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Arzneimittel und Therapie
Kein Benefit durch Calcium plus Vitamin D3
Ältere Menschen, die bereits einen Knochenbruch erlitten haben, besitzen ein nicht unbeträchtliches Risiko für weitere. Zu den Risikofaktoren zählen beispielsweise Bewegungsmangel, die Aufnahme geringerer Nahrungsmengen als in jüngerem Alter (was die Calcium-Aufnahme vermindert) oder ein seltenerer Aufenthalt im Freien (was zu einer verringerten Vitamin-D3-Synthese führt). Eine Supplementation mit Calcium und Vitamin D3 wird daher diesem Personenkreis, insbesondere Frauen, häufig empfohlen. In Deutschland beispielsweise enthalten Leitlinien zur Prävention und Therapie der postmenopausalen Osteoporose Empfehlungen für eine Basismedikation mit Calcium und Vitamin D3 in der Sekundärprävention.
Große Studie zur Überprüfung
In eine groß angelegte britische Studie wurden 5292 Personen mit einem Mindestalter von 70 Jahren einbezogen, die in den zurückliegenden zehn Jahren eine osteoporotische Fraktur erlitten hatten. 4481 von ihnen (85%) waren Frauen. Es handelte sich durchweg um mobile Personen, bettlägerige Patienten waren ausgeschlossen. Die Teilnehmer wurden in vier Gruppen randomisiert: sie erhielten entweder täglich 800 IU orales Vitamin D3 oder 1000 mg Calcium, eine Kombination aus beiden, oder Plazebo. Die meisten Teilnehmer wurden über 24 Monate, ein kleiner Teil von ihnen sogar bis zu 62 Monate nach beobachtet. Primärer Endpunkt war das Auftreten einer neuen nicht-traumatischen osteoporotischen Fraktur, das heißt einer Fraktur aus geringfügigem Anlass (z. B. Ausrutschen und Hinfallen aus dem Stand), oder einer radiologisch gesicherten Wirbelfraktur. Dagegen wurden Frakturen nach Gewalteinwirkung (z. B. nach einem Verkehrsunfall) und solche im Bereich des Gesichts und des Schädels nicht in die Auswertung einbezogen.
Mangelnde Compliance beklagt
Die Frakturrate war, wie erwartet, relativ hoch. 698 Studienteilnehmer – das heißt etwa jeder achte – erlitten im Beobachtungszeitraum einen Knochenbruch. In 26% der Fälle handelte es sich um eine Hüftfraktur. Die statistischen Analysen ergaben jedoch zwischen den vier Gruppen (siehe Tabelle) keinen signifikanten Unterschied in der Frakturinzidenz. Das Risiko, eine weitere Fraktur zu erleiden, konnte also weder durch die Einnahme von Calcium, noch durch Vitamin D3 oder durch eine kombinierte Substitution vermindert werden.
Ein Problem der Studie war die relativ schlechte Compliance der Patienten: nach 24 Monaten nahmen nur noch 54,5% von ihnen die Tabletten ein. Für die Autoren war dieser Befund allerdings nicht unerwartet, denn bei den Studienteilnehmern handelte es sich um ältere, häufig multimorbide Patienten, die teilweise mehrere Arzneimittel einnehmen mussten. Am geringsten war die Compliance bei den Patienten, die Calcium allein oder in Kombination einnahmen, was teilweise auf die gastrointestinalen Nebenwirkungen zurückgeführt wurde. Schwere Nebenwirkungen waren jedoch selten.
Unklar blieb nach Auswertung der Ergebnisse, ob die unbefriedigende Compliance einen Beitrag zur fehlenden Effektivität der Supplementierung geleistet hat. Weiterhin wurde an der Studie kritisiert, dass die Vitamin-D-Spiegel nur bei einem geringen Teil (etwa 1%) der Teilnehmer bestimmt worden waren. Möglicherweise konnten sie deswegen nicht von der Behandlung profitieren, weil ihre Vitamin-D-Spiegel bereits ausreichend hoch waren.
Dr. Claudia Bruhn
Quelle
The RECORD Trial Group: Oral vitamin D3 and calcium for secondary prevention of low-trauma fractures in elderly people (Randomised Evaluation of Calcium OR vitamin D, RECORD): a randomised pla- zebo-controlled trial. Lancet, 365, 1621 – 1628 (2005).
Sambrook, Ph.: Vitamin D and fractures: quo vadis? Lancet, 365, 1599 – 1600
(2005).
Osteoporose. AVP– Arzneiverordnung in der Praxis. Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, 1. Auflage (2003).
Das Wichtigste in Kürze
Was war bereits bekannt? Der Nutzen einer Primärprävention osteoporotischer Frakturen durch eine Supplementation mit Calcium und Vitamin D3 ist durch randomisierte Studien belegt, nicht jedoch der Nutzen in der Sekundärprävention.
Was hat die Studie gebracht? Die Ergebnisse der Studie sind nicht dazu geeignet, einen routinemäßigen Einsatz von Calcium- und/oder Vitamin D3-Supplementen zur Sekundärprävention von Knochenbrüchen bei älteren, mobilen Menschen zu empfehlen. Die Autoren verweisen auf andere Strategien für die Sekundärprävention, als medikamentöse Maßnahme beispielsweise die Gabe von Bisphosphonaten.
Welche Schlussfolgerungen für die Beratung sind möglich? Bei älteren Menschen sollte ein Schwerpunkt in der Primärprävention von Frakturen gesetzt werden. Dazu gehören:
- ausreichende Vitamin D3- und Calciumzufuhr durch die Nahrung, ggf. Supplementierung
- ausreichend Bewegung und Aufenthalt im Freien
- Sturzprävention (z. B. durch regelmäßige Überprüfung der Sehfähigkeit, Beseitigung von "Stolperfallen" im häuslichen Bereich)
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