Biologie

Arzneipflanzen im internationalen Disput

Von Renate Seitz | Die 52. Jahrestagung der Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung (GA) fand in diesem Jahr im Rahmen eines internationalen "Joint meeting" vom 31. Juli bis 4. August in Phoenix, Arizona statt. Das Spektrum der Themen reichte vom Screening neuer Wirkstoffe über die klinische Prüfung von Pflanzenextrakten bis zu den gesetzlichen Anforderungen an Phytopharmaka, wobei die Unterschiede in der alten und in der neuen Welt ins Auge fielen. In diesem Zusammenhang wurde auch das Selbstverständnis der Pharmakognosie und ihre Zukunft im Verbund mit der rationalen Phytotherapie diskutiert.
Arizona ist ein Kakteenparadies. Im Cactus Botanical Garden von Phoenix kann man bei 
> 50 °C studieren, wie sich die Pflanzen vor Hitze und Austrocknung zu schützen wissen.

Auf den Pfaden der Natur

Durch Einsicht in die Biosynthesewege (biogenetic pathways), Strukturen und Funktionsweisen von pflanzlichen Sekundärstoffen erhält die Forschung wichtige Fingerzeige zur Entwicklung analoger und derivatisierter Wirkstoffe ("engineered biosynthesis"). So wehren sich die meisten Pflanzen, die von pathogenen Organismen angegriffen werden, indem sie antimikrobiell und antibiotisch wirksame Schutzstoffe unterschiedlichster chemischer Klassen synthetisieren.

Solchen natürlichen "Antibiotika" und den für ihre Synthese zuständigen Enzymen waren mehrere Plenarvorträge gewidmet: Über Terpen-Synthasen sprach J. Chappell (La Jolla, Ca), über Typ-III-Polyketid-Synthasen und das "Protein Engineering" von Polyketiden berichteten P. Noel (La Jolla, Ca) und C. Khosla (Stanford, Ca). "Nonribosomaler Aufbau makrozyklischer Peptide" war das Thema von M. Marahiel, Marburg.
 

International Congress on Natural Products Research

Seit 1970 gibt es in der Naturstoff- und Arzneipflanzenforschung ein weltweites Netzwerk. Alle fünf Jahre veranstalten die großen, diesem Gebiet verpflichteten Gesellschaften einen gemeinsamen Kongress: American Society of Pharmacognosy (ASP), Association Francophone pour l'Enseignement et la Recherche en Pharmacognosie (AFERP), Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung (GA) und Phytochemical Society of Europe (PSE). Der Kongress in Phoenix wurde von Prof. Pedro Chavez und Prof. David Slatkin organisiert. Ihrer Einladung waren 650 Wissenschaftler gefolgt, von denen mehr als die Hälfte aus 49 Ländern angereist waren. Geboten wurden 16 Plenarvorträge, 49 Kurzvorträge und 595 Poster.

Was ist Pharmakognosie?

Schon seit längerem wird in den USA der Mangel an klassisch ausgebildete Pharmakognosten beklagt. Im Zuge der Trendwende zu qualitativ hochwertigeren und besser reglementierten "herbal medicinal products" (HMP) werden "Drogenfachleute" wieder dringend benötigt. Deshalb hatte der Herausgeber der American Herbal Pharmacopoeia, Roy Upton, ein Vorsymposium zu dieser Thematik initiiert.

Prof. W. Kubelka vom Wiener Institut für Pharmakognosie, wo 1811 der Name Pharmakognosie von Johann Adam Schmidt zum ersten Mal geprägt wurde, schilderte die Entwicklung dieses früher die Materia medica nur beschreibenden Faches zum heute vielseitigsten und hoch technologisierten Zweig der pharmazeutischen Wissenschaften (Cordell 1987), der alle Aspekte biogenen Materials abdeckt (Tyler 1994).

Dass auch die klassischen Techniken der Pharmakognosie wie Mikroskopie oder Chromatographie – alle natürlich in modernsten "high tech"-Versionen – nach wie vor ihre Berechtigung und Einsatzbereiche haben, stellte Prof. Sabine Glasl, Wien, dar. Seit der Schwerpunktverlagerung zur Pharmakologie sind in der Pharmakognosie Struktur-Wirkungs-Untersuchungen mit Rezeptorbindungsstudien, Bioassays auf Rezeptor- und Enzymbasis und das Screening von genetischem Material immer wichtiger geworden, sodass sie, wie Prof. L. Bohlin (Uppsala) meinte, immer mehr den von Djerassi vorgeschlagenen Titel "Molecular Pharmacognosy" verdient. (Der in Deutschland übliche Begriff "Pharmazeutische Biologie" umfasst automatisch die Molekularbiologie.)

Die jüngere Professorengeneration der Pharmazeutischen Biologie setzt auf internationale Zusammenarbeit (v. li.): I. Khan, Mississippi, H. Stuppner, Innsbruck, V. Dirsch, München, M. Hamburger, Basel, R. Bauer, Graz.

Comeback der Pharmakognosie in den USA?

Während Prof. N. Farnsworth, der Doyen der amerikanischen Pharmakognosten (Chicago School of Pharmacy), resigniert prophezeite, dass die Pharmakognosie sehr bald aus dem amerikanische Pharmazie-Curriculum verschwinden wird, versprach Prof. H. Wagner, München, diesem multidisziplinären Fach in den USA ein "phönixgleiches Wiedererstehen", falls man dort die Fixierung auf die "single compounds", deren Wirkung man eindeutig nachprüfen kann, zugunsten eines komplexen Verständnisses der Wirkweise biogener Arzneistoffe aufgeben könne. Durch die weitere Rationalisierung phytomedizinischer Effekte mithilfe modernster Technologien erreiche das Fach eine neue Legitimation und werde so auch für die pharmazeutische Industrie wieder interessanter.

Prof. Michael Popp, Neumarkt, machte in seinen Ausführungen über die Produktentwicklung und klinische Evaluierung von Phytopharmaka den US-Kollegen deutlich, was in Deutschland und Europa industrieller Alltag ist. Qualität, Sicherheit und Wirksamkeitsnachweise der HMP lassen in den USA sehr zu wünschen übrig. Deshalb wurde ausgiebig über die Einführung von Standards wie GMP und GCP (Good manufacturing bzw. clinical practices), Identitäts- und Qualitätskontrollen diskutiert.

Rechtsstatus pflanzlicher Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel

In den USA darf jeder Produzent relativ ungeprüft und unbeschadet "Botanicals" unter diversesten Namen und Heilsversprechen anbieten; auch heute noch ist ein Wirksamkeitsnachweis aus klinischen Studien nicht erforderlich. Doch viele Zwischenfälle – auch tödliche, z. B. aufgrund von Verfälschungen – haben die Verbraucher vorsichtig gemacht und dem amerikanischen HMP-Markt empfindliche Einbußen gebracht. Nach den Jahren des Chaos besteht nun ein Bedürfnis nach mehr Sicherheit und Reglementierung. Die durch die rationale Phytotherapie geprägte Rechtslage in Europa erscheint den USA als vorbildlich.

Prof. Arnold Vlietinck, Antwerpen, Mitglied der Europäischen Arzneibuch-Kommission und Beisitzer der Zulassungsbehörde EMEA, stellte klar, dass in der EU die Zulassung von pflanzlichen Arzneimitteln über die beiden Kriterien "well established medicinal use" und "traditional use" ziemlich eindeutig geregelt ist und in den kommenden Jahren in unterschiedlichen Anerkennungsverfahren in den Ländern der erweiterten EU implementiert wird. Dagegen ist die Gesetzeslage von "pflanzlichen Zubereitungen ohne Nährwert, aber mit physiologischen Wirkung" noch immer von Land zu Land unterschiedlich. Eine EU-weite Harmonisierung steht zwar bevor, sie wird jedoch für viele Länder mit z. T. schmerzlichen Veränderungen verbunden sein.

H. Sievers, Vestenbergsgreuth, unterbreitete Vorschläge, wie die Vorschriften des europäischen und des amerikanischen Arzneibuches über die erlaubten Pestizidrückstande in Arzneidrogen (Höchstmengen) praktikabler gestaltet werden könnten.

Wird hier die Zukunft der Pharmakognosie besprochen? Die Professoren H. Wagner, R. Bauer und N. Farnsworth (v. li.).

Wirksamkeit und Interaktionen

Inzwischen wird in den USA staatlicherseits die Entwicklung rationaler Phytopharmaka gefördert, und zwar z. T. auf der Basis der übersetzten Kommission-E-Monographien. Von grundlegender Bedeutung ist jedoch die klinische Forschung, über deren aktuelle Trends C. Ismail, Neumarkt, berichtete.

Mehr und mehr müssen bei der Anwendung pflanzlicher Arzneimittel auch Interaktionen und Nebeneffekte beachtet werden. Wie Prof. I. Roots, Berlin, darlegte, droht bei Komedikation bestimmter Arzneistoffe mit geringer therapeutischer Breite entweder ein unzureichender therapeutischer Effekt oder eine Intoxikation auf Grund zu niedriger bzw. zu hoher Plasmaspiegel. Solches hat man zuerst bei gleichzeitiger Verabreichung von Hypericum und Ciclosporin, Digoxin oder Amitriptylin beobachtet. Auch Knoblauch, Pfefferminzöl, Mariendistel oder Echinacea zeigen ähnliche Effekte wie Hypericum, da auch sie bestimmte CYP450-Enzyme und Transporterproteine (z. B. P-Glykoprotein) beeinflussen.

Prof. A. Nahrstedt wies darauf hin, dass sich die einzelnen Bestandteile eines pflanzlichen Extrakts gegenseitig stark beeinflussen und damit seine Bioverfügbarkeit verändern können. So werden z. B. die Wirkstoffe von Digitalis, Kava und Citrus besser resorbiert, wenn sie im Extrakt gelöst sind, als wenn sie isoliert appliziert werden. Man weiß bisher noch wenig über die "Coeffektoren" oder "wirksamkeitsmitbestimmenden" Substanzen in den Extrakten, doch gilt das Phänomen als ein Kriterium für die therapeutische Überlegenheit pflanzlicher Extrakte gegenüber Reinsubstanzen. Interessanterweise hat man ähnliche Synergismen auch in pulverisierten Pflanzenmischungen beobachtet, wie sie in den traditionellen asiatischen Medizinsystemen viel verwendet werden.

Alexandra Deters erhielt den Egon Stahl-Preis in Bronze.

Egon Stahl-Preis für Dr. Alexandra M. Deters, Erlangen

Der alljährlich verliehene Egon Stahl-Preis geht auf eine Stiftung von Prof. Dr. Egon Stahl, dem Erfinder der Dünnschichtchromatographie, zurück. Mit einem Geldpreis und einer Medaille in Bronze (für besondere Doktorarbeiten) oder Silber (für herausragende wissenschaftliche Arbeit nach der Promotion) werden junge Wissenschaftler aus dem Bereich der Pharmakognosie, pharmazeutischen Biologie und analytischen Phytochemie ausgezeichnet. Der Egon Stahl-Preis in Bronze ging in diesem Jahr an Frau Dr. Alexandra Marina Deters von der Universität Erlangen. Nach dem Biologiestudium hatte sie bereits in ihrer biologischen Diplomarbeit unter der Leitung von Prof. Andreas Hensel ein In-vitro-Testsystem zur Analytik von Procyanidinen und Polysacchariden erarbeitet, das patentiert wurde. Ebenfalls unter Prof. Hensels Anleitung untersuchte sie in ihrer Doktorarbeit den Einfluss von Oligo- und Polysacchariden aus traditionell zur Wundheilung genützten Schleimdrogen wie Psyllium, Isländisch Moos, Blasentang oder Viola tricolor auf das Epithelgewebe.

Wie in ihrem Preisvortrag dargelegt, wurden zunächst die Strukturen der einzelnen Polysaccharide aufgeklärt und dann in einem In-vitro-Assay an kultivierten (HaCaT-Zelllinien) und natürlichen Plattenepithelzellen (menschliche Haut) untersucht. Deters konnte zeigen, dass die Zellphysiologie normaler humaner Keratinozyten (NHK) durch die jeweiligen Polysaccharide unterschiedlich beeinflusst wird. So induzierten Xylane und Glucomannane vorwiegend die zelluläre Proliferation von NHK und HaCaT-Zellen, ohne die mitochondriale Aktivität zu modulieren. Polysaccharide aus Fucus vesiculosus stimulierten hingegen die Differenzierung von NHK, und Rhamnogalacturane zeigten deutliche Effekte auf die Dehydrogenaseaktivität und die Proliferation der Mitochondrien. In molekularbiologischen Untersuchungen konnten auch die jeweiligen Signaltransduktionswege geklärt werden. Zytotoxische Effekte wurden für keines der untersuchten Polysaccharide festgestellt. Die In-vitro-Ergebnisse korrelierten mit den Ergebnissen entsprechender In-vivo-Untersuchungen.

Die Jury hatte einstimmig befunden, dass Frau Deters' mit "summa cum laude" ausgezeichnete Doktorarbeit unter Einbeziehung unterschiedlichster phytochemischer, pharmakologischer und molekularbiologischer Methoden ein Musterbeispiel für die multidisziplinäre Vorgehensweise in der Pharmazeutischen Biologie im Sinne Egon Stahls darstellt.

Sie glänzten auch durch ihre Plenarvorträge: Prof. Gabriele König, Bonn, und Prof. Maike Petersen, Marburg, Präsidentin der PSE (v. li.).

Phytoöstrogene gegen Wechseljahresbeschwerden?

Große Beachtung, nicht nur bei den weiblichen Teilnehmern des Kongresses, fand der Vortrag von Prof. W. Wuttke, Göttingen, zum Thema "Östrogene versus Phytoöstrogene". Phytopharmaka aus Soja, Rotklee, Cimicifuga, aber auch sonstige vielversprechende "Natural Products" (in Amerika eine Art Zauberwort) zur Erleichterung von Wechseljahrsbeschwerden überschwemmen seit dem Abbruch der WHI (Women's Health Initiative)-Studie den amerikanischen Markt, da sie als Alternative zur Hormonersatztherapie beworben werden.

Doch Wuttke stellte klar: Es existieren keine Belege, dass Soja und Rotklee oder ihre isolierten Isoflavone Daidzein und Genistein die klimakterischen Beschwerden bessern. In Anbetracht möglicher gefährlicher Effekte dieser Verbindungen auf das Brustgewebe wurde in einer Europäischen Consensus-Konferenz im April 2003 sogar öffentlich statuiert, dass Soja- und Rotklee-Isoflavone keine empfehlenswerten Alternativen zur Hormonersatztherapie darstellen. Positive Wirkungen ohne unerwünschte Effekte auf Endometrium und Brustdrüsen sind dagegen für Cimicifuga in mehreren offenen und plazebokontrollierten klinischen Studien bei klimakterischen Beschwerden belegt worden.

Varro Tyler-Preis

In Phoenix wurde erstmals der Varro Tyler-Preis für erfolgreiche Forschung auf dem Gebiet pflanzlicher Nahrungsergänzungsmittel verliehen. Er ging an Dr. Ezio Bombardelli, den Mitbegründer und Forschungsleiter der Firma Indena in Mailand. Der von der amerikanischen Firma Pharmanex gesponserte Preis erinnert an den vor zwei Jahren im Alter von 69 Jahren verstorbenen Professor Varro (Tip) Tyler, der ein engagierter Verfechter des Faches "Pharmacognosy" in den USA und ein vielseitiger Fach- und Sachbuchautor war. Tyler unterhielt ständig wissenschaftliche Kontakte nach Europa und war Mitinitiator des ersten Joint meetings von ASP und GA in Wien (1970).

Foto: DAZ Archiv
Phytoöstrogene aus Rotklee bessern keine Wechseljahresbeschwerden.

Neues über Echinacea

Nach wie vor steht Echinacea im Fokus der Forschung (4 Vorträge und 5 Poster). Unter den vielen isolierten Stoffklassen der Gattung (u. a. Polyacetylene, Polysaccharide, Glykoproteine, Flavonoide) wurde die immunmodulatorische Wirksamkeit aufgrund von In-vitro-Untersuchungen fast unbestritten den spezifischen Alkylamiden und Kaffeesäurekonjugaten zugeschrieben. Doch nun konnte die australische Arbeitsgruppe um R. P. Lehmann an Hand von Diffusionsstudien an isolierten Magenepithelbarrierezellen und vergleichenden In-vivo-Bioverfügbarkeitsstudien zeigen, dass Kaffeesäureverbindungen im menschlichen Körper gar nicht zur Wirkung kommen. Hingegen sind Alkylamide nach oraler Einnahme von Echinacea-Handelspräparaten bereits nach 30 Minuten im Blut gesunder Probanden nachweisbar. Ein entsprechendes Detektionsverfahren hat die Grazer Gruppe um R. Bauer entwickelt, gefördert von den National Institutes of Health der USA.

Zwei Arbeitskreise (R. Bauer, Graz, und J. Gertsch, Zürich) entdeckten unabhängig voneinander, dass die lipophilen Echinacea-Alkylamide (Isobutylamide), die eine auffallende Strukturverwandtschaft zum Endocannabinoid Anandamid (Etha- nolamid) aufweisen, auch an dessen physiologische Cannabinoid-Rezeptoren (CB-1 und CB-2) binden. Einige der zwölf bekannten Alkylamide zeigen eine ausgesprochene Selektivität zu CB-2, von dem man weiß, dass über ihn die TNF-•-Modulation und die Freisetzung von Interleukinen gesteuert wird. Man vermutet nun, dass Echinacea seine immunmodulatorische Wirkung über eine Stimulation der CB-2-Rezeptoren durch die Alkylamide entfaltet.

Nach D.S. Pasco (Univ. of Mississippi) sollen Melanine die eigentlichen Träger der immunstimulierenden Wirkung von Echinacea sein. Diese dunklen Farbpigmente sind in tierischen und pflanzlichen Organismen ubiquitär und liegen in Echinacea und anderen immunmodulierenden Arten wie Ginseng, Grüntee, Alfalfa oder Astragalus in Konzentrationen bis 20% vor. Es sind stickstoffhaltige chinoide Substanzen, die durch Hydroxylierung von Tyrosin zu Dihydroxyphenylalanin (DOPA) und dessen Oxidation, Zyklisierung und Polymerisation gebildet werden. Sie galten als praktisch unlöslich und sind deswegen von der Forschung bisher ignoriert worden. Nach Mikrozerkleinerung und speziellen Solubilisierungsverfahren erwiesen sich Melanine jedoch in vielen In-vitro-Assays als höchst aktiv. Mit Echinacea-Melanin gefütterte Mäusen zeigten einen hohen Anstieg der meisten Immunparameter.

Sie freuten sich über die gute Resonanz des Symposiums: GA-Präsident Rudolf Bauer, Graz, und Vize Wolfgang Kreis, Erlangen (v. li.).

Scharfe Medizin gegen Schmerzen

G. Appendino, Italien, sprach über die Physiologie und Rezeptorforschung von Scharfstoffen. Viele scharfe Gewürze, wie Chili, Senf oder Ingwer, stammen von Pflanzen aus Wüstenregionen. Noch immer, so zumindest der Referent, kann man sich die Vorliebe in heißen Ländern für scharfe Speisen nicht physiologisch schlüssig erklären. Die Phorbolverbindung Resiniferatoxin von einer afrikanischen Euphorbiacee gilt als die schärfste bekannte Substanz; denn sie weist die stärkste Bindung an die Vanilloidrezeptoren auf. Diese Rezeptoren sind nicht nur für den scharfen Geschmack, sondern auch für die Schmerz- und Thermosensorik verantwortlich, wobei die Reizleitung zum Teil über ein spezielles Ca-Kanalsystem erfolgt. Diese Erkenntnisse eröffneten der Schmerzforschung ein weites Feld: Scharfstoffe wie Capsaicin oder Ferutinin (aus Ferula-Arten) wurden zu Modellsubstanzen neuer oder noch in der "pipeline" befindlicher Analgetika.

Wechsel bei "Planta medica"

"Planta medica", die von der GA herausgegebene Fachzeitschrift, hat einen neuen Herausgeber: Prof. Matthias Hamburger, Basel. Er löst den langjährigen Herausgeber Prof. Nahrstedt, Münster, ab, der zum Oktober 2004 in den Ruhestand tritt.

Schätze aus dem Meer

Die Strukturvielfalt und das große Aktivitätspotenzial von Verbindungen aus marinen Mikro- und Makroorganismen erscheint unerschöpflich, berichtete Prof. G. König, Bonn. Ihre Gruppe beteiligt sich an dem Bosmanprojekt, das Schwämme und assoziierte Bakterien aus 300 m Tiefe in der Nordsee vor Norwegen untersucht. Aus Extrakten von Myxo- und Cyanobakterien konnten Proteine isoliert werden, die sehr ausgeprägte, wenn auch wenig selektive zytotoxische Eigenschaften besitzen. Pharmazeutisch "heißer" dürften neue Aminosäuren und Nucleosidabkömmlinge aus der Seescheide Atriolum robustum vom australischen Barriere-Riff sein. Sie besitzen Methylthioadenosin- und Methylsulphinyladenosin-Anteile und binden sowohl antagonistisch wie agonistisch an Adenosin-1- und -3-Rezeptoren, die für analgetische, sedative, kardioprotektive und neuroprotektive Effekte verantwortlich sind. Sie gelten als aussichtsreiche Kandidaten für die rekombinante Synthese neuer Arzneistoffe.

Forschung hält jung

Prof. Koji Nakanishi, ein weltberühmter Wissenschaftler im Bereich der Naturstoffchemie, gab anlässlich seines bevorstehenden 80. Geburtstags einen schon fast philosophischen Rück- und Einblick in sein überreiches Lebenswerk, das von Ginkgo- und Rauwolfia-Forschung, den Sehproteinen (Rhodopsin) über die Erfindung des Circulardichroismus zur Messung von Chiralität bis weit in die moderne Ligand-Rezeptor-Molekularforschung reicht und periodenweise auch der Meeresbiologie galt. Nakanishi lehrt noch immer an der Columbia University in New York.

Wirkstoffe gegen Malaria

Neben antiviralen und krebspräventiven Eigenschaften zeigten das Hauptchalcon aus Hopfenzapfen, Xanthohumol, und seine prenylierten Derivate auch eine ausgeprägte Aktivität (IC50 = 2,9 µg/ml) gegen Plasmodium falciparum, den gefährlichsten Malariaerreger (K. Jenett-Siems, Berlin). Als Wirkmechanismus wird der Einfluss auf den Glutathion-abhängigen Häm-Abbau diskutiert. Inwieweit Biergenuss in den Tropen einer Malariaerkrankung entgegenwirkt, ist aber noch nicht geklärt!

Als hochaktiv gegen Plasmodien, aber auch stark zytotoxisch erwiesen sich die vielversprechenden Cryptolepin-Alkaloide aus der afrikanischen Asclepiadacee Cryptolepis. Das jüngste Abwandlungsprodukt Isoneocryptolepin zeigt bei geringer Toxizität die höchste Selektivität gegen Chloroquin-resistente Plasmodium-Stämme (IC50 = 0,061 µ,g/ml) (L. Pieters, Antwerpen).

Aus indo-pazifischen Schwämmen stammen Mazamin-Alkaloide, die als ganz neue Klasse von Antimalaria-Leitstrukturen gelten (M. Hamann, Univ. of Mississippi). In Tiermodellen entwickeln sie antiplasmodische Aktivitäten, die um ein Vielfaches über denen von Chloroquin oder Artemisinin liegen.
 

Posterpreise und Travel Grants

Von den 595 präsentierten Postern wurden fünf mit einem Geldpreis ausgezeichnet. Zu den Gewinnern zählten Sandra Kipke aus dem Arbeitskreis Prof. Nahrstedt, Münster, mit dem Poster "Proanthocyanidins from Apocynum venetum L." und Stefan Schwaiger vom Arbeitskreis Prof. Stuppner, Innsbruck, für seine Forschungen über Edelweiß: "Leontopodic Acid – A Novel Highly Substituted Glucaric Acid Derivative from Edelweiß Leontopodium alpinum CASS. and its Antioxidative Properties".

Reisezuschüsse in Höhe von 750 Euro erhielten in diesem Jahr sieben junge GA-Mitglieder für hervorragende eingereichte Ergebnisse, die alle als Kongressbeiträge akzeptiert waren: Gianmario Altinier, Triest; Mathilde Fischer, Graz; Andreas Frank, Würzburg; Sonja Fröhlich, Berlin; Monika Hungeling, Münster; Andrea Müller, Innsbruck; Anh Tho Nguyen, Brüssel.

Anregungen aus der Volksmedizin

Die Wurzeln von Pfaffia-Arten (Amaranthaceae) werden in Südamerika als Nerventonikum unter dem Namen "brasilianischer Ginseng" teuer gehandelt. In Venezuela gelten sie als Ersatz für Baldrian. Ihre sedative Wirkung konnte u.a. im Rattenmotilitätstest nachgewiesen werden (A. Suarez, Caracas).

Die Amerikanische Preiselbeere (Cranberry, Vaccinium macrocarpon) war Gegenstand etlicher Forschungsprojekte zur Prävention von Urogenitalinfekten sowie von Atherosklerose, Makuladegeneration und Krebs. Ihre Proanthocyanidin-Fraktionen waren besonders wirksam gegen Lungen- und Darmkrebszellen, ihre Triterpen-Hydroxyzimtsäureester verhinderten selektiv das Wachstum von Prostatakrebszelllinien über eine bis zu 75%ige Hemmung der Matrixmetalloproteinasen.

Rachel Mata, Mexico City, gab einen Überblick über neue Substanzen aus mexikanischen Arzneipflanzen. Bei der Artenvielfalt der mexikanischen Flora ist für das Screening nach wie vor die ethnopharmakologische Vorgehensweise sinnvoll. Und nach wie vor ist man weltweit dem Wirkgeheimnis eines gesunden Rotweins auf der Spur (1 Vortrag und 3 Poster). Die amerikanische Variante dieses Naturprodukt wird in stetig steigenden Mengen in Kalifornien hergestellt.

Die nächsten Jahreskongresse der GA finden vom 21. bis 25. August 2005 in Florenz und im September 2006 in Helsinki statt. (Info unter www.ga-online.org)

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