Arzneimittel und Therapie

Kleinwuchs bei Kindern: Eine Chance zu wahrer Größe

Als kleinwüchsig werden Menschen bezeichnet, deren Endgröße zwischen 70 und 150 cm liegt. In Deutschland leben zurzeit etwa 100.000 von ihnen, 450 Kleinwuchsformen sind bekannt. Einige lassen sich effektiv medikamentös behandeln, wenn sie rechtzeitig, das heißt vor Abschluss des Längenwachstums, diagnostiziert werden.

"Mein Kind ist halt ein Spätentwickler" – damit trösten sich viele Eltern, wenn ihre Kinder deutlich kleiner als ihre Altersgenossen sind. Doch nur bei einem Teil der kleinwüchsigen Kinder liegt eine konstitutionelle Entwicklungsverzögerung zugrunde, das heißt die biologische Reifung ist verzögert und die endgültige Körperlänge wird später als bei anderen Kindern erreicht.

Vielfältige Ursachen möglich

Bei einem weiteren Teil der Kinder handelt es sich um erblich bedingten familiären Kleinwuchs. Die Wachstumskurve verläuft dann etwas unterhalb, aber stets parallel zum Wachstum normal großer Kinder, eine Therapie ist nicht möglich. Beim hormonell bedingtem Kleinwuchs (etwa in 10% der Fälle) kann z.B. wegen einer Unterfunktion des Hypophysenvorderlappens ein Mangel an Somatropin bestehen (Häufigkeit etwa 1:4000 – 5000). Dieser kann von Geburt an vorhanden sein, aber prinzipiell in jedem Lebensalter auftreten. Weitere endokrine Ursachen für Kleinwuchs sind Hypothyreose, Cushing-Syndrom, Pseudohypoparathyreoidismus oder IGF-Mangel (IGF: insuline-like growth factor).

Die Ursachen für eine intrauterine Wachstumsverzögerung (auch als SGA, "small for gestational age" bezeichnet) können sehr vielseitig sein und entweder bei der Mutter (chronische Krankheiten, Medikamente, Rauchen, Alkoholkonsum), beim Kind (pränatale Infektionskrankheiten Mehrlingsgeburten) oder in der Funktion der Plazenta liegen. Häufig verläuft das Wachstum auch nach der Geburt weiterhin langsam.
 

Beratung in der Apotheke

Erster Ansprechpartner: Kinderarzt

  • überprüft anhand der Perzentilkurven im Vorsorgeheft den bisherigen Wachstumsverlauf
  • Anamnese sollte Fragen zu Schwangerschaft und Geburtsverlauf enthalten
  • nicht-endokrine, chronische Erkrankungen müssen ausgeschlossen werden
  • ggf. erfolgt Überweisung an pädiatrischen Endokrinologen Informationen für Eltern sind bei Beratungs- und Selbsthilfestellen (siehe Info-Kasten) erhältlich

Auch Skelettdysplasien (Entwicklungsstörungen des Skeletts) führen zu Wachstumsstörungen und darüber hinaus meist zu einer Verschiebung der Körperproportionen. Bei den chromosomal bedingten Wachstumsstörungen haben das Ulrich-Turner-Syndrom, das Down-Syndrom und das Prader-Willi-Syndrom eine besondere Bedeutung. Beim Ulrich-Turner-Syndrom liegt ein Verlust des ganzen oder von Teilen des X-Chromosoms in allen oder einigen Körpergeweben vor, daher sind nur Mädchen betroffen.

Das Syndrom ist neben dem geringen Wachstum durch leichte Auffälligkeiten des Gesichts, eine typische Hautfalte im Nacken, fehlende Pubertätsentwicklung und Regelblutung sowie Unfruchtbarkeit gekennzeichnet. Schwere chronische Erkrankungen wie schwere Herzfehler, Störungen der Nierenfunktion, des Stoffwechsels (z.B. Zöliakie), des Immunsystems und schwere Unter- bzw. Fehlernährung können sekundär zu Wachstumsverzögerungen führen, die vorüber gehen, wenn die Grundkrankheit geheilt ist.

Diagnose so früh wie möglich

Grundlage für eine Diagnose sind regelmäßige und gewissenhafte Gewichts- und Längenmessungen bei den Vorsorgeuntersuchungen im Säuglings- und Kleinkindalter. Bei Körperlängen, die unterhalb der 3. Perzentile liegen, sind weitere diagnostische Schritte wie Hormonspiegel-Bestimmungen oder Chromosomenanalysen angezeigt. Die Diagnose sollte so früh wie möglich gestellt werden, um rechtzeitig eine Therapie beginnen zu können. Denn im Verlauf der Pubertät schließen sich die Epiphysenfugen und ein Aufholwachstum bis zur altersgerechten Größe ist dann nicht mehr möglich.

Auswirkungen auf Stoffwechselvorgänge

Somatropin, ein hochwirksames Stoffwechselhormon, spielt eine wichtige Rolle beim Fett-, Kohlenhydrat- und Proteinmetabolismus. Bei Kindern mit Mangel an endogenem Wachstumshormon stimuliert Somatropin das Längenwachstum und beschleunigt die Wachstumsrate. Bei Kindern und Erwachsenen steigert Somatropin die Stickstoffretention, stimuliert das Wachstum der Skelett-Muskulatur und die Fettmobilisation und sorgt somit für eine normale Körperzusammensetzung. Somatropin wirkt besonders intensiv auf das viszerale Fettgewebe.

Neben einer Steigerung der Lipolyse verringert Somatropin die Ablagerung von Triglyzeriden in den Fettdepots. Somatropin vergrößert die Zahl der LDL-Rezeptoren in der Leber und verändert das Profil der Blutfette und Lipoproteine. Bei Patienten mit Wachstumshormonmangel reduziert Somatropin normalerweise die Serum-LDL und das Apolipoprotein B. Auch kann es zu einer Senkung des Gesamtcholesterinspiegels im Serum kommen. Somatropin erhöht zwar den Insulinspiegel, der Nüchtern-Blutzucker bleibt im Allgemeinen aber unverändert. Bei Kindern mit Hypopituitarismus kann nüchtern eine Hypoglykämie auftreten, die aber durch Somatropin behoben wird.

Auch der Knochenmetabolismus kann beeinflusst werden: Somatropin beschleunigt den Knochenumbau. Patienten mit Wachstumshormonmangel und Osteopenie zeigten nach einer Langzeitbehandlung mit Somatropin eine Erhöhung des Knochenmineralgehalts und der Knochendichte an gewichtsbelasteten Stellen. Nach Langzeitbehandlung nehmen Muskelkraft und -leistungsfähigkeit zu. Somatropin erhöht zudem die Herzleistung; der Mechanismus ist aber noch unklar. Eine Verringerung des peripheren Gefäßwiderstands könnte zu diesem Effekt beitragen.

Therapie mit Wachstumshormon

In Deutschland kommen im Jahr ca. 700.000 Kinder zur Welt und etwa jedes 5000ste Baby leidet an einem Wachstumshormonmangel. Bei nachgewiesenem Mangel an Wachstumshormon (Somatotropes Hormon, STH bzw. Growth Hormon, GH) ist mit Somatropin eine kausale Therapie möglich. Auch bei weiteren Krankheiten, bei denen die Betroffenen trotz eigener intakter Wachstumshormonproduktion an Kleinwuchs leiden, (z. Zt. sind in Deutschland die Indikationen Ulrich-Turner-Syndrom, Prader-Willi-Syndrom, Kleinwuchs infolge chronischer Niereninsuffizienz und Kleinwuchs infolge intrauteriner Wachstumsretardierung zugelassen) kann durch eine Behandlung mit humanem rekombinanten Wachstumshormon (Somatropin, z.B. Humatrope®, Norditropin®, Saizen®) ein Wachstumsrückstand bis zu einem gewissen Grad aufgeholt werden.
 

Grafik: Forum Wachsen
AUFHOLWACHSTUM Bei Kindern führt eine Störung der Wachstumshormonproduktion zu einer Veränderung der körperlichen Entwicklung: das Kind bleibt in Länge und Gewicht hinter den Gleichaltrigen zurück. Die Wachstumskurve eines Jungen mit Wachstumshormonmangel 
zeigt das Aufholwachstum nach Therapiebeginn im Alter von viereinhalb 
Jahren.

 

Weitere Informationen für Betroffene und Fachkreise

Das "Forum Wachsen" ist eine Arbeitsgemeinschaft von pharmazeutischen Unternehmen, die ein in Deutschland zugelassenes Wachstumshormon vertreiben. Zurzeit (Stand August 2004) sind dies die Firmen Ferring, Ipsen, Lilly, Novo Nordisk, Pfizer und Serono. Die Pressestelle des Forums stellt auf Anfrage Informationsmaterial für Fachkreise und betroffene Eltern zur Verfügung. Pressestelle "Forum Wachsen" Yvonne Knittel Landsberger Str. 23/25 82110 Germering Tel.: (089) 89457840 Fax: (089) 89457835 

Die Selbsthilfeorganisation BKMF – Bundesverband Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien e.V. unterstützt und berät Eltern kleinwüchsiger Kinder, junger und erwachsener kleinwüchsiger Menschen und von Fachkreisen bei:

  • medizinischen und sozialrechtlichen Fragen
  • Vermittlung von Spezialambulanzen für die Diagnose
  • Aufklärung über pädagogische und therapeutische Frühförderung
  • Antragstellung für Schwerbehindertenausweis und Pflegeversicherung

Beratungs- und Geschäftsstelle des BKMF e.V. Hillmannplatz 6, 28195 Bremen Tel. (0421) 502122 Fax (0421) 505752 www.bkmf.de

Dr. Claudia Bruhn, Berlin

Quelle 
Workshop auf der 100. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde, 11. September 2004, Berlin, veranstaltet vom „Forum Wachsen“, Germering. 
Menger-Horstmann, H., Römer, A.: Formen des Kleinwuchses. www.bkmf.de. ;
Das MSD Manual. Urban & Fischer, 6. deutsche Auflage (2000).

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