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Arzneimittel und Therapie
Neues Osteoporosemittel: Strontiumranelat stabilisiert den Knochen
Strontiumranelat steigert in vitro sowohl den Knochenaufbau in Knochengewebekulturen als auch die Replikation der Präosteoblasten und die Kollagensynthese. Außerdem hemmt es die Knochenresorption, indem es die Osteoklastendifferenzierung und deren Resorptionsaktivität vermindert. Bei Ratten erhöht Strontiumranelat die trabekuläre Knochensubstanz, die Trabekelanzahl und -dicke, was zu einer Erhöhung der Knochenfestigkeit führt. Im Knochengewebe behandelter Tiere und Menschen wird Strontium größtenteils auf der Apatit-Oberfläche adsorbiert und ersetzt nur geringfügig das Calcium im Apatitkristall des neu gebildeten Knochens. Strontiumranelat verändert die Eigenschaften des Apatitkristalls nicht, Knochenqualität oder Mineralisierung werden nicht beeinträchtigt.
Insgesamt wird das Gleichgewicht des Knochenumsatzes neu eingestellt und mehr Knochen aufgebaut. Der Knochen wird insgesamt widerstandsfähiger, erhält aber gleichzeitig seine Elastizität und wird normal mineralisiert. Untersuchungen von Knochenbiopsien nach dreijähriger Einnahme von Strontiumranelat zeigen einen lamellären Knochen mit vollständig intakter Mineralisation. Da Strontium in den Apatitkristall des neugebildeten Knochen eingebaut wird, können die Messungen von Knochenmineralgehalt und -dichte mit dualer Röntgen-Absorptiometrie beeinträchtigt werden.
Einmal täglich 2 g
Strontiumralenat wird einmal täglich in einer Dosis von 2 g, als Granulat in Wasser suspendiert, eingenommen. Die absolute Bioverfügbarkeit von Strontium beträgt etwa 25%, maximale Plasmakonzentrationen werden nach drei bis fünf Stunden erreicht. Da Nahrung, vor allem Calcium, die Resorption beeinträchtigt, sollten die Patientinnen das Mittel mindestens zwei Stunden nach dem Essen, wegen der langsamen Resorption möglichst vor dem Zubettgehen einnehmen. Zusätzlich sollten die Patientinnen täglich Vitamin D und Calcium erhalten, wenn die Aufnahme durch die Nahrung unzureichend ist. Strontium wird nicht metabolisiert und mit einer Halbwertszeit von zirka 60 Stunden über die Nieren und mit den Fäzes ausgeschieden.
Therapie der Osteoporose
Zusätzlich zur Basistherapie mit Calcium und Vitamin D gelten heute zur Knochenstabilisierung bei Osteoporose die Bisphosphonate Alendronat (Fosamax®, entweder 10 mg pro Tag oder 70 mg einmal wöchentlich) oder Risedronat (Actonel®, täglich 5 mg oder 35 mg einmal wöchentlich) und der selektive Estrogen-Rezeptor-Modulator Raloxifen in einer Dosierung von 60 mg pro Tag (Evista®) als Mittel der ersten Wahl. Mit diesen Substanzen lässt sich die Rate an Wirbelfrakturen im Vergleich zu Plazebo halbieren und die Rate nicht-vertebraler Frakturen deutlich senken. Dabei nützt die Einnahme auch langfristig.
Als Alternative für Patienten, die diese Arzneimittel nicht vertragen, wurden bisher Etidronat, Calcitonin-Spray, Alfacalcidol, Natrium-Monofluorophosphat sowie Natriumfluorid in Retardform empfohlen.
Jetzt stehen zwei neue Wirkstoffe gegen Osteoporose zur Verfügung: Strontiumranelat (Protelos®) seit Mitte Oktober 2004 und das Parathormonfragment Teriparatid (Forsteo®) seit Ende 2003. Teriparatid hat unter anderem in einer Studie mit 1637 Frauen in der Postmenopause, bei denen es bereits zu Osteoporose-bedingten Frakturen gekommen war, die Häufigkeit von vertebralen und nicht-vertebralen Frakturen im Vergleich zu Plazebo signifikant verringert. Strontiumranelat hemmt den Knochenabbau und steigert außerdem den Knochenaufbau. In einer Phase-III-Studie verringerte die neue Substanz die Rate neuer Wirbelbrüche um 41 Prozent.
Weniger Knochenbrüche
Strontiumranelat wurde in zwei multizentrischen Doppelblindstudien getestet, in denen postmenopausale Patientinnen randomisiert jeweils 2 g Verum pro Tag oder Plazebo zusätzlich zu einem individuellen Supplement aus Calcium und Vitamin D erhielten. In der SOTI-Studie (Spinal Osteoporosis Therapeutic Intervention) mit 1649 Frauen konnte Strontiumranelat über einen Behandlungszeitraum von zwei Jahren das relative Risiko für eine erneute vertebrale Fraktur um 41% reduzieren und die Knochenmineraldichte um 8% am Lendenwirbel und um 5,1% am Oberschenkelhals erhöhen.
In der dreijährigen TROPOS-Studie (Treatment Of Peripheral Osteoporosis) an 5091 postmenopausalen Frauen mit niedriger Knochendichte am Oberschenkelhals, von denen mehr als die Hälfte bereits eine osteoporotische Fraktur erlitten hatten, senkte Strontiumranelat das relative Risiko für periphere Frakturen um 16%. Besonders günstig sind die Resultate beim Schutz vor peripheren Frakturen bei älteren Frauen: Bei Frauen ab dem 74. Lebensjahr traten Schenkelhalsfrakturen nach drei Jahren Strontium-Therapie um 36% seltener auf als in der Plazebogruppe.
Auch bei Frauen über achtzig Jahren ist für das neue Medikament eine klinische Wirksamkeit sowohl für vertebrale als auch für nonvertebrale Frakturen belegt. Beide Frakturarten waren bei Behandlung mit zwei Gramm Strontiumranelat täglich um etwa ein Drittel seltener als in der Plazebogruppe.
Häufigste Nebenwirkungen: Diarrhö und Übelkeit
In den Studien wurde Strontiumranelat gut vertragen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Übelkeit und Diarrhö, welche hauptsächlich bei Behandlungsbeginn auftraten, zudem Kopfschmerzen, Dermatitis und Ekzeme. Allerdings wurden unter der Therapie vermehrt venöse Thromboembolien beobachtet, weshalb es bei Patientinnen mit einem erhöhten Thromboserisiko mit Vorsicht angewandt werden sollte. Für Frauen mit schwerer Niereninsuffizienz wird das Präparat nicht empfohlen.
Steckbrief: Strontiumranelat
Handelsname/Hersteller: Protelos (Servier Deutschland, München)
Einführungsdatum: 15. Oktober 2004
Zusammensetzung: Jeder Beutel enthält 2 g Ranelinsäure, Distrontiumsalz. Sonstige Bestandteile: Aspartam (E 951), Maltodextrin, Mannitol (Ph.Eur., E 421).
Packungsgrößen, Preise und PZN: 14 Beutel, Euro 30,88, PZN 3702895; 28 Beutel, Euro 51,24, PZN 3702903; 84 Beutel, Euro 124,04, PZN 3702926
Stoffklasse: Osteoporosemittel/Calciumstoffwechselregulatoren
Indikation: Zur Behandlung der postmenopausalen Osteoporose zur Reduktion des Risikos von Wirbelsäulen- und Hüftfrakturen
Dosierung: einmal täglich ein Beutel Protelos® 2 g vor dem Zubettgehen.
Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den arzneilich wirksamen Bestandteil oder einen der sonstigen Bestandteile.
Nebenwirkungen: Kopfschmerzen, Bewusstseinsstörungen, Gedächtnisschwund, Krampfanfälle; Übelkeit, Diarrhö, dünner Stuhl; Dermatitis, Ekzeme; vorübergehende Erhöhungen der Kreatininkinase(CK)aktivität.
Wechselwirkungen: Nahrung, Milch und Milchprodukte sowie calciumhaltige Arzneimittel können die Bioverfügbarkeit von Strontiumranelat um bis zu 60 bis 70% reduzieren. Antazida sollten möglichst mindestens zwei Stunden nach Protelos®-Gabe eingenommen werden. Wenn jedoch dieses Dosisregime infolge der empfohlenen Einnahme vor dem Zubettgehen nicht praktikabel erscheint, ist auch die gleichzeitige Einnahme möglich. Da zweiwertige Kationen gastrointestinal einen Komplex mit oralen Tetracyclinen und Chinolonen bilden können und so deren Resorption verringern, wird eine gleichzeitige Einnahme von Strontiumranelat mit diesen Arzneimitteln nicht empfohlen.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Protelos® wird für Patientinnen mit einer Kreatininclearance unter 30 ml/Minute nicht empfohlen. Bei Patientinnen mit chronischer Niereninsuffizienz ist eine Kontrolle der Nierenfunktion in regelmäßigen Abständen angezeigt. Protelos® sollte bei Patientinnen mit erhöhtem Risiko für Venenthrombosen, auch in der Vorgeschichte, mit Vorsicht angewendet werden.
Quelle
Meunier PJ, Roux C, Seeman E, et al. The effects of strontium ranelate on the risk of vertebral fracture in women with postmenopausal osteoporosis. N Engl J Med 2004; 350:459 – 468.
Fuleihan GEH. Strontium ranelate – a novel therapy for osteoporosis or a permutation of the same? N Engl J Med 2004; 350:504 – 506.
Reginster JY, Sawicki A, Devogelaer JP, et al. Strontium ranelate reduces the risk of hip fracture in women with postmenopausal osteoporosis. Osteoporos Int 2002; 13(Suppl 3):abstract S14.
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