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Arzneimittel und Therapie
Prostatakarzinom: Karzinome bei niedrigem PSA-Wert
Das Prostatakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung des Mannes und in vielen Ländern, so auch in den USA und Deutschland, die zweithäufigste Ursache aller krebsbedingten Todesfälle. Da bei der aggressiven Form der Erkrankung nur in einem frühen Stadium gute Heilungschancen bestehen, erscheinen Früherkennungsuntersuchungen sinnvoll. In Deutschland sieht die gesetzliche Krebsvorsorge für Männer ab dem 50. (bei familiärer Belastung ab dem 45.) Lebensjahr jährliche Untersuchungen vor. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen zur Zeit jedoch nur die Kosten für die ärztliche Beratung und die rektale Tastuntersuchung, die Bestimmung des PSA-Wertes ist eine so genannte "Individuelle Gesundheitsleistung" (IgeL) und muss von gesetzlich Versicherten selbst bezahlt werden. Die GKV begründet dies mit damit, dass sich aus der gegenwärtigern Evidenzlage kein Vorteil aus dem PSA-Screening ergeben würde. Lediglich bei begründetem Verdacht auf ein Prostatakarzinom und zur Verlaufskontrolle einer Erkrankung werden die Kosten für den PSA-Test von der GKV übernommen.
PSA-Test von Urologen empfohlen
Aus Sicht der Urologen sind jedoch die rektale Tastuntersuchung und das Erfragen von Symptomen, die auf ein Karzinom, aber ebenso auf eine benigne Prostatahyperplasie hindeuten könnten – z. B. häufiger Harndrang, schwacher oder unterbrochener Harnfluss – als Früherkennungsmaßnahmen nicht ausreichend. Sie empfehlen daher ergänzend die Bestimmung des PSA-Wertes. Liegt dieser Wert über dem Schwellenwert von 4 ng/ml, wird eine Biopsie angeraten, wobei aus den häufigsten Tumorregionen der Prostata mehrere Gewebsproben entnommen werden. Der PSA-Wert diagnostiziert nicht das Karzinom, sondern stellt lediglich die Indikation zur Biopsie. Erhöhte PSA-Werte können jedoch (kurzzeitig) auch bei völlig gesunden Männern auftreten, z. B. infolge einer Prostataentzündung, nach längerem Radfahren oder nach dem Geschlechtsverkehr.
Gleason-Klassifikation
98% der Prostatakarzinome sind Adenokarzinome, das heißt sie entwickeln sich aus Drüsengewebe. Zur histologischen Einteilung des Wachstumsmusters und zur Bestimmung des Malignitätsgrades wird die Klassifizierung nach Gleason genutzt. Entnommenes Tumorgewebe wird dazu mikroskopisch untersucht und dabei die biologischen Eigenschaften und das Wachstumsmuster des Tumors genauer bestimmt. Die Abnahme der Differenzierung von Drüsenform, -größe und -abstand sowie die Stromainvasion werden für das vorherrschende und für das weniger vorkommende Wachstum mit je 1 bis 5 Punkten bewertet. Ein niedriger Gleason-Score lässt eine bessere Prognose als ein hoher Score erwarten.
Kontroverse Diskussion um den Schwellenwert
Obwohl bei etwa der Hälfte aller Männer im fortgeschrittenen Alter und sogar bei 75 bis 100% aller Männer über 75 ein Prostatakarzinom nachweisbar wäre, handelt es sich in etwa 80% der Fälle um eine latente Erkrankung – es treten keine Beschwerden auf, eine Behandlung wäre nicht notwendig, der Krebs würde nicht zum Tode führen. Bei der aggressiven Form der Erkrankung ist jedoch das Risiko für Metastasen hoch und eine frühzeitige Erkennung und Behandlung notwendig. Über den optimalen oberen Schwellenwert der PSA-Bestimmung wird jedoch in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Eine höherer Schwellenwert würde dazu führen, dass ein Karzinom erst in einem späten, nicht mehr therapierbaren Stadium erkannt würde, eine zu niedrige Grenze zu unnötigen Biopsien führen, das heißt es würden auch klinisch nicht relevante Karzinome entdeckt. Eine Grenze von 4 ng/ml für Männer über 50 Jahren erscheint daher vielen Ärzten als praktikabler Konsens.
Neue Daten und neue Verwirrung
Neue Erkenntnisse über die Prävalenz des Prostatakarzinoms bei sehr niedrigen PSA-Werten erhoffte man sich aus einer Studie, die im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde. Bei den Probanden handelte es sich um Mitglieder der Plazebo-Gruppe der amerikanischen Prostatakrebs-Präventionsstudie (Prostate Cancer Prevention Trial, PCPT), in die ursprünglich 18882 Männer aufgenommen worden waren. Aus der 9459 Männer umfassenden Plazebo-Gruppe wurden für die Studie 2950 Männer im Alter von 62 bis 91 Jahren ausgewählt. Ihr PSA-Wert hatte stets unter 4,0 ng/ml gelegen, die Befunde digital-rektaler Untersuchungen waren unauffällig. Nach einer Beobachtungszeit von sieben Jahren wurde bei allen Probanden eine Prostatabiopsie durchgeführt. In 15,2% der Fälle (bei 449 Probanden) diagnostizierte man ein Prostatakarzinom, meist in Stadium T1. Der mittlere PSA-Wert der an Krebs Erkrankten lag bei 1,78 ng/ml, bei den 2501 gesunden Personen bei 1,34 ng/ml. Dieser Unterschied war statistisch signifikant. 67 der 449 Krebserkrankungen (14,9%) wiesen einen höheren Schweregrad, beurteilt mit dem Gleason Score, auf. Interessant auch das Ergebnis, dass selbst bei einem PSA-Wert unter 0,5 ng/ml prognostisch ungünstige Karzinome (Gleason Score 7 bis 9) auftraten (siehe Tabelle).
Tab. 1: Prävalenz des Prostatakarzinoms und der Schweregrades in Abhängigkeit vom PSA-Wert
PSA-Wert-Bereich (ng/ml) | Prävalenz (%) | Gleason-Score > 7 (%) |
---|---|---|
≤ 0,5 | 6,6 | 12,5 |
0,6 – 1,0 | 10,1 | 10,0 |
1,1 – 2,0 | 17,0 | 11,8 |
2,1 – 3,0 | 23,9 | 19,1 |
3,1 – 4,0 | 26,9 | 25,0 |
Von Reduktion des Schwellenwertes abgeraten
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Prostatakarzinome mit mittlerem oder höherem Schweregrad auch bei Männern mit niedrigen PSA-Werten auftreten können. Mit einer PSA-Wert-Bestimmung allein kann also ein Karzinom nicht sicher ausgeschlossen werden. Die Autoren der Studie raten jedoch davon ab, die PSA-Obergrenze jetzt sofort herabzusetzen, da dies zu Überdiagnostik und Übertherapie führen würde. Die Zahl der Biopsien würde drastisch ansteigen und es würden Erkrankungen behandelt, die eigentlich klinisch nicht relevant sind, da eine Unterscheidung zwischen latentem und aggressivem Krebs sehr schwierig sei. Fachleute fordern aus diesem Grund auch die Identifizierung neuer Biomarker, die eine genauere Risikoabschätzung ermöglichen, als dies derzeit mit dem PSA-Test möglich ist.
Der PSA-Wert
Das erstmals 1979 beschriebene Prostata-spezifische Antigen (PSA) ist eine Protease, die in den Epithelzellen der Prostata gebildet wird und zur Verflüssigung des Spermas notwendig ist. Es ist im Plasma und Sperma nachweisbar, die Testverfahren sind jedoch noch nicht optimal standardisiert. Die optimale Obergrenze des Normalbereichs für den Serum-PSA-Wert ist derzeit unbekannt. Die Leitlinien der Deutschen Urologen beinhalten einen Schwellenwert von 4 ng/ml, von manchen Klinikern wird heute bereits ein PSA-Wert oberhalb 2,5 ng/ml als Hinweis auf eine mögliche Erkrankung betrachtet.
Dr. Claudia Bruhn, Berlin
Quelle
Thompson, I. A.; et al.: Prevalence of prostate cancer among men with a prostate-specific antigen level = 4.0 ng per milliliter. N. Engl. J. Med. 350, 2239 – 2246 (2004).
Carter, H. B.: Prostate Cancers in men with low PSA levels – must we find them? N. Engl. J. Med. 350, 2292 – 2294 (2004).
Prostatakarzinom-Screening mittels PSA-Bestimmung. hrsg. vom Medizinischen Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen e.V., www.mdk.de, Stand 04/2001.
PSA-Bestimmung in der Prostatakarzinomdiagnostik. Leitlinien der Deutschen Urologen, AWMF-Leitlinien-Register Nr. 043/036, letzte Aktualisierung 09/2002, www.uni-düsseldorf.
de/AWMF/
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