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Arzneimittel und Therapie
Tipranavir: Der Resistenz ein Schnippchen schlagen
Über einige Jahre schien sich die Situation für HIV-Infizierte zu entspannen. Heilung war zwar mit den zur Verfügung stehenden Medikamenten nicht möglich, und die Nebenwirkungen sind nicht unerheblich. Doch die Infektion schien im Griff.
Probleme der Langzeittherapie
Nun zeigen sich hingegen immer mehr die Probleme der Langzeittherapie: mangelnde Compliance, Toxizität und, allen voran, die problematische Resistenzsituation. Für eine immer größere Zahl von HIV-Patienten stehen aufgrund bestehender Resistenzen keine Medikamente mehr zur Verfügung. Verschärft wird die Lage durch das Problem der Kreuzresistenzen, und zwar sowohl bei Nukleosidanaloga als auch bei Proteaseinhibitoren (PI). Die Hoffnungen richten sich deshalb einerseits auf neue Therapieansätze wie etwa Integrase- und Fusionsinhibitoren. Andererseits wird auch daran gearbeitet, innovative Substanzen bekannter Wirkstoffgruppen zu entwickeln, die auch bei kreuzresistenten Viren noch wirken.
Tripranavir vor der Zulassung
Gelungen ist dies mit dem neuen nicht-peptidischen Proteaseinhibitor Tipranavir, der nach den Angaben auf einer Pressekonferenz der Firma Boehringer Ingelheim jetzt kurz vor der Zulassung steht. Er greift auch dann noch, wenn die HI-Viren gegen die anderen verfügbaren Proteaseinhibitoren resistent sind. Selbst bei Schlüsselmutationen behält der PI seine Wirksamkeit. Wissenschaftlicher Beleg sind die Ergebnisse der zulassungsrelevanten Phase-III-Studien RESIST 1 und RESIST 2 (randomized evaluation of strategic intervention in multi-drug resistant patients with tipranavir).
Beleg der Effektivität: RESIST 1 und 2
Die RESIST-1-Studie wurde bei 620 therapieerfahrenen HIV-Infizierten in USA, Kanada und Australien durchgeführt, die RESIST-2-Studie mit 863 therapieerfahrenen Patienten in Europa und Lateinamerika. Verglichen wurde jeweils der Effekt von Tipranavir mit derzeit zur Verfügung stehenden Proteaseinhibitoren vorbehandelten Patienten, bei denen unter der Therapie mit einem Proteaseinhibitor die Viruslast wieder anstieg und die eine nachweisbare Resistenz gegenüber verfügbaren Proteaseinhibitoren entwickelt hatten. Vergleichs-Proteaseinhibitoren waren Lopinavir, Saquinavir, Amprenavir und Indinavir.
Zunächst die Daten der europäischen Studie: Die Patienten aus RESIST 2 waren durchschnittlich mit elf antiretroviralen Medikamenten vorbehandelt. Bei Einschluss in die Studie lag die Viruslast unter dem aktuellen Regime bei mindestens 1000 Kopien/ml. Behandelt wurde randomisiert entweder mit geboostertem Tipranavir (Tripanavir plus niedrig dosiertes Ritonavir; Tripanavir) oder einem Regime aus derzeit verfügbaren geboosterten PIs.
Ein Therapieerfolg, definiert als Rückgang der Viruslast um 1 log10 innerhalb von 24 Wochen, wurde unter Tripanavir bei 41 Prozent der Patienten erreicht, in der Vergleichsgruppe lediglich bei 14,9 Prozent (p<0,001). Unter Tipranavir wurde zudem bei deutlich mehr HIV-Infizierten eine Viruslastron von unter 400 Kopien/ml (33,6% versus 13,1%) sowie eine Viruslast unter 50 Kopien/ml (22,5% versus 8,6%) erreicht. Außerdem kam es bei Patienten unter Tripanavir zu einer stärkeren Erhöhung der CD4+-Zellzahl (31 Zellen/m3 versus 1 Zelle/m3).
Deutliche Reduktion
der Viruslast Die Ergebnisse der RESIST-1-Studie, in der die Patienten im Mittel mit zwölf Medikamenten vorbehandelt waren, waren ähnlich: Eine Reduktion der Viruslast um 1 log10 innerhalb von 24 Wochen wurde bei 41,5 Prozent gegenüber 22,3 Prozent der Patienten erreicht, eine Viruslast von weniger als 400 Kopien/ml bei 34,7 Prozent gegenüber16,5 Prozent der Patienten. Die CD4+-Zellzahl stieg um 36 Zellen/µl gegenüber 6 Zellen/µl an.
Experten wie Dr. Charles Hicks, Associate Professor of Medicine in der Abteilung für Infektionskrankheiten am Duke University Medical Center schließen aus diesen Daten, dass mit Tipranavir die Möglichkeit einer verbesserten Behandlung von multipel vorbehandelten oder mit einer Vielzahl von Medikamenten behandelten Patienten gegeben ist. RESIST-2 prüfte zusätzlich in einer kleinen Subgruppe den Effekt von Enfurvitid als Teil des Behandlungsregimes. Bei diesen Patienten war das Immunsystem insgesamt stärker beeinträchtigt. Hier erreichten 38,5 Prozent unter Tripanavir und 13 Prozent unter dem Vergleichsregime einen Rückgang der Kopien auf unter 400/ml.
Nebenwirkungen zwingen nur sehr selten zum Abbruch
Zum Schluss noch ein Wort zu den Nebenwirkungen: Das Nebenwirkungsspektrum von Tipranavir ist dem anderer PIs vergleichbar. So treten vor allem Durchfall, Übelkeit, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Erbrechen auf. Unter Tipranavir stiegen jedoch die Leberenzymwerte häufiger deutlich an als unter den Vergleichsregimes, ebenso die Triglyzerid- und Cholesterinspiegel. Die Mehrzahl der Patienten konnte dennoch erfolgreich weiterbehandelt werden. So mussten in der RESIST-2-Studie nur 1,4 Prozent der Patienten die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen abbrechen.
Dr. Beate Fessler, München
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