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Vom Sinn oder Unsinn von Hausarztverträgen
Knapp drei Monate nach dem Start haben sich bereits mehr als 800.000 Versicherte in den Vertrag zur Integrierten Versorgung durch Hausärzte und Hausapotheker der Barmer Ersatzkasse eingeschrieben. Ein Riesenerfolg also. In fast allen KVen gibt es Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung. Auch da ist der Zulauf enorm. Ist damit das Hausarztmodell die Versorgungsform der Zukunft?
Diese Frage kann momentan niemand beantworten. Der enorm hohe Zulauf seitens der Versicherten ist dadurch zu erklären, dass sie einen finanziellen Vorteil durch die Einschreibung in ein Hausarztprogramm erhalten. Sie sparen pro Jahr höchstens 30 Euro dadurch, dass für sie die Praxisgebühr nur einmal fällig wird. Dafür verpflichten sich die Versicherten, immer zuerst ihren Hausarzt aufzusuchen. Ob diese drastische Einschränkung der freien Arztwahl (einen Facharzt darf der Versicherte nur aufsuchen, wenn der Hausarzt ihn überwiesen hat; ein Wechsel des Hausarztes ist nur eingeschränkt möglich) dauerhaft akzeptiert wird, ist aus meiner Sicht fraglich. Die Teilnahme ist freiwillig, jeder Versicherte kann jederzeit wieder aussteigen.
Auch viele Hausärzte erklären ihre Teilnahme an den Programmen. Das ist sehr verständlich, denn die Versicherten fragen danach, sie wollen die Chance auf den Bonus wahren. Der alleine darf aber für die Entscheidung nicht ausschlaggebend sein: Integrationsverträge und hausarztzentrierte Versorgung müssen evaluiert werden. Bonuszahlungen dürfen laut Gesetz auch nur dann gezahlt werden, wenn diese durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen finanziert werden. Außerdem hat jeder Versicherte ein Recht darauf zu wissen, ob ein bestimmtes Programm tatsächlich eine bessere Qualität bringt. Nur dann nämlich macht das Ganze Sinn.
Hinzu kommt noch eins: Vertragsärzte behandeln Patienten aus vielen unterschiedlichen Kassen. Wenn nun jede dieser Kassen einen eigenen Vertrag auflegt (es gibt davon immerhin noch ungefähr 280!) hätte der Arzt nichts anderes mehr zu tun, als zu prüfen: habe ich mit der Kasse dieses Patienten einen Vertrag, wie sieht der aus, welche Dinge muss ich besonders berücksichtigen? Es leuchtet jedem ein, dass das auf gar keinen Fall geht. Genau das droht aber.
Denn im Wettbewerb der Krankenkassen untereinander wird keine auf ein für Versicherte zunächst attraktives Angebot verzichten können. Soll also wirklich jeder qualifizierte Hausarzt dreißig, vierzig solcher Verträge, die unterschiedlich sind und auch sein müssen, managen? Dass dann wesentlich mehr Zeit für die Bürokratie draufgeht als für die Behandlung der Patienten, wäre gar nicht zu vermeiden. Und das kann ja nicht Ziel sein.
Die logische Konsequenz heißt: der Kollektivvertrag muss erhalten bleiben. Er muss aber im Hinblick auf eine stärkere Ausrichtung auf die spezifischen Probleme der Patienten modernisiert werden. Eine sinnvolle Lösung ist es daher, hausarztzentrierte Programme nach § 73 b SGB V oder besondere Versorgungsaufträge nach § 73 c SGB V zwischen KVen und Krankenkassen oder Landesverbänden von Krankenkassen zu vereinbaren. Das Vertragsmanagement übernimmt dann die KV für den Arzt. Die Einhaltung besonderer Qualitätsvoraussetzung prüft die KV, ebenso wie die Abrechnung zusätzlicher Vergütungen für diese besondere Qualität.
Der Vorteil dieser Differenzierung auf kollektivvertraglicher Basis: Patienten mit besonderen Bedürfnissen oder bestimmten Erkrankungen können darauf abgestimmte Angebote wählen. Davon können alle profitieren. Deswegen werden KBV und KVen sinnvolle Zusatzverträge fördern. Eine unübersichtliche Flut von Einzelverträgen würde Patienten und Ärzte überfordern, wegen der notwendigen Bürokratie enorm viel Geld kosten und den Zweck der Versorgungsverbesserung entweder nicht oder nur in wenigen Fällen erreichen.
Andreas Köhler
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