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"Apotheker ohne Grenzen" in Buenos Aires
Wenn sie aus Deutschland kommt, dann muss sie möglichst unauffällig ins Viertel am Rande von Buenos Aires einziehen: "Räuber und andere dunkle Gestalten denken automatisch, die Deutsche hat Geld!" erzählt die Pharmazeutin. Trotz ihrer Vorsicht ist sie schon mal am helllichten Tag überfallen worden: "Leider passiert das im Bajo sehr oft", sagt Carina, "meistens sind es Drogenabhängige oder kleine Gangster, die einfach nur Geld wollen!" Gewalt als Folge der dramatischen Verarmung der ehemaligen Mittelschicht Argentiniens: Seit 1999 stürzten die Bürger aufgrund der Staatsverschuldung und Misswirtschaft ins Bodenlose.
Heute haben viele nicht mal das Geld, sich einen Arztbesuch oder Arzneimittel zu leisten. Sie ernähren sich schlecht und einseitig, haben Übergewicht, Zucker und kaputte Zähne, die Kinder sind viel zu klein und zu leicht für ihr Alter, es fehlt ihnen an Eisen, die Menschen sind anämisch. 15.000 Menschen gehören zum Einzugsbereich der "San Pantaleon"-Apotheke, ein Drittel davon ist extrem arm. Die Wohnverhältnisse sind zum Teil katastrophal, offene Abwasserkanäle fließen zwischen den schäbigen Häusern des Viertels dahin. Um die 150 Euro beträgt der monatliche Durchschnittsverdienst, das reicht manchmal nicht, um eine Gasflasche fürs Kochen zu bezahlen.
"Im Jahr 2002 haben wir in Buenos Aires angefangen", berichtet Carina Vetye-Maler, "bis dahin gab es zwar ein Krankenhaus, aber keine Medikamente und die Patienten konnten nicht richtig therapiert werden." Aufgrund der Hilfe von "Apotheker ohne Grenzen" gibt es seitdem wenigstens genug Arzneimittel für Dauerpatienten mit den erwähnten chronischen Leiden. Auch Notfälle und Mütter mit Kindern bekommen von Carina und ihren argentinischen Kollegen die nötigen Präparate. Medikamente reicht Carina nur gegen Rezept durch das vergitterte Fenster: "Das kostet nichts, wir verlangen nur einen symbolischen Peso – aber nicht mal den kann jeder bezahlen!"
Carina und ihr Team arbeiten ohne Honorar in dem knapp acht Quadratmeter "großen" Apothekenraum, die Münchnerin ist für den Einkauf der Medikamente zuständig: "Ich kaufe bei argentinischen Herstellern ein", erzählt sie, "Klinikpackungen, die sind günstig, die Qualität ist okay!" Dabei kommen ihr ihre Sprachkenntnisse zugute: Apothekerin Vetye-Maler ist in Buenos Aires geboren, sie hat dort auch studiert, ihre Mutter lebt immer noch dort. Sie selbst hat 1988 Argentinien den Rücken gekehrt, mangels Perspektiven. Jetzt ist sie froh, als Mitglied von "Apotheker ohne Grenzen" ihren Landsleuten helfen zu können: "Zwei bis drei Monate pro Jahr bin ich Buenos Aires."
Die Erfolge ihrer Arbeit können sich sehen lassen: Viele chronisch Kranke können jetzt kontinuierlich auf gleich bleibendem Niveau versorgt werden. Notfälle enden nicht mehr in der gesundheitlichen Katastrophe, Schwangere und Kinder bekommen die nötige pharmazeutische Versorgung. Außerdem ist ein Zahnpflegeprogramm für Kinder initiiert worden: "Das mit den Zähnen ist besonders wichtig", weiß die Apothekerin, "viele kennen das Zähneputzen überhaupt nicht, haben ja nicht mal eine Zahnbürste!"
Die Apotheke kooperiert eng mit den Ärzten des angeschlossenen Hospitals, eine Krankenschwester kontrolliert seit Anfang des Jahres vor allem Bluthochdruck- und Diabetes-Patienten, die in die Apotheke kommen.
Alles läuft unter erschwerten Bedingungen: Die latent vorhandene Gefahr, überfallen oder auch gekidnappt zu werden, die Armut, die Angst, dass der Apothekenraum ausgeraubt wird, dazu das von Korruption geprägte politische Klima in Argentinien – "wir arbeiten immer im Grenzbereich!" stellt Carina Vetye-Maler nüchtern fest. Sicherheitshalber hat sie immer nur einen Monatsvorrat an Medikamenten in der "Farmacia San Pantaleon" gelagert, da ist der Verlust bei Diebstahl nicht so groß! Einen Computer gibt's nicht, der wäre in der nächsten Nacht weg!
Und außerhalb des Gesundheitszentrums San Pantaleon trägt Carina auch nie ihr weißes T-Shirt mit dem grünweißen Logo der "Apotheker ohne Grenzen": "Ich falle dann nicht so sehr auf, das ist sicherer!" Sicher ist: Die "Farmacia" müsste dringend erweitert und verbessert werden. Etwa 45.000 Euro sind dafür nötig – Spenden aus Deutschland werden also dankend angenommen! Bis es soweit ist, versucht die Apothekerin zwischen zwei Welten das Beste zu geben: Jetzt bei 35 Grad im schwülheißen Sommer von Buenos Aires genauso wie im klammkalten argentinischen Winter. "Jetzt freu ich mich auf Weihnachten, es wird gegrillt und die Geschenke liegen unterm künstlichen Baum mit den elektrischen Kerzen – für echte Kerzen aus Wachs ist es jetzt viel zu heiß!"
Vielleicht findet die Apothekerin mal Zeit für einen Bummel durchs berühmte Viertel "San Telmo", wo der Tango zu Hause ist. Dann wird sie besonders gut zuhören: "Ich spiele so gern beim Tango die Geige!" Vamos a bailar ...
"Apotheker ohne Grenzen" (AoG)
Knapp viereinhalb Jahre alt ist diese Apotheker-Hilfsorganisation. Derzeit besteht sie aus rund 300 Mitgliedern in Deutschland. Finanziert wird die Arbeit aus Mitgliedsbeiträgen, öffentlichen Zuschüssen und aus Spenden. AoG unterstützen Projekte in Argentinien, Mexiko, Rumänien, Moldawien und Tansania.
Weitere Informationen im Internet unter www.apotheker-ohne-grenzen.de und übers Telefon: (07 00) 26 42 64 00.
Spendenkonto: Deutsche Apotheker- und Ärztebank Frankfurt BLZ 500 906 07 Konto 50 77 591
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