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Arzneimittel und Therapie
Nitisinon zur Behandlung der Tyrosinämie
Die Tyrosinämie vom Typ 1 ist ein autosomal-rezessiv vererbter Defekt des Tyrosin-Stoffwechsels. Die Erkrankung tritt nur selten auf: In Deutschland ist einer von 100.000 Menschen betroffen.
Enzym zum
Tyrosinabbau fehlt
Bei den Erkrankten ist von Geburt an die Bildung des Enzyms Fumarylacetoacetase gestört, des letzten Enzyms im Tyrosinabbau. Tyrosin gelangt mit der Nahrung in den Körper oder wird im Aminosäuren-Stoffwechsel aus Phenylalanin gebildet. Normalerweise wird Tyrosin in der Leber und in den Nieren abgebaut.
Durch den Enzymmangel bei der Typ-1-Tyrosinämie reichern sich die toxischen Metaboliten Fumarylacetoacetat, Maleylacetoacetat und Succinylaceton im Organismus an und schädigen Leber, Nieren und peripheres Nervensystem. Als Folge versagt oft schon im ersten Lebensjahr die Leber. Bei langsamerem, chronischem Verlauf kommt es zur Leberzirrhose und häufig zum hepatozellulären Karzinom. Die Betroffenen sterben in der späten Kindheit. Früher war eine Lebertransplantation die einzige Möglichkeit, das Leben der Erkrankten zu retten.
Hemmung des Tyrosinabbaus
Nitisinon (NTBC, 2-(2-Nitro-4-trifluoromethylbenzoyl)-1,3-zyklohexandion) hemmt den Abbau von Tyrosin und verhindert, dass die toxischen Metaboliten anfallen. Nitisinon hemmt die 4-Hydroxyphenylpyruvatdioxygenase. Dieses Enzym geht beim Tyrosinabbau der Fumarylacetoacetathydrolase voraus. Dadurch verhindert Nitisinon die Kumulation der toxischen Metabolite Succinylaceton und Succinylacetoacetat. Succinylaceton hemmt die Porphyrinsynthese, wodurch es bei den Erkrankten zur Anhäufung von 5-Aminolaevulinat kommt.
Lebenslang tyrosinarme Diät einhalten
Die Nitisinondosis sollte individuell angepasst werden. Die empfohlene Initialdosis beträgt 1 mg/kg Körpergewicht/Tag in zwei verteilten oralen Dosen. Die Kapsel kann geöffnet und der Inhalt vor der Einnahme in einer geringen Menge Wasser oder Diätflüssigkeit suspendiert werden.
Unter der Behandlung mit Nitisinon erhöht sich die Tyrosinkonzentration in den Körperflüssigkeiten. Deshalb müssen die Patienten eine an Tyrosin arme Diät einhalten, wahrscheinlich lebenslang. Unter dieser Behandlung verbessert sich die Prognose deutlich. Im Vergleich mit Daten für historische Kontrollen leben die Erkrankten durch die Nitisinonbehandlung in Verbindung mit Ernährungseinschränkungen länger.
Verringertes Krebsrisiko
Die Nitisinonbehandlung verringert außerdem das Risiko für Leberzellkarzinome (im Vergleich mit historischen Daten über die ausschließliche Behandlung mit Ernährungseinschränkungen) um das 2,3-bis 3,7-fache. Durch die frühzeitige Einleitung der Behandlung konnte das Risiko für die Entstehung von Leberzellkarzinomen weiter verringert werden (um das 13,5-fache bei Einleitung der Behandlung vor Ablauf des ersten Lebensjahres).
Häufige Nebenwirkungen der Therapie waren Thrombozytopenie, Leukopenie, Granulozytopenie sowie Konjunktivitis, Hornhauttrübung, Keratitis, Lichtscheu und Augenschmerzen. Die Nitisinonbehandlung geht mit erhöhten Tyrosinkonzentrationen einher. Diese wurden mit Hornhauttrübungen und Hyperkeratose-Läsionen in Verbindung gebracht. Eine eingeschränkte Aufnahme von Tyrosin und Phenylalanin mit der Ernährung sollte die mit dieser Art von Tyrosinämie assoziierten Nebenwirkungen beschränken.
Da Nitisinon in vitro durch CYP3A4 metabolisiert wird, kann eine Dosisanpassung erforderlich sein, wenn Nitisinon gleichzeitig mit Inhibitoren oder Induktoren dieses Enzyms angewendet wird. Auf der Grundlage von In-vitro-Studien ist nicht zu erwarten, dass Nitisinon den durch CYP 1A2, 2C9, 2C19, 2D6, 2E1 oder 3A4 vermittelten Metabolismus hemmt.
Nitisinon wurde in den klinischen Prüfungen mit Mahlzeiten verabreicht. Daher wird empfohlen, dass dies bei Einleitung der Nitisinonbehandlung auch routinemäßig weitergeführt wird. hel
Steckbrief: Nitisinon Handelsname/Hersteller: Orfadin 2/-5/-10 mg Hartkapseln (Orphan Europe, Dietzenbach)
Einführungsdatum: 1. April 2005
Zusammensetzung: Jede Kapsel enthält 2-/5-/10 mg Nitisinon. Sonstige Bestandteile: Kapselinhalt: vorgelatinisierte Stärke (Mais). Kapselhülle: Gelatine, Titandioxid (E 171). Aufdruck: Antischaummittel, Eisen(II,III)-oxid (E 172), Schellack, Sojalecithin.
Packungsgrößen, Preise und PZN: Orfadin 2 mg: 60 Hartkapseln, Euro 1144,46. Orfadin 5 mg: 60 Hartkapseln, Euro 2267,57, PZN 4473965; Orfadin 10 mg: 60 Hartkapseln, Euro 4047,82, PZN 4473994.
Stoffklasse: Enzyminhibitoren, Präparate bei Enzymmangel und Transportproteine
Indikation: Zur Behandlung von Patienten mit angeborener Tyrosinämie Typ 1 (HT-1) in Kombination mit eingeschränkter Aufnahme von Tyrosin und Phenylalanin in der Nahrung.
Dosierung: Die empfohlene Initialdosis beträgt 1 mg/kg Körpergewicht/Tag in zwei verteilten oralen Dosen. Ist ein Monat nach Einsetzen der Nitisinonbehandlung noch immer Succinylaceton im Urin nachweisbar, sollte die Nitisinondosis auf 1,5 mg/kg Körpergewicht/Tag in zwei verteilten Dosen erhöht werden. Eine Dosis von 2 mg/kg Körpergewicht/Tag kann erforderlich sein, wenn die Auswertung aller biochemischer Parameter dies nahelegt. Diese Dosis sollte als Maximaldosis für alle Patienten betrachtet werden.
Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den arzneilich wirksamen Bestandteil oder einen der sonstigen Bestandteile. Mit Nitisinon behandelte Mütter dürfen nicht stillen.
Nebenwirkungen: Thrombozytopenie, Leukopenie, Granulozytopenie; Konjunktivitis, Hornhauttrübung, Keratitis, Photophobie (Lichtscheu), Augenschmerzen
Wechselwirkungen: Da Nitisinon in vitro durch CYP3A4 metabolisiert wird, kann eine Dosisanpassung erforderlich sein, wenn Nitisinon gleichzeitig mit Inhibitoren oder Induktoren dieses Enzyms angewendet wird.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Patienten, die während der Nitisinonbehandlung Sehstörungen aufweisen, müssen unverzüglich von einem Augenarzt untersucht werden. Die Leberfunktion muss regelmäßig überwacht werden. Außerdem wird eine Überwachung des Alpha-Fetoprotein-Serumspiegels empfohlen. Eine regelmäßige Überwachung der Thrombozyten und Leukozyten wird empfohlen.
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