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- DAZ 51/2004
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Die Seite 3
Vom Frust zur Zuversicht
Alte Köpfe – nur die alten Zöpfe? Neue Köpfe – neues Glück? So einfach ist es nicht. Personalien sind wichtig, aber sie sind nicht alles. Die Wahlen sind gelaufen – die Apotheker haben eine neue Spitze. Wie fast immer bei Wahlen mischen sich Weitsicht und Engstirnigkeit. Zur letzten Kategorie zählt, wie bei der Wahl zum ABDA-Gesamtvorstand die Vorsitzende der Arbeitnehmerorganisation Adexa regelrecht abgewatscht wurde. Sie bekam (obwohl ohne Gegenkandidat) nur eine knappe Mehrheit.
Angesichts der Gerichtsverfahren, in denen es nicht zuletzt darum geht, ob die angestellten Apotheker in der ABDA angemessen berücksichtigt werden, ist das nicht nur politisch ungeschickt; es ist instinktlos. Wie dem auch sei: Nach den Wahlen der Führungsspitze von ABDA, Deutschem Apothekerverband und Bundesapothekerkammer darf wieder gearbeitet werden. Energie nach außen, nicht für innen. Wolf, Schmidt, Keller, Linz, Schütte – was wir Apotheker brauchen, wo auch immer wir pharmazeutisch tätig sind: Anlass für weniger Frust und für mehr Zuversicht.
Frust – da fällt uns zuerst der Kanzler ein. Er lässt keine abwegige Gelegenheit aus, den Apothekern eins einzuschenken. Was haben wir dem Schröder getan? Steckt seine Doris dahinter? Sie wirbt mit dem Namen ihres Terriers für Rossmanns Holly-Hundezubehör und Hundefutter – für eine Drogeriekette, der Appetit aufs Apothekengeschäft nachgesagt wird. Ein Zufall? Oder wem sonst möchte der "Kanzler der Bosse" einen Gefallen tun? Sind Schröder die Apotheker zu klein(lich)? Selbst der gleichnamige BMGS-Staatssekretär, Ulla Schmidts bestes Pferd im Stall, winkt ab. Fremdbesitz und Ketten seien für die Regierung kein Thema. Für Ulla Schmidt wohl wirklich nicht – derzeit. Aber für den Kanzler? Und für Biggi Bender von den Grünen? Früher waren insbesondere die Grünen gegen die Konzerne; konsequent für klein, dezentral, bürgernah. Das war einmal. Ein Märchen aus uralten Zeiten?
Frust kann produktiv sein, wenn er schließlich doch zur Gegenwehr stimuliert. Die ist angebracht bei den vielen Versuchen, durch gezielte Rechtsbrüche – in Hoffnung auf lasche Reaktionen – zuerst die Lebens- und danach die Rechtswirklichkeit zu verändern. Kohlpharma und Verblisterung, Apotheken an der Kette von Franchisegebern, Versandhandel nach Muster der Zur Rose AG – das sind Stichworte, die immer wieder in diesem Zusammenhang genannt werden.
Aber es gibt auch Grund zur Zuversicht. Das Grüne Rezept ist ein Beispiel. Es ist gelungen, die Ärzte auch bei nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit im Boot zu halten. Trotzdem spüren wir Apotheker: Unsere Verantwortung nimmt durch die wachsende Bedeutung der Selbstmedikation zu. Hoffen wir, dass sich dies auch bei Testkäufen in Zukunft besser niederschlägt.
Ein anderes Beispiel, das Mut macht: Es sieht ganz so aus, dass der vorliegende Entwurf zur Änderung des Apothekengesetzes, als schnelle Reaktion auf ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gedacht, in der vorgelegten Form spätestens am Bundesrat scheitern wird. Die Kommission war deutschen Krankenhausketten auf den Leim gegangen. Die Kettenbetreiber störte, dass sie nach deutschem Recht ihre Krankenhäuser nur von Apotheken aus dem Kreis oder dem Nachbarkreis versorgen lassen können.
Weniger an pharmazeutischer Versorgung, dafür umso mehr an billiger Belieferung interessiert, brandmarkten sie die deutsche Regelung als Einschränkung des freien Warenverkehrs in Europa. Darauf mit einem Kniefall zu reagieren, wäre unangebracht. Die Belieferung aus Estland, Polen oder Zypern (oder wo es sonst gerade am billigsten ist), dazu die Sicherung der pharmazeutischen Standards durch einen lokalen Krankenhausapotheker, der als Beratungsonkel mitläuft – das macht wenig Sinn und wird auch nicht funktionieren.
Mit Blick auf eine anstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes könnte es gleichwohl sinnvoll sein, eine Lösung anzubieten. Dass zum Beispiel das Aachener Klinikum nur von Apotheken aus Aachen oder aus angrenzenden deutschen Kreisen versorgt werden darf, wird vor dem EuGH vor dem Hintergrund seiner bisherigen Rechtsprechung kaum Gnade finden. Warum sollen dafür im Dreiländereck nicht auch Apotheken aus Nachbarkreisen in Belgien oder den Niederlanden infrage kommen, sofern sie den deutschen gesetzlichen Standards genügen? Darüber kann man reden – auch wenn man (sinnvollerweise) strikt am Prinzip einer ortsnahen, regionalen Versorgung festhalten sollte.
Nach vorn denken, ohne Bewährtes aufzugeben – dafür könnte auch stehen, was als Hausapotheken-Modell mit der Barmer Ersatzkasse vereinbart wurde. Und dennoch bleiben Bedenken. Der Umfang und die Intensität der pharmazeutischen Betreuung durch unsere Apotheken muss sich daran ausrichten, was für den einzelnen Patienten notwendig, sinnvoll, nützlich ist. Welcher Krankenkasse er angehört, darf allenfalls ein nachgeordnetes Kriterium sein. Davon abzuweichen, ist ein Kulturbruch. Ähnlich wie bei der Integrierten Versorgung scheint mir auch das Hausapotheken-Modell noch nicht in allen Facetten und Konsequenzen durchdacht.
Stellen wir uns unserer Verantwortung! Das ist nicht immer bequem. Notdienst, Informieren und Beraten, trotz engerer Margen, der Einsatz qualifizierter Mitarbeiter in der Offizin, fundierte Fortbildung, Qualität bei Untersuchungen aus Blut, in der Rezeptur, im Labor – ein Abbau unseres Engagements, der Standards, der Anforderungen, denen wir uns stellen, wäre Wasser auf die Mühlen derer, die von außen in unseren Markt drängen. Wir können uns wehren. Aber wir müssen es wollen.
Mit den besten Wünschen der ganzen DAZ-Redaktion grüßt Sie zum Jahresausklang
Ihr Klaus G. Brauer
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