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Drogenszene
Warnung vor Loperamid-Missbrauch
(du). Die ABDA warnt in einer inzwischen breit gestreuten Pressemeldung vor dem Missbrauch von Loperamid in der Drogenszene. Dort ist schon seit längerem bekannt, dass das alleine nur peripher wirkende Opioid Loperamid in Kombination mit Substanzen wie Verapamil, Doxepin, Chinidin oder Chinin zentrale Wirkungen entfalten kann.
In der Pressemitteilung wird darauf verwiesen, dass Loperamid zu Rauschzuständen und Abhängigkeit führen kann, wenn es mit verschreibungspflichtigen Herzmedikamenten und Psychopharmaka kombiniert wird. Doch Chinin zur Behandlung von Wadenkrämpfen (Limptar®) ist ohne Verschreibung erhältlich. Auch das ist in der Szene bekannt. Erhöhte Aufmerksamkeit ist daher geboten.
Loperamid ist ein Opioid, dessen periphere Wirkungen an Opiatrezeptoren im Darm dazu genutzt werden, die Darmmuskulatur zu lähmen und so schwere Diarrhöen zu stoppen. Wirkungen an Opioidrezeptoren im Gehirn sind bei bestimmungsgemäßem Gebrauch bei Erwachsenen nicht zu erwarten, da Loperamid aufgrund seiner hohen Fettlöslichkeit die Blut-Hirnschranke nicht in größerem Ausmaß überwinden soll. Kleine Mengen des Opioids, die in das zentrale Nervensystem vordringen, sollen mithilfe des P-Glykoproteins, eines unter anderem in den Endothelzellen der Bluthirnschranke lokalisierten Transportproteins, sofort wieder herausgeschleust werden. Zudem unterliegt es einem hohen First-pass-Effekt, so dass die Bioverfügbarkeit von oral appliziertem Loperamid gering ist. Drogenabhängige versuchen daher durch Rauchen von Loperamid in selbstgedrehten Zigaretten den First-past-Metabolismus zu umgehen.
Bekannte Interaktionen
P-Glykoprotein wird durch verschiedene Substanzen, so beispielsweise durch Verapamil, Doxepin, Ketoconazol, und Ritonavir, aber auch durch Chinin und Chinidin in seiner Aktivität gehemmt. Auf diese Weise können Substanzen, die durch P-Glykoprotein am Eindringen in das ZNS gehindert werden, zusätzlich zentralnervöse Wirkungen entfalten. Entsprechende Interaktionen sind schon seit Langem bekannt. Ein Lehrbuchbeispiel ist die Interaktion zwischen Digoxin und Chinidin. Auch die Interaktionen von P-Glykoprotein-Hemmern mit Loperamid sind nicht neu und werden in entsprechenden Internetforen schon seit einiger Zeit diskutiert. Dabei entpuppen sich die Foren als wahre Fundgruben für wissenschaftlich fundierte Quellen.
Gefährliche Steigbügelhalter
Die Gefahren solcher zum Rausch führenden Kombinationen sind nicht zu unterschätzen. Sie gehen nicht nur von den zentralen Loperamid-Wirkungen aus – hier muss vor allem eine Atemdepression gefürchtet werden – auch die Kick-bahnenden Kombinationspartner können zu gravierenden Nebenwirkungen führen. Bei Verapamil stehen lebensbedrohende Herzrhythmusstörungen im Vordergrund, unter hohen Doxepin-Dosen muss unter anderem mit Sprachstörungen, Herzrhythmusstörungen oder Impotenz gerechnet werden.
Chinin, ursprünglich als Malariamittel verwendet und inzwischen auch zur Behandlung von Wadenkrämpfen rezeptfrei als Limptar® erhältlich, wartet mit einer ganzen Liste gefährlicher Nebenwirkungen bei Überdosierung auf: Sie reichen von Magen-Darm-Störungen mit Übelkeit über Erbrechen und Durchfall, Tinnitus, Schwindel und Hypersensitivitätsreaktionen, Arzneimittelfieber, Bronchospasmen bis hin zu Leberfunktionsstörungen. In sehr seltenen Fällen können Chininallergien auftreten.
Toxisch wird Chinin, wenn es über längere Zeit in einer Dosierung von 8 g pro Tag (= 40 Tabletten Limptar) eingenommen wird. Dann kann sich das Bild des Cinchonismus entwickeln. Der Fachinformation von Limptar® ist zu entnehmen, dass die Symptome ähnlich denen einer Salicylatvergiftung sind. Sie gehen mit Tinnitus, Hör- und Gleichgewichtsstörungen einher. Darüber hinaus muss mit Sehstörungen wie Photophobie, Nachtblindheit, Doppelsehen, eingeschränktes Gesichtsfeld und Mydriasis gerechnet werden. In schweren Fällen ist eine Optikusatrophie beschrieben worden. Im Rahmen der ZNS-Symptomatik treten bei schwerem Vergiftungsgrad Kopfschmerzen, Konfusionen, Fieber, Exzitation und Delirium auf. Die Atmung ist eingeschränkt, so dass eine Zyanose mit Blutdruckabfall und Schwächegefühlen auftritt.
Unterstellung unter Verschreibungspflicht?
Die ABDA verweist in ihrer Pressemitteilung zum Loperamid-Missbrauch vom 19. Januar 2007 auch auf die Überwachungsfunktion des Apothekers und betont, wie wichtig die Apothekenpflicht ist. Apothekern sei der zunehmende Konsum von Loperamid aufgefallen. Zu den Aufgaben des Apothekers gehöre es, auch auf einen möglichen Arzneimittelmissbrauch zu achten und ihm in geeigneter Weise entgegen zu wirken. Im Zweifelsfall würde die Abgabe verweigert und Verdachtsmomente an die zuständigen Stellen im Rahmen des Stufenplans gemeldet.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist informiert und soll zurzeit prüfen, ob eine Unterstellung von Loperamid unter die Verschreibungspflicht geboten ist.
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