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Gesetzentwurf des Bundesrats Länder stimmen für Heroin auf RezeptBERLIN (ks). Nach dem Willen des Bundesrates soll es künftig möglich sein, reines Heroin unter ärztlicher Aufsicht an schwerst Drogenabhängige abzugeben. Einen entsprechenden Gesetzentwurf haben die Länder am 21. September beschlossen. Die Unionsfraktion sperrt sich allerdings nach wie vor gegen das Vorhaben, das vor allem von den unionsgeführten Bundesländern vorangetrieben wurde.

Der Entwurf, der von den Ländern Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Saarland in die Länderkammer eingebracht wurde, stuft Diamorphin (synthetisch hergestelltes Heroin) als verschreibungsfähiges Betäubungsmittel ein. Indikation und Durchführung der Therapiebehandlung unterliegen strengen Voraussetzungen: So dürfen nur über 23-jährige Patienten Heroin erhalten, die seit mindestens fünf Jahren opiatabhängig sind und bei denen schwerwiegende somatische und psychische Störungen bei überwiegend intravenösem Konsum vorliegen. Zudem müssen sie zuvor ernsthaft aber erfolglos Behandlungsversuche mit herkömmlichen Substitutionsmitteln, etwa Methadon, unternommen haben. Das Diamorphin soll – trotz Kritik aus der Apothekerschaft – nicht über Apotheken, sondern auf einem Sondervertriebsweg unmittelbar vom pharmazeutischen Hersteller zur behandelnden Einrichtung ausgeliefert werden (siehe hierzu auch DAZ 2007, Nr. 38, S. 24).

Ablehnung in der Unionsfraktion

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nahm das Abstimmungsergebnis des Bundesrates "in fachlicher Hinsicht besorgt zur Kenntnis" und warnte vor voreiligen Entscheidungen. Weder seien die Vorteile einer diamorphingestützten Behandlung gegenüber der Methadonsubstitution sehr ausgeprägt, noch die im Gesetzentwurf vorgesehenen Kriterien für den Einschluss von Patienten in die Diamorphin-Therapie ausreichend eindeutig und eng genug beschrieben. "Damit besteht die erhebliche Gefahr einer unsachgemäßen und unabsehbaren Ausweitung der Behandlung mit Heroin", fürchten die Fachpolitiker der Unionsfraktion. Dies würde nicht zuletzt für die gesetzlichen Krankenkassen teuer werden.

Drogenbeauftragte hofft dennoch auf Zustimmung

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD) appellierte dennoch an den Koalitionspartner, sich dem Votum des Bundesrats anzuschließen und die Abstimmung über das Gesetz im Bundestag freizugeben. "Eine gesetzlich geregelte heroingestützte Behandlung trägt dazu bei, dass künftig noch mehr Leben gerettet werden können", so Bätzing. Einen Ansturm von Heroinabhängigen auf die Diamorphinbehandlung sieht sie nicht kommen. Das Ergebnis einer Studie zur Versorgungslage der schwerkranken Heroinabhängigen habe ergeben, dass bundesweit etwa 3500 Behandlungsplätze realistisch seien. Auch die Mehrkosten im Vergleich zur derzeitigen Substitutionsbehandlung mit Methadon werden sich nach Bätzings Einschätzung mit etwa 22,2 Mio. Euro im Rahmen halten. "Das entspricht etwa 0,15 Promille der jährlichen Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung", betonte die Drogenbeauftragte.

Zustimmung bei Grünen und FDP

Zustimmung für den Gesetzentwurf können die Länder und die SPD-Bundestagsfraktion von den Grünen und der FDP erwarten: Die Entscheidung des Bundesrates für eine gesetzliche Regelung der Heroinbehandlung sei ein "gutes Signal für schwer opiatabhängige Patienten", erklärte der drogenpolitische Sprecher der Grünen, Harald Terpe. Er forderte die Unionsfraktion auf, "ihre allein ideologisch motivierte Ablehnung der heroingestützten Behandlung aufzugeben". Sein Kollege von der FDP-Fraktion, Detlef Parr, äußerte sich ähnlich. Auch appellierte er an die Union, die Abstimmung freizugeben: "Fraktionszwang gegen Hilfsmöglichkeiten drogenabhängiger Menschen ist ethisch nicht zu vertreten".

Bundestag muss abschließend entscheiden

Der Gesetzentwurf wird nun zunächst der Bundesregierung zugeleitet. Diese muss sich innerhalb von sechs Wochen dazu äußern und dann beide Dokumente dem Deutschen Bundestag zur Entscheidung vorlegen. Hintergrund der Bundesratsinitiative sind Modellprojekte zur diamorphingestützten Therapie in den Städten Frankfurt am Main, Bonn, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Köln und München. Diese wurden insgesamt als erfolgreich eingestuft – lediglich in der Bundestagsfraktion der Union regte sich von Anfang an Widerstand gegen die Ergebnisse der sogenannten Heroinstudie.

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