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Nichtraucherschutz – ein deutsches Trauerspiel
Die (wirren) Pläne der Bundesregierung für ein Antirauchergesetz sind schon wieder vom Tisch. Der (jämmerliche) Kompromiss zum Rauchverbot, auf den sich eine Arbeitsgruppe der Großen Koalition verständigt hatte, war nicht nur ein Machwerk voller Ausnahmen, sondern erwies sich auch als nicht länderkompatibel (Dank dem Föderalismus!). So musste Regierungssprecher Ulrich Wilhelm jetzt feststellen (was eigentlich zuvor schon klar war): Dem Bund fehlt die Kompetenz, die Pläne für einen landesweiten Nichtraucherschutz alleine durchzusetzen. Und damit ist der Versuch, Nichtraucher in Deutschland besser zu schützen, zur europaweiten Lachnummer geworden. Nun soll's die Kanzlerin richten. Im persönlichen Gespräch mit den Ministerpräsidenten will sie die Länder dazu bringen, auf der Basis des Arbeitsgruppenkompromisses zwar eigene, aber bundesweit gleiche Gesetze zu erlassen. Doch, wie nicht anders zu erwarten, gehen die Vorstellungen der Ministerpräsidenten in dieser Frage schon vor diesem Gespräch deutlich auseinander. Bayerns Ministerpräsident Stoiber kündigte an, dass es in Bayern im Interesse der Gesundheit auf jeden Fall in allen öffentlichen Räumen und Restaurants Rauchverbote geben werde. Lediglich in Bierzelten sollen Ausnahmen zugelassen sein (heimatbewusst!). Der CDU-Ministerpräsident Christian Wulff aus Niedersachsen setzt hingegen auf freiwillige Lösungen (es lebe die Demokratie!). Der Staat , so sagte er der dpa, sollte sich nicht in alle Lebensbereiche einmischen, nicht alles gesetzlich regeln, und nicht dort Verbote schaffen, wo Menschen ihre Freiheit eigenverantwortlich nutzen müssen. Überall dort, präzisierte er, solle nicht geraucht werden dürfen, wo sich Menschen zwangsläufig aufhalten müssen, wie in Behörden, auf Bahnhöfen oder Flughäfen, aber nicht dort, wo sich Menschen freiwillig aufhalten. Ähnlich denkt sein saarländischer Kollege Müller. Der Staat, meint er zu BILD, solle sich aus der Diskussion um ein Rauchverbot im privaten Bereich heraushalten. Frau Merkel wird es also nicht leicht haben, wenn sie erreichen will, dass wir in Zukunft in Deutschland nicht 16 unterschiedliche Gesetze haben. Eigentlich ist es erstaunlich, dass dem smarten Ministerpräsidenten aus Niedersachsen Gedanken zur Risikoabwehr unserer wichtigsten einzelnen Krankheits- und Todesursache so locker über die Lippen kommen. Und noch erstaunlicher ist es, dass er offensichtlich gar nicht weiß, dass es individuelle (freiwillige) und allgemeine (unfreiwillige) Risiken gibt, und dass zur Abwehr letzterer der Staat (also auch er) verpflichtet ist. Als die Anschnallpflicht in Autos zum Gesetz wurde, gab es erhebliche Widerstände dagegen. Heute ist die Gurtpflicht kein Thema mehr, die Unfallstatistiken belegen eindeutig ihren Sinn. Nun, hier könnte Herr Wulff durchaus diskutieren, ob zur Reduzierung dieses individuellen, freiwilligen Risikos gesetzliche Maßnahmen nötig sind. Denn, sich nicht Anschnallen gefährdet nur einen selbst, schadet aber keinem anderen. Ganz anders verhält es sich jedoch beim Rauchen. Für den Raucher handelt es sich um ein individuelles Risiko, und jeder sollte für sich selbst entscheiden können, auf welche Weise er sich umbringen will. Für den Nichtraucher aber, der unfreiwillig dem Rauch anderer ausgesetzt ist, handelt es sich um ein von ihm nicht beeinflussbares Risiko, das abzuwehren dem Staat obliegt. So wie der einzelne Bürger nicht das Wasser, das er trinkt, beeinflussen kann, und der Staat somit für seine Unbedenklichkeit zu sorgen hat, so hat der Staat auch die Pflicht, für die Unbedenklichkeit der Luft, die wir atmen, Sorge zu tragen. Nicht mitrauchen zu müssen ist das legitime Interesse des Einzelnen, gesund und länger am Leben zu bleiben. Den Nichtraucherschutz, Herr Wulff, muss der Staat gesetzlich regeln, und er muss dort Verbote schaffen, wo Menschen ihre Freiheit nicht mehr eigenverantwortlich nutzen können. Passivrauchen kommt einer Körperverletzung gleich! Hoffen wir also wenigstens auf die Realisierung des immer noch bestehenden fraktionsübergreifenden Gruppenantrags, der umfassende Rauchverbote vorsieht, und nur deshalb nicht weiterverfolgt wurde, weil Union und SPD lieber einen Kompromiss unter Koalitionspartnern aushandeln wollten. Und darauf, dass EU-Gesundheitskommissar Kyprianou beim Nichtraucherschutz den Druck auf Deutschland massiv erhöht und die Bundesregierung gegebenenfalls vor Gericht bringt.
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