Arzneimittel und Therapie

Penciclovir gegen Lippenherpes

Bislang stand zur rezeptfreien Therapie des Lippenherpes lediglich Aciclovir zur Verfügung, das in klinischen Studien widersprüchliche Ergebnisse zeigte. Ab dem 1. Juli 2005 gibt es eine Alternative: Das Virustatikum Penciclovir ist unter dem Namen Fenistil® Pencivir bei Lippenherpes rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Nach Applikation der antiviralen Creme heilen die lästigen Bläschen schneller ab, der Schmerz wird früher gelindert. Und: Penciclovir – so Novartis – soll auch dann noch wirken, wenn bereits die ersten Herpesbläschen sichtbar sind.

Brennen, Jucken und Kribbeln an den Lippen sind die typischen Prodromi eines Herpes labialis. Verursacher des Lippenherpes ist das Herpes-simplex-Virus-1 (HSV1), zunehmend auch HSV2, das lange Zeit ausschließlich als Erreger des Herpes genitalis galt. Wer sich einmal mit HSV1 infiziert hat, und das sind mehr als 90% der Bevölkerung, wird das Virus nicht mehr los. Das Immunsystem kann den Erreger zwar in seine Schranken weisen und die Besiedelung von Haut und Schleimhäuten verhindern. Es gelingt ihm aber nicht, HSV1 komplett aus dem Organismus zu eliminieren. Vielmehr persistieren die Viren in den neuronalen Ganglien. Sie können jederzeit reaktiviert werden und das typische klinische Bild auslösen. Das ist bei 20 bis 40% der Infizierten der Fall.

Was das Virus weckt ...

... ist ganz verschieden. Besonders gefährdet sind immunsuppressive Patienten. Außerdem werden folgende Faktoren mit einer Reaktivierung in Zusammenhang gebracht:

  • Hautreizungen und starke Sonneneinstrahlung (nicht umsonst wird der Lippenherpes auch als Gletscherbrand bezeichnet),
  • Reizung des Ganglions, beispielsweise durch einen zahnärztlichen Eingriff,
  • hormonelle Schwankungen; so tritt Lippenherpes bei manchen Frauen prämenstruell oder mit Beginn der Menstruation auf. Auch während der Schwangerschaft kann Herpes labialis häufiger sein.
  • psychische Faktoren.

Insgesamt reduziert sich die Häufigkeit der Episoden mit zunehmendem Alter – obwohl mit dem Alter die Immunkompetenz abnimmt. So leiden Frauen in der Postmenopause seltener unter den lästigen Bläschen an der Lippe. Weshalb das so ist, ist noch weitgehend unklar.

Leidensdruck steigt, Lebensqualität sinkt

Das klinische Bild ist den Patienten bestens bekannt. Nach den Prodromi kommt es zur Bläschenbildung auf gerötetem Grund. Sie ulcerieren und es entsteht zunächst eine weiche, dann harte Kruste. Manche Patienten entwickeln Fieber und eine Lymphknotenschwellung. Bei immunkompetenten Menschen ist die Infektion selbstlimitierend. Unbehandelt heilen die Bläschen im Durchschnitt innerhalb von sieben Tagen (fünf bis 15 Tagen) ab. Der Leidensdruck ist dennoch oft immens, die Lebensqualität eingeschränkt. Auch beruflich kann die Infektion problematisch werden. So können beispielsweise Krankenschwestern auf einer onkologischen Station während dieser Zeit nicht arbeiten. Unangenehm sind die Bläschen auch für alle, die direkten Kundenkontakt haben.

Virustatische Wirksamkeit belegt

Standardtherapie bei Lippenherpes ist seit vielen Jahren die topische Applikation von Aciclovir. Die in klinischen Studien nachgewiesene Wirkung wird jedoch widersprüchlich beurteilt. Als Alternative wurde 1996 das Virustatikum Penciclovir zugelassen. Jetzt steht es als Fenistil® Pencivir bei Lippenherpes auch für die Selbstmedikation zur Verfügung. Penciclovir hat den gleichen Wirkmechanismus wie Aciclovir, allerdings eine deutlich längere Halbwertszeit (10 bis 20 Stunden versus 0,7 bis 1 Stunde) mit höheren Wirkstoffkonzentrationen in der Zelle. Vermutet wird, dass aus der besseren intrazellulären Stabilität pharmakologische Vorteile resultieren.

In einer groß angelegten randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindstudie, die mehr als 4500 Patienten mit rezidivierendem Herpes labialis einschloss, konnte die virustatische Wirksamkeit von Penciclovir zweifelsfrei belegt werden. Patienten, die mit Beginn der Prodromi regelmäßig 1%ige Peniclovir-Creme applizierten, verloren die Herpes-Läsionen um 31% schneller als Patienten, die nur die Salbengrundlage auftrugen. Schmerzfreiheit wurde um 28% schneller erreicht.

Auch bei ersten Bläschen wirksam

Der beste Effekt wird erreicht, wenn die Therapie bei den ersten Anzeichen begonnen wird. Patienten mit rezidivierender Symptomatik sollten die virustatische Creme deshalb vorrätig halten. Ein Head-to-Head-Vergleich zwischen Aciclovir und Penciclovir bei 40 Patienten zeigte jedoch, dass Penciclovir-Creme im Gegensatz zu Aciclovir-Creme auch dann noch wirkt, wenn sich erste Bläschen gebildet haben. Wurde die Creme sofort aufgetragen, erreichten die Patienten unter Penciclovir das Krustenstadium bereits nach vier Tagen, unter Aciclovir erst nach sechs Tagen.

Penciclovirpatienten waren zudem einen Tag früher schmerzfrei. Waren die Bläschen bei Beginn der Behandlung bereits vorhanden, zeigte Aciclovir keine Wirkung mehr. Unter Penciclovir reduzierte sich dagegen die Dauer bis zur Krustenbildung um 30%, bis zur Schmerzfreiheit um 20%. Die Verträglichkeit war in den klinischen Studien gut. Gelegentliche Hautirritationen sind möglich. Ein direkter Vergleich von Penciclovir 5% mit Aciclovir 5% an Gesunden weist auf ein geringeres Irritationspotenzial hin. Ein Sensibilisierungspotenzial besteht nicht. Resistenzprobleme traten nicht auf. Systemische Nebenwirkungen sind nicht zu befürchten, da das Virustatikum in Plasma und Urin nicht messbar ist.

Nützlich: zusätzliche Tipps

Neben dem Verkauf einer wirksamen virustatischen Creme können Sie Ihren Patienten noch einige konkrete Tipps auf den Weg geben. So sollte auf verstärkte Hygiene geachtet werden. Die Zahnbürste ist nach Abklingen der Infektion zu wechseln, beim Umgang mit Kontaktlinsen ist besondere Vorsicht geboten. Kontaktpersonen sollten vor einer Infektion geschützt werden. Das gilt insbesondere für Säuglinge (Herpesenzephalitis!) und Schwangere. Protektiv wirkt ein effektiver Schutz der Lippen vor Sonneneinstrahlung und insgesamt eine Stärkung des Immunsystems. Denn starke Abwehrkräfte sind eher in der Lage, die Viren dorthin zu verbannen wo sie hergekommen sind, nämlich aus den neuronalen Ganglien.

Dr. Beate Fessler, München

Quelle

Priv.-Doz. Dr. Monika-Hildegard Schmidt- Wendtner, Bonn; Prof. Dr. Hans-Christian Korting, München: Pressekonferenz „Lippenherpes – ein leidvolles Thema“, München, 23. Juni 2005, veranstaltet von der Novartis Consumer Healthcare GmbH, München.

Lippenherpes: Wann zum Arzt?

Bei Lippenherpes ist die Selbstmedikation mit einem Virustatikum meist ausreichend. In manchen Fällen ist ein Arztbesuch aber unabdingbar, und zwar

  • bei immunsupprimierten Patienten,
  • bei einer Beteiligung der Augen,
  • bei einer bakteriellen Superinfektion,
  • bei häufigen Rezidiven: Bei Patienten, die mehr als sechs Episoden innerhalb eines Jahrs durchmachen, sollte eine systemische antivirale Prophylaxe überlegt werden.

Zitat Eine ganze Reihe von Aciclovir-Generika wirkt nicht besser als die Creme allein. Prof. Dr. Hans-Christian Korting

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