Arzneimittel und Therapie

Omalizumab unterbricht allergische Kettenreaktion

Omalizumab (Xolair®) ist ein neuer monoklonaler Antikörper, der zur Behandlung von schwerem allergischem Asthma eingesetzt wird. Omalizumab wirkt, indem es Immunglobulin E, das Schlüsselmolekül der allergischen Reaktion, gezielt blockiert und dadurch die Entzündungsreaktion verhindert. Xolair® soll in Kürze bei uns auf den Markt kommen.

Omalizumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der an frei im Blutkreislauf zirkulierende IgE-Moleküle andockt. Dabei besetzt er dieselbe Stelle, mit der Immunglobulin E (IgE) an Mastzellen und basophile Granulozyten bindet. Dadurch verhindert Omalizumab die Aktivierung der allergischen Entzündungsreaktion und hemmt die Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie Histamin und Leukotrienen, welche die Asthmasymptome verursachen. Die allergische Kettenreaktion wird schon kurz nach ihrem Start abgebrochen, Allergie- und Asthmasymptome bleiben aus oder werden deutlich gemildert.

IgE-Wirkungen verhindern

Einerseits neutralisiert Omalizumab die zirkulierenden IgE-Moleküle, andererseits begrenzt es die Neubildung von IgE. Außerdem reduziert Omalizumab die Anzahl von Rezeptoren auf der Oberfläche der Mastzellen und Basophilen, an welche sich IgE heften kann.

Omalizumab reduziert außerdem die Zahl verschiedener an der Atemwegsentzündung beteiligter Immunzellen, insbesondere die der Eosinophilen. Eine Zunahme der Eosinophilen im Sputum ist ein typisches Merkmal von Asthma und ist mit einem erhöhten Risiko für Exazerbationen (d. h. Asthmaanfälle) und einem ausgeprägteren Schweregrad der Erkrankung verbunden.

Da der Körper ständig weiterhin IgE produziert, muss Omalizumab in regelmäßigen Zeitabständen - normalerweise alle zwei oder vier Wochen - verabreicht werden, um einen konstant niedrigen IgE-Spiegel aufrecht zu erhalten.

Injektion alle zwei bis vier Wochen

Omalizumab ist der erste humanisierte monoklonale Antikörper, der für die Behandlung von allergischem Asthma entwickelt wurde. Außerdem ist es das erste Asthmamedikament, das nur alle zwei bis vier Wochen angewendet werden muss. Das Medikament wird als subkutane Injektion verabreicht. Die Dosis orientiert sich am Körpergewicht des Patienten und am Serumspiegel von IgE vor der Therapie. Dieser Spiegel ist bei normalen, gesunden Personen je nach Alter unterschiedlich; die meisten Patienten mit Allergien haben jedoch IgE-Spiegel, die über dem Normbereich liegen. Omalizumab sollte nur bei Patienten mit eindeutig IgE-vermitteltem Asthma eingesetzt werden.

Weil bereits vor der Omalizumab-Gabe Mastzellen mit IgE besetzt sind, setzt die klinische Wirkung nicht sofort ein. Nach vier und zwölf Wochen profitieren 61 bzw. 87% der Asthmatiker; nach 16 Wochen lässt sich bei allen Patienten eine Wirkung beobachten.

Ergebnisse aus klinischen Studien

Klinische Studien mit Patienten mit mittelschwerem bis schwerem allergischem Asthma haben gezeigt, dass Omalizumab die Asthma-Exazerbationen reduziert und dass die meisten Patienten weniger inhalative Glucocorticoide benötigen oder ganz darauf verzichten können.

Das zeigten Daten aus zwei 52-wöchigen klinischen Studien der Phase III, die mit 1071 Patienten mit allergischem Asthma durchgeführt wurden. Hinzu kamen Daten aus mehreren Ergänzungsstudien zur Sicherheit und Wirksamkeit. In diesen Studien verringerten sich bei den mit Omalizumab behandelten Patienten die Asthma-Exazerbationen um rund 50%, und die Asthma-Symptome verbesserten sich. Die meisten Patienten konnten Glucocorticoide und Notfall-Bronchodilatatoren reduzieren.

Die Durchschnittsdosis der inhalierten Glucocorticoide sank bei Patienten, die Omalizumab zu sich nahmen, um 75 und 83%, bei den Placebo-Gruppen waren es 50%. 40 bis 43% der Patienten in den Omalizumab-Gruppen benötigten keine Steroide mehr, gegenüber 19% in den Placebo-Gruppen.

Die erweiterte Sicherheitsdatenbasis, die der FDA vorgelegt wurde, umfasst klinische Daten von mehr als 6000 Patienten, von denen rund 4200 Patienten mit Xolair® behandelt wurden. Die Behandlung wurde in den klinischen Studien generell gut vertragen. Die Häufigkeit der unerwünschten Wirkungen war in den mit Omalizumab behandelten und den Kontrollgruppen vergleichbar. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählten Virusinfektionen, Sinusitis, Atemwegsinfektionen und Kopfschmerzen. Starke Nebenwirkungen waren selten und traten bei den Omalizumab- und den Kontrollgruppen etwa gleich häufig auf.

Die INNOVATE-Studie

In der INNOVATE-Studie wurden schwer zu behandelnde Asthmatiker der Stufe 4 therapiert. Hier reduzierte Omalizumab den Bedarf an inhalativen Glucocorticoiden, verbesserte die Asthmasymptome, die Lungenfunktion und die asthmabezogene Lebensqualität.

In die randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie wurden weltweit 312 Asthmapatienten im Alter von zwölf bis 73 Jahren mit schweren Symptomen und ohne ausreichende Kontrolle durch die bisherige Medikation eingeschlossen. Ihre bisherige Therapie, basierend auf den Richtlinien, war bereits die Maximaltherapie: Die Patienten konnten mit inhalativen Glucocorticoiden und lang wirkenden Beta2-Agonisten nicht ausreichend behandelt werden.

Zwei Drittel der Patienten erhielten über zwölf Monate zusätzlich zu ihrer bisherigen Therapie subkutan Omalizumab oder Placebo. Omalizumab reduzierte klinisch bedeutsame Exazerbationen, welche eine systemische Steroidgabe erforderlich machen, signifikant um 26%. Schwere Asthma-Exazerbationen, definiert als Episode mit einer Lungenfunktion von unter 60% der besten erreichbaren individuellen Lungenfunktion, wurden sogar halbiert.

Nicht nur die Wirksamkeit, auch die Verträglichkeit wurde von Studienteilnehmern und Ärzten positiv beurteilt: Schwere Nebenwirkungen traten nicht auf; die Häufigkeit von Nebenwirkungen entsprach der von Placebo.

Metaanalyse unterstützt positive Studiendaten

Diese Ergebnisse werden auch durch Daten aus sieben Studien mit über 4300 schweren Asthmatikern untermauert. Omalizumab wurde in allen Studien zusätzlich zur leitliniengemäßen Maximaltherapie gegeben und mit Placebo oder mit der Standardtherapie alleine verglichen. Im Ergebnis reduzierte Omalizumab die Exazerbationsrate hochsignifikant um 38%. Der Erfolg war unabhängig von Alter oder Geschlecht, jedoch um so ausgeprägter, je schwerer das Asthma des Patienten war. Insbesondere Notfallsituationen gingen bei den mit Omalizumab behandelten Patienten stark zurück: Die Behandlungen in der Notaufnahme sanken um 61% und Klinikaufnahmen um 52%.

Studie bei allergischer Rhinitis

Omalizumab wurde in einer amerikanischen Studie auch zur Behandlung der allergischen Rhinitis geprüft. Hier senkten drei bis vier subkutane Injektionen von 300 mg Omalizumab, davon die erste vor Beginn der Pollensaison, IgE-Serumspiegel, Schweregrad der Nasensymptome und Bedarf an oralen Antihistaminika. Gleichzeitig verbesserte die Behandlung die Lebensqualität der Patienten in der Pollensaison.

Für Asthmapatienten ab zwölf Jahren

Omalizumab ist in erster Linie für Patienten mit schwerem persistierendem Asthma ab zwölf Jahren gedacht, welches trotz Behandlung mit inhalativen Glucocorticoiden und lang wirkenden Beta2-Sympathomimetika nicht befriedigend zu kontrollieren ist und durch häufige Exazerbationen kompliziert wird. Auch Patienten mit schwer einzustellendem Asthma bronchiale, mit ausgeprägten allergischen Symptomen auch in anderen Organen, beispielsweise einer allergischen Rhinokonjunktivitis und/oder Nahrungsmittelallergie, mit Berufsasthma oder mit schweren Nebenwirkungen als Folge der Dauertherapie mit oralen und topischen Glucocorticoiden könnten von der Therapie mit Omalizumab profitieren.

Zulassung 2005 erwartet

Omalizumab ist unter dem Markennamen Xolair® bereits seit Juni 2003 in den USA zugelassen. Hier wird es für die Erhaltungstherapie zur Prophylaxe von Asthma-Exazerbationen und für die Behandlung der Asthmasymptome von Erwachsenen und Jugendlichen (ab zwölf Jahren) verwendet, die trotz Verwendung inhalativer Glucocorticoide weiter unter Asthmasymptomen leiden.

Bis zum 30. Juni 2005 wurden weltweit mehr als 45.000 Patienten mit Omalizumab behandelt. In Deutschland wird Omalizumab derzeit in mehreren Zentren erprobt. Die europäische Zulassung wird Ende des Jahres 2005 erwartet.

Omalizumab soll voraussichtlich ab Herbst 2005 in Deutschland zur Verfügung stehen.

 

Quelle
Bousquet J, et al.: The effect of treatment with omalizumab, an anti-IgE antibody, on asthma exacerbations and emergency medical visits in patients with severe persistent asthma. Allergy 2005; 60:
302 – 08.
Humbert M, et al. Benefits of omalizumab as add-on therapy in patients with severe persistent asthma who are inadequately controlled despite best available therapy (GINA 2002 step 4 treatment): INNOVA-
TE. Allergy 2005; 60: 309 –16.
Holgate S, et al.: The anti-inflammatory effects of omalizumab confirm the cen- tral role of IgE in allergic inflammation.
J. Allergy Clin. Immunol. 2005; 115: 459 – 65.

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Immunglobulin E (IgE)

Atopiker, also Personen, die für allergische Erkrankungen prädisponiert sind, reagieren übermäßig stark auf Allergene. Bei ihnen werden große Mengen von IgE-Antikörpern, die für ein bestimmtes Allergen spezifisch sind, von Plasmazellen gebildet und in die Blutbahn freigesetzt.

Der IgE-Antikörper hat etwa die Form des Buchstaben Y. Seine verzweigten Arme erkennen spezifische Allergene, während der Schwanz an Rezeptoren auf der Oberfläche von Immunzellen in den Atemwegen, Nasenwegen, in Haut und Darm bindet. Diese Zellen - Mastzellen und Basophile - sind dann nach einem Allergenkontakt mit IgE besetzt. Wenn ein Atopiker erneut dem Allergen ausgesetzt wird, wird dieses Allergen an den verzweigten Anteilen von IgE auf den Mastzellen gebunden und verbindet diese miteinander.

Die vernetzten IgE-Moleküle auf der Mastzelle führen zu einem Signal, die Mastzelle degranuliert und setzt dabei entzündliche chemische Substanzen frei.

Dazu gehören Histamin, Leukotriene und Prostaglandine. Diese Substanzen verursachen eine Schwellung und Verengung der Atemwege und die Produktion größerer Mengen von Schleim. Dies führt zu den Symptomen, an denen Asthmapatienten leiden: Atemnot, Giemen, Husten, Engegefühl in der Brust und Kurzatmigkeit, Bronchospasmus- und -konstriktion, Entzündung der Atemwege und bronchiale Hyperreagibilität.

Allergisches Asthma

In Europa leiden rund 30 Millionen Menschen an Asthma bronchiale, wobei etwa 18% der Patienten in Westeuropa von einer schweren Form der Krankheit betroffen sind. Innerhalb dieser Gruppe gibt es eine Minderheit, deren Symptome trotz bester verfügbarer Behandlung nicht ausreichend zu beherrschen sind. Patienten mit schwerem Asthma leben mit einem hohen Risiko, sich in stationäre Notfallbehandlung begeben zu müssen oder an einem Anfall zu sterben. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge starben im Jahr 2002 in Westeuropa 12.000 Menschen an Asthma.

Allergien tragen zu etwa 90% der Asthmafälle bei. Das bedeutet, dass die Asthmasymptome - Atemnot, Giemen, Husten, Engegefühl in der Brust und Kurzatmigkeit - durch einen Kontakt mit normalerweise unschädlichen Substanzen wie Schimmel, Hausstaubmilben oder Partikeln von Tierhaaren ausgelöst werden. Diese Substanzen sind als Allergene bekannt, und die Immunreaktion auf sie wird größtenteils durch einen Antikörper mit der Bezeichnung Immunglobulin E (IgE) gesteuert.

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