Arzneimittel und Therapie

Osteoporose: Schädigt Homocystein die Knochen?

Bei der seltenen Erbkrankheit Homocystinurie geht ein stark erhöhter Blutplasmaspiegel des Homocysteins mit einem frühen Beginn einer generalisierten Osteoporose einher. Aber auch ein gering erhöhter Homocystein-Spiegel scheint den Knochen zu schaden. In zwei Langzeitstudien wurde der Zusammenhang zwischen hohen Homocystein-Plasmaspiegeln und der Wahrscheinlichkeit osteoporotischer Knochenbrüche untersucht: Patienten mit sehr hohen Homocystein-Werten erlitten fast doppelt so häufig Frakturen wie die Vergleichsgruppe.

Ausgangspunkt der vorliegenden Studie war die Hypothese, dass bereits ein gering erhöhter Homocystein-Blutplasmaspiegel die Wahrscheinlichkeit osteoporotischer Knochenbrüche im Alter erhöht. Vor diesem Hintergrund wurden in Rotterdam und Amsterdam zwei Studien durchgeführt, an denen drei Gruppen mit insgesamt 2406 zufällig ausgewählten älteren Personen zwischen 55 und 90 Jahren teilnahmen.

Homocystein-Werte

normaler Homocystein-Spiegel: < 14 mol/l 
mäßig erhöhter Homocystein-Spiegel: 14 - 20 µmol/l 
massiv erhöhter Homocystein-Spiegel: > 20 µmol/l

Zwei voneinander unabhängige Allgemeinmediziner bewerteten anhand des Klassifizierungssystems ICD-10-CM aufgetretene Brüche, danach erfolgte die Begutachtung durch einen Osteoporose-Experten. In der Rotterdam-Studie lag der Beobachtungszeitraum bei 8,1 Jahren in der ersten und bei 5,7 Jahren in der zweiten Gruppe. Während der Amsterdamer LASA(Longitudinal Aging Study Amsterdam)-Studie wurden Frakturen über 2,7 Jahre hinweg von Allgemeinmedizinern diagnostiziert und gegebenenfalls einer Osteoporose zugeordnet. Hierzu maßen die Ärzte in beiden Studien die Knochendichte in der Lendenwirbelsäule und im Oberschenkel. In beiden Studien wurden die Homocystein-Werte in Blutproben ermittelt.

Während der Beobachtungszeit erlitten 135 Frauen und 56 Männer Knochenbrüche, am häufigsten traten Handgelenkbrüche und Hüftfrakturen auf. Rund die Hälfte der Fälle ereignete sich bei Teilnehmern mit den höchsten Homocystein-Werten. Das Risiko einer Fraktur bei hohen Homocystein-Plasmaspiegeln war sowohl bei Frauen als auch bei Männern in allen drei Gruppen nahezu gleich erhöht, sie verdoppelte sich bei den Patienten, deren Homocystein-Wert im höchsten Viertel lag. Ein Zusammenhang mit anderen Risikofaktoren wie Knochendichte, Rauchen und Diabetes mellitus konnte indes nicht festgestellt werden.

Mit dem Homocystein-Wert können Ärzte nunmehr auf einen weiteren Parameter zur Einschätzung des Frakturrisikos eines Patienten zurückgreifen.

Homocystein: zytotoxisch und gefäßpathogen

Die schwefelhaltige Aminosäure Homocystein ist eine Zwischenstufe des Methioninstoffwechsels. Methionin wird zu S-Adenosylmethionin umgewandelt, das wiederum zu Homocystein hydrolysiert wird. Homocystein ist für die Zellen toxisch und kann durch 5-Methyl-tetrahydrofolsäure in einer von Vitamin B12 abhängigen Reaktion remethyliert werden. Alternativ kann Homocystein unter der Einwirkung von Vitamin B6 und der Cystathion-β-Synthase über Cystathionin zu Cystein abgebaut werden. Defekte der Cystathionin-β-Synthase führen zu einer Unterbrechung des Stoffwechsels bei der Umwandlung von Homocystein in Cystathionin. Durch den Rückstau liegen auch erhöhte Methionin-Konzentrationen vor, es wird zu wenig Cystin gebildet. Ein Mangel an Vitamin B6, Vitamin B12 oder Folsäure kann zu einer Anhäufung von Homocystein führen, das zytotoxisch und gefäßpathogen ist und damit einer der zentralen Risikofaktoren für Herzinfarkt, Apoplexie und periphere arterielle Verschlusskrankheit ist. Der Normalbereich von Homocystein beträgt im Plasma 5 bis 15 µmol/l. Plasmaspiegel zwischen 15 und 30 µmol/l werden meist durch ernährungsbedingten Vitaminmangel verursacht.

Alexander Lochmann, Leipzig

Quelle 
Van Meurs, J.B.J., et al.: Homocysteine Levels and the Risk of Osteoporoic Fracture. N. Engl. J. Med. 350, 2033 – 2041 (2004). 
Editorial. Homocysteine and Osteoporoic Fractures – Culprit or Bystander? N. Engl. J. Med. 350, 2089 – 2090 (2004).

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