Arzneimittel und Therapie

Abatacept stoppt Zerstörung der Gelenke

Für Patienten mit rheumatoider Arthritis soll es demnächst eine neue Therapieoption geben: Durch den Einsatz des neuen Fusionsproteins Abatacept konnte in einer Phase-III-Studie das Fortschreiten der Gelenkzerstörung aufgehalten werden. Anlässlich des Rheumatologen-Kongresses EULAR (European League Against Rheumatism) Mitte Juni in Wien wurden die neuesten Ergebnisse der Studie vorgestellt, wie Bristol-Myers Squibb berichtete.

Abatacept ist ein so genannter Kostimulations-Inhibitor. Diese gentechnisch hergestellten Antikörper beeinflussen die Funktion von Immunzellen, indem sie für diese Zellen wichtige Signale blockieren.

Aktivierung und Proliferation von T-Zellen hemmen

Das lösliche Fusionsprotein Abatacept wirkt auf die T-Zellen. T-Zellen benötigen zur Aktivierung mehrere Signale. Eines davon, das kostimulatorische Signal, wird dann ausgelöst, wenn ein Ligand auf einer antigenpräsentierenden Zelle mit seinem Rezeptor CD28 (oder CTLA4 auf T-Zellen) interagiert.

Abatacept ähnelt in seiner Struktur den beschriebenen Rezeptoren, bindet Liganden an der Oberfläche antigenpräsentierender Zellen und verhindert so die Interaktion mit dem eigentlichen Zielobjekt CD28. Die Folge: Aktivierung und Proliferation von T-Lymphozyten werden gehemmt.

Abatacept kann radiologische Veränderungen aufhalten

In einer Phase-III-Studie (AIM-Studie, abatacept in inadequate responders to methotrexate) konnte Abatacept die radiologischen Veränderungen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis aufhalten, die auf Methotrexat nicht adäquat angesprochen haben.

Im Rahmen der randomisierten, plazebokontrollierten, doppelblinden Multizenterstudie wurden 652 Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis behandelt. Alle Patienten hatten nur unzureichend auf die bisherige Therapie mit Methotrexat angesprochen.

Die Patienten wurden im Verhältnis 2:1 in zwei Gruppen randomisiert: Zusätzlich zu Methotrexat erhielten die Patienten entweder Abatacept (n = 433) oder Plazebo (n = 219). Der neue Kostimulations-Inhibitor wurde als dreißigminütige intravenöse Infusion in einer Dosis von 10 mg/kg verabreicht. Behandelt wurde jeweils an den Tagen 1, 15 und 29 und danach alle vier Wochen bis zum Studienende nach einem Jahr. Zudem war ein zusätzliches Antirheumatikum in einem Zeitraum von sechs Monaten erlaubt. Von Händen und Füßen wurden Röntgenbefunde zu Beginn und Ende der Studie erstellt. Die Bemessung des Therapieerfolges erfolgte anhand des Sharp Scores, der ein etablierter Parameter für Gelenkspaltverschmälerungen und Erosionen in der Rheumatologie ist.

Signifikante Vorteile für Abatacept

Insgesamt wurden die radiologischen Daten von 92% der Patienten aus der Abatacept-Gruppe sowie 91% der Patienten, die Plazebo erhielten, erfasst. Sowohl beim Gesamtwert als auch bei den Einzelwerten für Erosionen und Gelenkspaltverschmälerung anhand des Sharp Scores gab es signifikante Vorteile für die Abatacept-Kombination. Verglichen mit den Ausgangswerten kam es zu signifikant weniger Erosionen (p = 0,029) und Gelenkspaltverschmälerungen (p = 0,009) unter dem Fusionsprotein im Vergleich zu Plazebo. Der Gesamtscore belegte ebenfalls signifikant weniger radiologische Zeichen einer RA unter Abatacept (p = 0,012). Darüber hinaus konnte belegt werden, dass die Verschlechterung von radiologisch erfassten Gelenkschäden wesentlich langsamer in der Abatacept-Gruppe als in der Plazebo-Gruppe war. Die Scores stiegen signifikant geringer bezüglich Gelenkerosionen (0,63 vs. 1,14; p = 0,008), Gelenkspaltverschmälerungen (0,58 vs. 1,18; p < 0,001) und des Gesamtwertes (1,21 vs. 2,32; p < 0,001) unter dem neuen Mittel an.

Wenig unerwünschte Wirkungen

Die Therapie erwies sich als gut verträglich, und die unerwünschten Nebenwirkungen blieben fast auf Plazebo-Niveau. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen unter Abatacept waren Kopfschmerzen (17,6% vs. 11,9% unter Plazebo), Nasopharyngitis (15,2% vs. 11,4%) und Übelkeit (12,0% vs. 11,0%). Die Gesamtinzidenz an Nebenwirkungen lag in der Abatacept-Gruppe bei 87,3% und unter Plazebo bei 84,0%. Nur 4,8% aller Patienten aus der Abatacept-Gruppe und 1,8% der Patienten der Plazebo-Gruppe beendeten die Studie auf Grund von Nebenwirkungen nicht.

Neue Daten zur Sicherheit

Außerdem wurden in Wien Daten zur Sicherheit präsentiert. Im Rahmen der ASSURE-Studie (Abatacept Study of Safety in Use with other RA Therapies) wurde Abatacept (10 mg/kg) zusammen mit anderen biologischen und herkömmlichen Antirheumatika eingesetzt. Insgesamt bekamen 959 von 1441 Patienten Abatacept-Injektionen an den Tagen 1, 15 und 29 sowie weiter im Vier-Wochen-Abstand zusätzlich zu einer anderen antirheumatisch ausgerichteten Behandlung. 482 Patienten erhielten dagegen nur Plazebo zur antirheumatischen Therapie, die entweder ebenfalls aus neuen Biologicals und/oder herkömmlichen Therapeutika bestand.

Es kam zu neun Todesfällen: fünf in der Abatacept-Gruppe (0,5%) und vier in der Plazebo-Gruppe (0,8%). Die Rate an schweren Nebenwirkungen war in beiden Gruppen vergleichbar (13% Abatacept vs. 12% Plazebo). Als häufigste dieser unerwünschten Wirkungen erwiesen sich Erkrankungen der Skelettmuskulatur oder des Bindegewebes (3% Abatacept vs. 4% Plazebo). Hinsichtlich der Anzahl der Therapieabbrüche (5,3% vs. 3,9%), der Inzidenz an Nebenwirkungen (90,3% vs. 86,5%) sowie der Rate an Nebenwirkungen und schweren unerwünschten Wirkungen (55,7% vs. 49,6% bzw. 2,4 vs. 2,7%) unterschieden sich Abatacept und Plazebo nicht.

Wurde Abatacept zusammen mit anderen Biologicals eingesetzt, so stieg die Infektionsrate leicht an. Es wurden 22 schwerere Infektionen unter Abatacept in Kombination mit anderen Biologicals beobachtet (2,6%). Allerdings kam es bei sieben Personen durch Plazebo in Kombination mit einer nicht-biologischen Therapie ebenfalls zu einer schweren Infektion. Als häufigste Nebenwirkungen wurden Kopfschmerzen (20,3% vs. 14,1%), Schwindel (11,1 vs. 8,9%), Harnwegsinfektionen (8,1% vs. 5,0%), Dyspnö (7,4% vs. 4,8%), periphere Ödeme (3,6% vs. 6,6%) sowie Schmerzen im Pharynx/Larynx-Bereich (3,1% vs. 5,2%) beobachtet. hel

Fusionsprotein

Ein Fusionsprotein entsteht als Produkt von zusammengesetzten Genen. Mit gentechnischen Methoden werden Teile zweier verschiedener Gene miteinander verknüpft. Dabei können entweder die Regulationssequenzen von einem und die proteinkodierenden Sequenzen vom anderen Gen stammen oder kodierende Sequenzen von zwei verschiedenen Genen fusioniert werden.

Die neu zusammengebauten Gene werden mit einem Vektor in eine Zelle eingeschleust. Dort lesen die Enzyme der Zelle die Gene ab. Passt das Leseraster der beiden Teile zusammen, entsteht ein Fusionsprotein, von dem ein Abschnitt vom ersten Gen definiert und ein anderer von einem zweiten Gen kodiert wird.

Fusionsproteine eignen sich, um ein Protein mit einem zweiten Referenzprotein zu lokalisieren, aufzureinigen oder in seiner Expression zu kontrollieren.

Abatacept ist ein Fusionsprotein, das aus einer Proteindomäne des CTLA4-Rezeptors und einem IgG-Fragment besteht. Das Fusionsprotein (CTLA4Ig) hat eine hohe Affinität für CD80 und CD86 und hemmt die Kommunikation von T-Zellen mit antigenpräsentierenden Zellen. Hierdurch werden die Proliferation von T-Zellen und die Ausschüttung von proinflammatorischen Zytokinen inhibiert.

Rheumatoide Arthritis

Die rheumatoide Arthritis ist eine schwere Form der Arthritis. Die Autoimmunerkrankung geht mit entzündlichen Gelenkveränderungen einher. Durch die Gelenkzerstörung kommt es an den betroffenen Stellen zu chronischen Schmerzen, Steifheit, Erwärmung und Schwellungen. Im Verlauf der Erkrankung verformen die Gelenke sich, ihre Beweglichkeit geht verloren.

Rund ein Prozent der Bevölkerung weltweit leidet an dieser schweren Erkrankung, das heißt, mehr als 2,9 Millionen Europäer und 2,1 Millionen Amerikaner sind betroffen. Drei von vier Erkrankten sind Frauen.

Neue Beilage: Arzneimittel in der Pipeline

Dieser Ausgabe der DAZ liegt die erste Ausgabe von "Arzneimittel in der Pipeline" bei. In der neuen Beilage stellen die beiden pharmazeutischen Chemiker Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz und Prof. Dr. Dieter Steinhilber aus Frankfurt Arzneimittel vor, deren Entwicklung bereits so weit fortgeschritten ist, dass ihre Einführung demnächst erwartet werden kann.

In der ersten Ausgabe der neuen Beilage wird mit den beiden PDE4-Inhibitoren Cilomilast und Roflumilast eine neue Therapiemethode zur Behandlung von Asthma bronchiale und COPD vorgestellt. Außerdem wird der neue CETP-Inhibitor Torcetrapib vorgestellt, der erste Vertreter einer neuen Stoffklasse zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen.

Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz und Prof. Dr. Dieter Steinhilber sind neben Prof. Dr. Hermann Roth die Autoren des Lehrbuchs "Medizinische Chemie", das beim Deutschen Apotheker Verlag erscheint. Dieses Lehrbuch behandelt biologisch aktive Verbindungen und deren Zielstrukturen sowie die Target-Arzneistoff-Wechselwirkungen. Im Mittelpunkt stehen dabei der Wirkungsmechanismus auf molekularer Ebene und der Metabolismus im Körper.

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