpersonals notwendig. Einige der Großhandelsbestellungen erfolgen ausschließlich aufgrund der Nachfrage eines Kunden nach einem speziellen, nicht vorrätigen Arzneimittel. Diesen Bestellungen geht keine Analyse des Bestellbedarfs voraus.
Teilprozess G betrifft das Auslösen der Bestellungen. In aller Regel findet dies im Großhandelgeschäft auf elektronischem Weg statt, indem der Großhändler die aus dem Warenwirtschaftssystem der Apotheken generierten Bestellungen zu vordefinierten Zeitpunkten per Datenfernübertragung abruft. Allerdings ist es in nicht wenigen Apotheken üblich, ein- oder mehrmals täglich zusätzlich den telefonischen Kontakt mit dem Großhändler aufzunehmen, um Kleinstmengen nachzubestellen oder aber offene Fragen zu klären. Im Überweiser- und Direktgeschäft wird in der Regel auf klassische Bestellsysteme (insbesondere Telefon und Fax bzw. Vor-Ort-Bestellung beim Vertreter) zurückgegriffen. Die durchschnittliche analysierte Apotheke löste pro Jahr ca. 160 Direktbestellungen (davon 20 % elektronisch), ca. 100 Überweisergeschäftsbestellungen (davon 20 % elektronisch) sowie ca. 1750 Großhandelsbestellungen (davon 50 % elektronisch) aus. Eine elektronische Bestellung, der eine telefonische Nachbestellung wenige Minuten später folgt, bündelt der Großhandel zu einer Lieferung.
Einen sehr personalintensiven Teilprozess stellt in jeder Apotheke der Empfang und die Einlagerung der Lieferungen (H) dar. Er schließt die Erstprüfung der Lieferungen, das Buchen des Wareneingangs (in der Regel mit einem Scannersystem) sowie das Wegräumen der Ware und deren Einlagerung in die Apothekenlager ein. In der Durchschnittsapotheke werden pro Jahr ca. 160 Direktlieferungen und ca. 100 Überweiserlieferungen empfangen und bearbeitet. Im Großhandelsgeschäft sind dies je nach Apotheke zwischen drei und acht Großhandelslieferungen pro Tag. Dies entspricht in der Durchschnittsapotheke ca. 47.100 gelieferten Zeilen bzw. Positionen pro Jahr.
Bestellen Apotheken im Direkt- und Überweisergeschäft als Einkaufsverbund, ist nach der Anlieferung der Waren auch der Transport in die beteiligten Apotheken zu organisieren. Dieser Teilprozess (I), der ausschließlich im Direkt- und Überweisergeschäft vonstatten geht, findet in der Durchschnittsapotheke ca. 70-mal im Jahr statt.
Unabhängig davon wie die Waren bestellt und angeliefert werden, ist es notwendig, die von den Lieferanten gestellten Rechnungen zu prüfen (J). Großhandelsrechnungen werden in der Regel als zweiwöchige bzw. monatliche Sammelrechnungen gestellt, währenddessen im Direktgeschäft jede Lieferung separat durch den Hersteller in Rechnung gestellt wird. Fakturiert der Großhandel auch die Überweisereinkäufe, werden diese separat auf den regulären Großhandelsrechnungen ausgewiesen.
Überweiser- und noch stärker Direktlieferungen der Hersteller unterliegen einer Mindestmengenlogik: Hersteller bieten attraktive Rabatte nur bei Bestellung von größeren Mengen oder aber im Rahmen von Aktionen ("Winterbevorratung"). Nicht unbedeutend ist in diesem Kontext, dass insbesondere im nicht-verschreibungspflichtigen OTC-Bereich auch das Erzeugen eines "Lagerdrucks" von Seiten der pharmazeutischen Hersteller nach wie vor als Instrument zur Verkaufsförderung gesehen wird. Die "regulären" Lagerkapazitäten (Apothekenschränke) reichen für Direkt- und Überweiserlieferungen häufig nicht, zusätzlich müssen weitere Lagerräume bereitgestellt werden. Dies führt zu einem nochmaligen internen Umlagern der Waren (K), sobald reguläre Lagerplätze über eine hinreichende Kapazität verfügen. Die betrachtete Durchschnittsapotheke vollzog diesen Prozess ca. 220-mal im Jahr, also praktisch einmal je Werktag.
Im Apothekenbereich gelten in aller Regel in allen drei analysierten Geschäftsarten großzügige Retourenregelungen. Retourenprozesse (L) sind allerdings in aller Regel arbeitsaufwendig und bedürfen – zumindest soweit das Direktgeschäft betroffen ist – nicht selten auch der Abstimmung mit dem Hersteller. Die durchschnittliche Apotheke beschäftigt sich ca. 60-mal im Jahr mit Retouren im Rahmen des Direktgeschäfts, im Großhandelsgeschäft werden ca. 170 Retouren pro Jahr bearbeitet.
Um die mit den beschriebenen Teilprozessen verbundenen Prozesskosten in den beteiligten Apotheken zuverlässig zu ermitteln, wurde eine umfangreiche Vor-Ort-Erhebung in sämtlichen beteiligten Apotheken durchgeführt. Dabei wurden Methoden der Befragung, der Erhebung von Daten aus den Apothekensystemen und – wo immer möglich – auch der Vor-Ort-Beobachtung von Prozessen eingesetzt. Dabei ist offensichtlich, dass die Befragung die methodisch schwächste Form der Datenerhebung darstellt. Insofern wurde sie lediglich bei Teilprozessen eingesetzt, die in einem sehr unregelmäßigen Rhythmus stattfinden und zudem nur unter Inkaufnahme sehr langer und praktisch kaum realisierbarer Zeiträume vor Ort zu beobachten wären. Abbildung 1 gibt eine Übersicht zur Methodik der Datenerhebung und der Relevanz der eingesetzten Datenerhebungstechniken in den Apotheken.
Die mit den dargestellten Methoden ermittelten Informationen zu Prozesshäufigkeiten, Prozessdauern und assoziierten Personal- und sonstigen Kosten wurden zu Teilprozesskosten verdichtet. Schließlich wurden die ermittelten Kosten mit den Arzneimitteleinkäufen in den Apotheken im Jahr 2005 (standardisiert zu AEP) in Beziehung gesetzt, um die Prozesskosten als anteiligen Betrag pro 1 Euro Einkaufsvolumen ableiten zu können.
Ergebnisse der Prozesskostenanalyse
Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse der Prozesskostenanalyse für das Direktgeschäft: Der durchschnittlichen Offizinapotheke entstehen Prozesskosten zur Abwicklung des Direktgeschäfts in Höhe von 0,072 Euro pro 1 Euro Einkaufsvolumen, entsprechend 7,2%. Abbildung 2 zeigt, welche Teilprozesse zu diesen Gesamtkosten beitragen. Dominierend sind hierbei die Entgegennahme und Einlagerung der Lieferungen (Prozess H), die aufgrund von Übervorräten notwendige Umlagerung von Arzneimitteln (Prozess K) sowie die aufgrund der hohen Lagermengen nicht unbedeutende Kapitalbindung (N)6 • In Abbildung 2 sind neben den Prozesskosten pro 1 Euro Einkauf auch die jeweiligen Häufigkeiten der Prozessschritte sowie die ermittelte Dauer pro Prozessschritt dargestellt. Multipliziert man diese beiden Positionen mit den Personalkostensätzen der Prozessverantwortlichen und teilt diese dann durch das Gesamtdirekteinkaufsvolumen, ergeben sich die in der Abbildung dargestellten Prozesskosten7 •
Abbildung 3 zeigt die Ergebnisse der Prozesskostenanalyse für das Überweisergeschäft. Dieses verursacht aufgrund deutlich stärker standardisierter Prozesse lediglich 0,044 Euro Prozesskosten pro 1 Euro Einkaufsvolumen. Auch hier dominieren – auf niedrigerem Niveau – die Prozesse H (Empfang und Einlagerung der Lieferungen), K (Umlagerung von Arzneimitteln) sowie die Kapitalbindung (N).
Abbildung 4 stellt schließlich die erhobenen Prozesskosten für den Großhandelseinkauf dar. Dieser ist aus Prozesskostensicht die effiziente Form des Einkaufs in den analysierten Apotheken, da er lediglich 0,02 Euro Prozesskosten pro 1 Euro Einkaufsvolumen verursacht. Wiederum dominieren auch hier der Empfang und die Einlagerung der Lieferungen (H). Allerdings sind sämtliche sonstige Teilprozesse stark standardisiert (Sammelrechnungen, 4 Gespräche pro Jahr), damit haben die mit ihnen verbundenen Prozesskosten nur eine geringe quantitative Bedeutung. Auch die Kapitalbindung ist wegen der mehrmaligen Tageslieferungen des Großhandels von untergeordneter Bedeutung.
Aus Prozesskostensicht ist der Großhandelseinkauf, gefolgt vom Überweisereinkauf, die kostenminimale Organisationsform des Arzneimitteleinkaufs in Apotheken. Um dieses Resultat auf seine Validität und Stabilität zu prüfen, wurde eine Szenarioanalyse in zwei unterschiedlichen Formen durchgeführt:
• Apotheken-Szenarien: Geprüft wurde, inwieweit die Resultate nicht nur für die Durchschnittsapotheke, sondern auch für jede einzelne Apotheke gelten.
• Kostentreiber-Szenarien: Geprüft wurde, inwieweit die Resultate Bestand haben, wenn zentrale Kostentreiber variiert werden.
Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse der Apotheken-Szenarien. Die Prozesskosten des Direkteinkaufs schwanken zwischen 0,041 Euro und 0,104 Euro pro 1 Euro Einkaufsvolumen. Ursache hierfür sind unterschiedliche Personalkosten in den Apotheken, unterschiedliche Organisationsformen des Direkteinkaufs und nicht zuletzt unterschiedlich effizient organisierte Abläufe. Der Überweisereinkauf mit seinen weitgehend standardisierten Prozessen kann in einer apothekenintern gut organisierten Form mit Prozesskosten von 0,024 Euro nahezu die Effizienz des Groshandelseinkaufs erreichen. Allerdings bleibt der Großhandelseinkauf – mit einer im Apothekenvergleich sehr hoch einzuschätzenden Stabilität der ermittelten Prozesskosten – die effizienteste Form des Arzneimitteleinkaufs. In jeder der analysierten Apotheken lagen die Prozesskosten des Großhandelseinkaufs unter denen des Überweisereinkaufs; der Direkteinkauf verursachte stets die höchsten Prozesskosten.
Abbildung 5 zeigt die zweite Form der Szenarioanalyse (Kostentreiber-Szenarien): In einer vorgenommenen Variation der Personalkosten und der zwei weiteren wichtigsten Kostentreiber (Häufigkeit Lieferungen sowie Zeitbedarf Empfang/Einlagerung der Lieferungen) wurde ermittelt, inwiefern diese Variationen das Gesamtergebnis – die Prozesskosten der Einkaufsarten – beeinflussen. Die Personalkosten der pharmazeutisch-kaufmännischen Angestellten (PKA) stellen den wichtigsten Faktor dar: Sinken die Personalkosten einer PKA um 10 %, fallen die Prozesskosten des Direkteinkaufs auf 0,066 Euro und somit auf 91,6 % des ursprünglichen Niveaus. Einen geringeren, dennoch aber relevanten Effekt üben die Variation der Prozessdauer für Teilprozess H (Empfang / Einlagerung Lieferungen) sowie die Häufigkeit der Lieferungen aus, während die kalkulatorischen Personalkosten der Apothekerinnen und Apotheker keinen entscheidenden Einfluss haben; deren Involvierung in die Prozessabläufe ist für einen bedeutenden Einfluss zu gering.
Implikationen und Handlungsempfehlungen
Mit den Ergebnissen der Analyse ist es Apotheken unmittelbar möglich, eine kaufmännisch sinnvolle Entscheidung zu ihrem Einkaufsverhalten zu treffen: Entsprechen die Prozesse denen der in dieser Analyse ermittelten "Durchschnittsapotheke", ist ein Direkteinkauf von Arzneimitteln nur sinnvoll, wenn dieser einen Rabattvorteil von fünf Prozentpunkten gegenüber dem Großhandelseinkauf generiert (Abbildung 6). Der Mindestrabattvorteil des Überweisereinkaufs gegenüber dem Großhandelseinkauf beträgt zwei Prozentpunkte.
Eine Umstellung der apothekenindividuellen Einkaufsstrategie vom Direkt- und Überweisereinkauf hin zum Großhandelseinkauf führt allerdings nicht automatisch zu Kosteneinsparungen, da es sich bei den relevanten Prozesskosten im wesentlichen um Fixkosten (mit Ausnahme der Kosten der Kapitalbindung) handelt. Jede Prozessoptimierung generiert – zumindest soweit Personal betroffen ist – Kostensenkungspotenziale, die aber durch Managemententscheidungen des Unternehmers realisiert werden müssen. Alternativ können aber auch frei werdende Personalkapazitäten für wertschöpfende Prozesse eingesetzt werden, diese sind in der Offizinapotheke besonders im Handverkauf und der kompetenten Beratung der Kunden über die angebotenen Arzneimittel und Nicht-Arzneimittel zu finden.
Die Autoren danken der gesine.net.ag und der Gehe Pharma Handel GmbH für die geleistete Unterstützung.Kontakt zu den Autoren:Prof. Dr. Thomas Wilke, Prof. Dr. Kai Neumann, beide Hochschule Wismar, University of Technology, Business and Design, Institut für Pharmakoökonomie und ArzneimittellogistikPF 1210, 23952 Wismar, E-Mail: t.wilke @wi.hs-wismar.de, kai.neumann@ wi.hs-wismar.de, www.ipam-wismar.de
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