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Arzneiporträt
Antivirale Eigenschaften von Oxymetazolin
Die "gewöhnliche Erkältung" stellt die häufigste Infektionskrankheit des Menschen dar [1]. Auslöser sind in der Regel "Erkältungsviren", allen voran die Rhinoviren, daneben auch das Respiratory Syncytial Virus, die Influenzaviren, Parainfluenzaviren, Coronaviren sowie seltener Adenoviren [1, 2, 3]. Diese Viren verursachen jedoch nicht nur Schnupfen und Erkältungen, sondern können auch schwerwiegende Erkrankungen wie Asthma, Sinusitis oder Otitis beeinflussen bzw. auslösen [4, 5, 6].
Die Behandlung von Erkältungskrankheiten beschränkt sich im Wesentlichen auf symptomatische Maßnahmen. Im Falle der akuten Rhinitis ist das Anschwellen der nasalen Schleimhäute zu 90% auf eine Erweiterung (Dilatation) der Blutgefäße zurückzuführen und nur zu einem geringeren Anteil auf die Bildung von Ödemen [7]. Daher ist es sinnvoll, zur symptomatischen Therapie lokal wirksame Vasokonstriktoren in Form der α-Sympathomimetika wie Oxymetazolin anzuwenden. Diese haben sich in Bezug auf das Freihalten der nasalen Atemwege als wirksam und zuverlässig erwiesen.
Oxymetazolin gilt als Rhinologikum mit langanhaltender Wirkung und minimaler systemischer Resorption. Die Wirkdauer beträgt bis zu 12 Stunden [8]. Es wird erfolgreich bei Rhinitis acuta, Rhinitis vasomotorica, Rhinitis allergica, Sinusitis, Tubenkatarrh, Otitis media sowie zur diagnostischen Schleimhautabschwellung eingesetzt.
Aktuelle Ergebnisse von Untersuchungen, die im Labor Dr. Glatthaar (Biotechnologie Zentrum Reutlingen/Tübingen) durchgeführt wurden, zeigen, dass die therapeutische Wirkung von Nasivin® über den bekannten abschwellenden Effekt hinausgeht. Diese neuen Befunde belegen antivirale Wirkeigenschaften des Schnupfensprays, was heißt, dass hier ein kausales Therapieprinzip vorliegt.
Untersuchungen an kultivierten Zellen
Da es sich aus ethischen Gründen verbietet, zu Studienzwecken Probanden direkt mit Erkältungsviren zu infizieren, wurden die nachfolgend beschriebenen Untersuchungen an kultivierten Zellen menschlichen Ursprungs durchgeführt. Die antivirale Aktivität von Nasivin® wurde mit Hilfe von virologischen Standard-Testsystemen nachgewiesen: über die Hemmung der Virusreplikation im Plaquereduktionsassay [9] sowie mittels Quantifizierung der Konzentration infektiöser Viruspartikel in Kulturüberständen (Virustitration, Bestimmung der Restinfektiosität). Für die Tests stand das humane Rhinovirus 14 (HRV 14) zur Verfügung, mit dem die Zellen infiziert wurden.
Die Rhinoviren zählen zur Familie Picornaviridae; ihre Bezeichnung geht auf ihre besondere Affinität zum nasopharyngealen Bereich zurück. Von ihnen existieren 101 verschiedene humane Serotypen, außerdem sind jeweils drei bovine und drei equine Varianten bekannt. Die unbehüllten ikosaedrischen Viruspartikel mit einem Durchmesser von ca. 30 nm enthalten, wie alle Picornaviren, eine genomische Einstrang-RNA aus etwa 7200 Nucleotiden. Das Capsid setzt sich aus 60 Proteinuntereinheiten zusammen, die aus jeweils vier Strukturproteinen bestehen.
Das Immunsystem eliminiert Rhinoviren mittels spezifischer Antikörper, welche die verschiedenen Serotypen erkennen. Aufgrund der Vielzahl der Serotypen, die zum Großteil von epidemiologischer Bedeutung sind, sowie fehlender Kreuzreaktivität ist es nicht möglich, sich durch eine Rhinovirus-Vakzinierung gegen eine Infektion zu schützen [10].
Im Vorfeld der Testreihe wurden zunächst die systemspezifischen Toxizitätsgrenzen ermittelt, um falsch positive Ergebnisse auszuschließen: Eine eventuelle substanzbedingte Schädigung der Wirtszelle und die daraus resultierende Abnahme der Viruskonzentration darf keinesfalls als antivirale Wirkung interpretiert werden. Konzentrationen unterhalb von 0,003% (w/v) Oxymetazolin erwiesen sich für die Funktionalität der verwendeten Zellen als unbedenklich. Darauf wurde das Nasenspray in Wirkstoffkonzentrationen von 0,0015%, 0,0008% und 0,0004% den Zellen zugesetzt, die zuvor mit einer mittleren Infektionsdosis (M.O.I., multiplicity of infection) von 0,0004 infiziert worden waren. Die Prüfung auf antivirale Aktivität entsprach demnach einem therapeutischen Ansatz.
Die antivirale Aktivität wurde sowohl im Plaquereduktionsassay mit Hilfe eines Bildverarbeitungssystems durch Auszählen der Virusplaques (PFU/ml) als auch über die Quantifizierung der Restinfektiosität (TCID50/ml) mittels Virustitration ermittelt. Der Mittelwert aus den Ergebnissen dieser beiden Verfahren wurde als relative Gesamthemmung (PFU/TCID50) definiert. Auf diese Weise konnte eine deutliche Gesamthemmung der Vermehrung des humanen Rhinovirus 14 (HRV14) dokumentiert werden (Abb. 1), die bei der stärksten geprüften Wirkstoffkonzentration (0,0015%) des Nasensprays 38,79% betrug (PFU/ml: 44,26%; TCID50/ml: 33,33).
Beitrag zur kausalen Therapie
Aus den hier erstmals dokumentierten antiviralen Eigenschaften von Oxymetazolin lässt sich folgern, dass seine Applikation neben der bekannten Symptombefreiung (insbes. Abschwellung der Nasenschleimhaut) auch zur kausalen Therapie der Rhinitis entscheidend beiträgt. Die vorgestellten Resultate zeigen, dass Oxymetazolin in der Lage ist, eine bestehende Virusinfektion zu bekämpfen, d.h. die Überlebensrate der in den hier gewählten Testsystemen eingesetzten Wirtszellen zu erhöhen. Dies geht weit über das Potenzial eines prophylaktischen Ansatzes hinaus.
Die klinische Relevanz dieser Ergebnisse wird derzeit an Schnupfenpatienten geprüft. Primärer Endpunkt dieser Studie ist die Verkürzung der Schnupfendauer durch das oxymetazolinhaltige Nasenspray Nasivin® im Vergleich zu einem Nasenspray mit physiologischer Kochsalzlösung.
Aufgrund der Vielzahl der schnupfenauslösenden Viren scheidet bekanntermaßen eine Impfung als Therapieoption aus. Bislang bildeten daher rein symptomatische Maßnahmen die Basis der Rhinitisbehandlung. Die hier vorgestellten Daten belegen jedoch eindrucksvoll, dass krankheitsverursachende Schnupfenviren mit Hilfe von Oxymetazolin wirkungsvoll bekämpft und unterdrückt werden können.
Literatur
[1] Turner RB: Epidemiology, pathogenesis and treatment of the common cold. Ann Allergy Asthma Immunol 78: 531–540 (1997). [2] Couch RB: Rhinoviruses. In: Fields BM, Knipe DM, Howley PM (eds): Fields Virology, 3rd ed. Lippincott-Raven, Philadelphia 1996, pp 713–735. [3] Gentile DA, Skoner DP: Viral Rhinitis. Curr Allergy Asthma Rep 1: 227–234 (2001). [4] Lemanske RF et al: Rhinovirus upper respiratory infection increases airway hyperreactivity and late asthmatic reactions. Clin Invest 83: 1–10 (1989). [5] Gwaltney JM Jr et al: Computed tomographic study of the common cold. N Engl J Med 330: 25–30 (1994). [6] Doyle WJ et al: Nasal and otologic effects of experimental influenza A virus infection. Ann Otol Rhinol Laryngol 103: 59–69 (1994). [7] Majchel A et al: Effect of oxymetazoline on the early response to nasal challenge with antigen. J Allergy Clin Immunol 92: 767–770 (1993). [8] Martindale: Oxymetazoline Hydrochloride. Martindale – The Complete Drug Reference – Monographs. Pharmaceutical Press, 2002. [9] Cooper, PD: A method for producing plaques in agar suspensions of animal cells. Virology 1: 397–409 (1955). [10] Ledford RM et al.: VP1 sequencing of all human rhinovirus serotypes: insights into genus phylogeny and susceptibility to antiviral capsid-binding compounds. J Virol 78: 3663–3674 (2004).
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