Praxis aktuell

Der kardiale Zwischenfall – Gefahren des Freizeitsports

Gesund und fit zu sein, ist heute nicht nur der Wunsch der Jugend, sondern auch der meisten über 35-Jährigen und vieler älterer Menschen. Das Angebot an Fitnessmethoden und Sportaktivitäten ist unüberschaubar. Viele tun etwas für sich, überschätzen sich dabei aber auch, und üben körperliche Aktivitäten aus, für die sie entweder zu alt oder zu wenig trainiert sind. Die DAZ sprach mit dem neuen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention, Prof. Dr. med. Herbert Löllgen.

DAZ: Kardiale Zwischenfälle bei Profisportlern erregen immer das Interesse der Medien, weil sie selten und unerwartet sind. Über derartige Zwischenfälle bei Freizeitsportlern ist kaum etwas zu hören. Löllgen: Bei prominenten Sportlern ist meist ein Fotograf oder Kameramann dabei, ein solches Ereignis gibt Schlagzeilen. Bei Freizeitsportlern kommt es auch zu solchen Ereignissen, jedoch werden diese nicht so bekannt, weil sie niemanden interessieren und oft auch nicht im Zusammenhang mit der körperlichen Aktivität gesehen werden. DAZ: Welche kardialen Gefahren kommen hauptsächlich vor und unter welchen Bedingungen treten sie auf? Löllgen: Bei Menschen unter 35 Jahren stehen angeborene Herzfehler oder Herzmuskelerkrankungen im Vordergrund, bei den älteren, also Menschen über 35 Jahren, Erkrankungen der Herzkranzgefäße. Zwischenfälle treten meist zu Beginn eines Trainings auf, vor allem dann, wenn jemand lange nicht mehr Sport getrieben hat und glaubt, besonders intensiv anfangen zu müssen. Daher gilt die Empfehlung, vor Aufnahme oder Wiederbeginn eines Trainings eine sportärztliche Vorsorgeuntersuchung durchführen zu lassen. DAZ: Gibt es geschlechtsbedingte Unterschiede? Löllgen: Bei Frauen sind solche Zwischenfälle eher seltener, nicht zuletzt, weil Frauen etwas weniger Sport treiben und meist vorsichtiger beginnen. Zudem sind sie bis zu den Wechseljahren stärker geschützt. DAZ: Treten solche kardialen Zwischenfälle sofort oder auch erst nach Stunden auf? Löllgen: Die Zwischenfälle treten in der Regel in der ersten Stunde nach Beginn eines intensiven Trainings auf. DAZ: Welche sportlichen Tätigkeiten oder Fitnessmethoden sind für Menschen geeignet, die noch voll im beruflichen Stress stehen? Löllgen: Hier steht das dosierte Ausdauertraining im Vordergrund. Man sollte aber auf jeden Fall mit einem ansteigenden Trainingsprogramm beginnen, eventuell auch unter Anleitung eines Trainers, sei es im Sportverein oder Fitness-Studio. Umfang und Intensität sollten langsam und allmählich gesteigert werden. DAZ: Viele haben das Bedürfnis, sich nach einem anstrengenden Arbeitstag körperlich auszutoben ? Wie sinnvoll oder gefährlich ist das? Löllgen: Dieses Sich-Austoben ist eher gefährlich. Besser ist es, sich mit einer niedrig intensiven Belastung abzureagieren, also langsames Joggen, Walken oder Nordic-Walking. Erst nach sinnvollem Aufbautraining können Umfang und Dauer gesteigert werden. In jedem Fall sollte am Anfang jeden Trainings ein langsames Aufwärmen erfolgen. DAZ: Gibt es ärztlicherseits so eine Grenze wie 50 plus? Löllgen: Training ist in jedem Alter möglich und sinnvoll. Der ältere Mensch sollte aber nach Möglichkeit unter fachlicher Anleitung sein Training beginnen, und beachten, dass man im Alter mehr Zeit braucht, um die Leistungsfähigkeit zu verbessern. DAZ: Macht es einen Unterschied, ob man immer schon körperlich aktiv war, oder erst später damit anfängt? Löllgen: Nein, allenfalls den, dass ein früherer Sportler motorisch besser geschult ist. Aber auch wer früher Sport getrieben hat, braucht nach Wiedereinstieg in den Sport ein sinnvoll dosiertes Aufbautraining. DAZ: Welche körperlichen Befunde sind Kontraindikationen für sportliche Betätigung? Löllgen: Vor allem alle akuten Erkrankungen, alle Zustände mit Fieber oder mit einer schweren Erkältung. Bei bestehenden Erkrankungen, vor allem des Herzens oder Kreislaufs, ist Sport durchaus möglich, aber erst nach Beratung durch einen qualifizierten Sportarzt. Gute Trainingsmöglichkeiten bieten die Vereine mit dem Sport pro Gesundheit -Programm, das vom Deutschen Sportbund in Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer auf den Weg gebracht wurde. Hier erhalten auch Menschen mit chronischen Krankheiten relevante Informationen. DAZ: Haben Raucher mit einem (noch) normalen körperlichen Befund ein höheres Risiko? Löllgen: Ja. Bei ihnen ist das Risiko im Sport deutlich höher, da meist unerkannte Gefäßveränderungen vorliegen. Raucher sollten immer eine Vorsorgeuntersuchung machen lassen und natürlich das Rauchen möglichst einstellen. DAZ: Ist es für Ältere notwendig oder sinnvoll, eine sportliche Betätigung nicht allein sondern im Beisein anderer auszuüben? Löllgen: Sport in der Gruppe hat große Vorteile, vor allem aus sozialen Gründen. Gemeinsam Sporttreiben ist meist schöner als allein, der Spaß in der Gruppe ist im Allgemeinen größer. Auch fühlt sich der Einzelne irgendwie verpflichtet, zum Sport in der Gruppe auch zu erscheinen, und die Gefahr, sich zu überfordern, ist eher geringer. DAZ: Was kann jeder ohne großen zeitlichen oder finanziellen Aufwand selbst für sich tun? Löllgen: Wichtig ist vor allem eine Umstellung des Lebensstils, also, sich im täglichen Leben mehr zu bewegen: Treppen steigen, zu Fuß zum Briefkasten gehen und nicht mit dem Lift fahren, zu Fuß einkaufen, auch mit dem Fahrrad fahren, Gartenarbeit verrichten und anderes mehr. Jede körperliche Belastung im Alltag sollte als kleine Trainingseinheit aufgefasst werden. Zum Trainingsprogramm gehört auch ein Spaziergang (strammes Tempo) dreimal in der Woche über mehr als 30 Minuten. Wer darüber hinaus etwas tun will, gehe mehrmals in der Woche schwimmen, mache Walking oder auch Nordic-Walking und wende sich um Beratung an den örtlichen Sportverein. Aber auch nicht zu vergessen tägliche Gymnastik und ein vorsichtiges Krafttraining gehören zum Aktivitätsprogramm Also: Anfangen, es ist nie zu spät dafür! DAZ: Herr Professor Löllgen, wir danken für dieses Gespräch. ilm

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