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Koalitionsvertrag: Gesundheits- und Familienpolitik
Der Koalitionsvertrag ist eine Absichtserklärung. Spannend wird es, wenn diese Ideen in Gesetze umgesetzt werden sollen.
Gesundheitspolitik
Hier finden sich nur wenige Punkte im Koalitionsvertrag, die für den Apothekenbereich von Interesse sind. Am wichtigsten ist, dass weiterhin konsequent auf Wettbewerb gesetzt wird. Völlig unverständlich bleibt daher, dass auf der anderen Seite ein klassisches Wettbewerbsinstrument, nämlich die Gewährung von Naturalrabatten, ausgeschlossen wird. Ja, was denn nun, Staatsdirigismus oder freier Wettbewerb? Und sind dann Barrabatte erlaubt?
Außerdem sollen die Preise für Generika um 5% gesenkt werden, um "Rationalisierungsreserven" zu erschließen. Wo bitte sind die zu finden? Und gleichzeitig dürfen die Preise für alle Arzneimittel zwei Jahre lang nicht erhöht werden. Man darf auf die gesetzestextliche Ausgestaltung dieser merkwürdigen Formulierungen gespannt sein.
Positiv ist hingegen, dass klar definiert werden soll, was eine echt innovatives Arzneimittel und was ein weiteres Me-too-Präparate ist. Außerdem soll in jedem Falle die elektronische Gesundheitskarte (Health Professional Card, HPC) kommen; allerdings wird sich der Termin Januar 2006 für eine flächendeckende Einführung wohl nicht halten lassen.
"Ein fairer Wettbewerb zwischen privaten Krankenversicherungen und gesetzlichen Krankenkassen muss auf de Erhalt eines pluralen Systems und der Kassenvielfalt zielen."
Aus dem Koalitionsvertrag
Ein weiteres heißes Eisen, die Reform der Finanzierung der Krankenversicherungen, ist nicht angepackt worden. Dazu lagen mit Bürgerversicherung bzw. Kopfprämie die Vorstellungen der Koalitionspartner zu weit auseinander. Düstere Prognosen besagen, dass auch in dieser Legislaturperiode kein großer Wurf gelingt, zumal ja immer irgendwo Wahlen sind.
Die Apotheken dürfen sich wohl auf diverse Mini-Reförmchen im Arzneimittelbereich einrichten. Hoffentlich sind nicht alle so "bahnbrechend" wie der Vorschlag mit den Naturalrabatten!
Den interessantesten Punkt findet man nicht im Koalitionsvertrag: Erst kurz nach dessen Unterzeichnung schlug Ulla Schmidt – sehr zur Überraschung der CDU – vor, die Arzthonorare der gesetzlich und privat Krankenversicherten anzugleichen. Mit Recht: Warum sollte ein Arzt für eine Blinddarmoperation oder eine Impfung unterschiedlich bezahlt werden? Es gibt Hinweise darauf, dass Privatversicherte bei begrenzten Kapazitäten bevorzugt behandelt werden, schließlich lässt sich mit ihnen mehr Geld verdienen. Was ist das anderes als eine Zweiklassenmedizin? Gern kommt an dieser Stelle das Argument, dass ja die Privatversicherer eine ausreichende Finanzierung des Gesundheitswesens sicherstellen. Nun, dann ist es eine Aufgabe der großen Koalition, hier für eine andere Form der Finanzierung zu sorgen, die diese Ungleichbehandlung zwischen privat und gesetzlich Versicherten endlich aufhebt.
Das "Gedöns": Frauen und Familie
In einem legendären Ausspruch hatte Ex-Kanzler Gerhard Schröder Familien, Frauen usw. als "Gedöns" abgetan. Seitdem hat sich viel in der Gewichtung der Politik verändert, insbesondere unter Ex-Familienministerin Renate Schmidt. Die Einsicht hat sich durchgesetzt, dass Familien- und Frauenpolitik eben nicht nur Gedöns ist, sondern das Überleben dieser Gesellschaft sichern hilft.
Sehr begrüßenswert sind die Maßnahmen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Hier ist noch deutlich Schmidts Handschrift zu erkennen. Es gibt (ab 2007) Elterngeld für 12 Monate, wenn auch die Männer 2 Monate zur Kindbetreuung zu Hause bleiben (sonst nur 10 Monate). Außerdem sollen Betreuungsplätze für unter dreijährige Kinder und ausreichend Kindergartenplätze geschaffen werden (Stichwort: frühkindliche Förderung). Doch leider finden sich über die Gleichstellung von Mann und Frau und die Frauenpolitik nur neun Zeilen im Koalitionsvertrag.
Streicht man das Wortgeklingel von der "familienfreundlichen Gesellschaft", der "ganzheitlichen Politik für Familie, Senioren, Frauen und Jugend" mal weg, bleibt die Aussage: "Frauen sind heute beruflich so gut qualifiziert wie nie zuvor. Deshalb setzen wir uns für einen besseren, benachteiligungsfreien Zugang zu Existenz sichernder Erwerbsarbeit und zu Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen ein. Kinder dürfen nicht länger ein Hindernis für Beruf und Karriere sein."
Das sind schöne Worte, aber ohne konkrete Maßnahmen zur Frauenförderung in Betrieben wird nichts passieren. Auch die Benachteiligung von Frauen bei Hartz II wird mit keinem Wort erwähnt.
Das Ehegattensplitting bei der Berechnung der Einkommensteuer soll abgeschafft und durch ein "Anteilverfahren" ersetzt werden. Was das praktisch bedeutet, bleibt abzuwarten.
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