Aus Kammern und Verbänden

Integritas: Borderline-Produkte eröffnen neue Konfliktfelder

Mit der schrittweisen Liberalisierung der Heilmittelwerbung werden die Aufgabenstellungen für das Selbstkontrollorgan der Industrie Integritas zunehmend komplexer, wie bei der diesjährigen Mitgliederversammlung des Vereins am 30. November 2005 in Bonn deutlich wurde. Gegenüber den Problemfeldern, die sich vor allem im Borderline-Bereich aufzutun scheinen, ist die Lage auf dem Sektor der "reinen" Arzneimittelwerbung offenbar recht gut konsolidiert.

Der neue Vorstandsvorsitzende von Integritas Norbert Pahne sagte den Mitgliedern weiterhin die Unterstützung des Vereins als Mediator zu, warb jedoch gleichzeitig um Verständnis dafür, dass eine Werbevorkontrolle auch für die Zukunft nicht zum Serviceangebot gehören kann. Er kündigte allerdings an, dass die Geschäftsstelle einen Leitfaden vorbereitet habe, der den Mitgliedern als Hilfestellung bei Abmahnungen sowie zum Verhalten bei Rechtsstreitigkeiten in Kürze an die Hand gegeben werden soll.

Wo sich für die Heilmittelindustrie in absehbarer Zeit offenbar ein neues Konfliktpotenzial eröffnen könnte, zeigte Dr. Ariane Titz auf. Sie ist beim Europäischen Dachverband der Selbstmedikationsindustrie AESGP in Brüssel für Lebensmittel-relevante Fragestellungen zuständig und erläuterte die Inhalte und derzeitigen Diskussionen, die sich um die europäische Richtlinie über Nahrungsergänzungsmittel (2002/46/EC) und die Verordnung über gesundheitsbezogene Angaben bei Lebensmitteln ("Claims-Verordnung") ranken.

Die Richtlinie zu den Nahrungsergänzungen ist in allen Mitgliedstaaten, ausgenommen in Frankreich, bereits in nationales Recht umgesetzt worden. Dennoch geht deren praktische Anwendung bei weitem nicht reibungsfrei vonstatten.

Abweichende Meinungen gibt es zum einen in der Frage, welche Stoffe in Nahrungsergänzungen zulässig sein sollen – die Richtlinie beruht auf dem Positivlistenprinzip –, aber auch bezüglich der Maximaldosierungen und Reinheitskriterien der zulässigen Vitamine und Mineralstoffe.
 

Norbert Pahne neuer Vorstandsvorsitzender 

In der Nachfolge des Ende September 2005 überraschend verstorbenen, langjährigen Integritas-Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Reinsch wurde Norbert Pahne aus den Reihen des Vorstandes zu dessen neuem Vorsitzenden gewählt. Der Lebensmitteltechnologe ist Geschäftsführer des Diätverbandes e.V. in Bonn, der die gemeinsamen Interessen von circa 60 Herstellern diätetischer Lebensmittel vertritt.

Noch mehr Fragen wirft die angestrebte Ausweitung auf andere Stoffgruppen, etwa auf Pflanzen und deren Inhaltsstoffe auf. Titz berichtete, dass die europäische Agentur für die Sicherheit von Lebensmitteln (EFSA) sich bereits daran begeben hat, die Märkte in den Mitgliedstaaten diesbezüglich zu analysieren, um hieraus sinnvolle Erweiterungen des Rahmens ableiten zu können.

Um die europäische "Claims-Verordnung" wird bereits seit geraumer Zeit gerungen, und auch jetzt, da es dem Ministerrat gelungen ist, einen gemeinsamen Standpunkt zu verabschieden, gibt es laut Aussage von Titz in vielen Punkte noch divergierende Regelungsansätze.

Immerhin konnte die ursprünglich weitgehend restriktive Haltung der europäischen Kommission unter anderem durch die Eingaben des Europäischen Parlamentes etwas relativiert werden, aber ein echter Konsens ist vielfach noch nicht in Sicht. Die 2. Lesung der Verordnung im Europäischen Parlament ist nun für Januar 2006 vorgesehen. Bis Mitte oder Ende 2006 soll sie dann in Kraft treten.

Gegenüber dem, was durch die fortschreitende "Aufweichung" der Grenze zwischen Arzneimittel und Lebensmittel, auf die Werbung-Treibenden in der Heilmittelindustrie sowie auf deren Kontrollorgane zuzukommen scheint, geben die Neuerungen aus der 14. AMG-Novelle eher weniger Anlass zur Beunruhigung. Dies wurde aus den Ausführungen des Integritas-Vorstandsmitglieds Dr. Axel Sander deutlich. Wie Pahne begrüßte auch er vor allem die Liberalisierung der Publikumswerbeverbote, mit der nicht nur EG-rechtlichen Vorgaben umgesetzt, sondern aus seiner Sicht auch dem neuen Verbraucherbild und der Ausweitung der Ausschlüsse aus der Kassenerstattung in angemessener Weise Rechnung getragen wird.

Helga Blasius

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