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- DAZ 25/2004
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Arzneimittel und Therapie
Tumorerkrankungen: Ist eine Chemoprävention möglich?
Bislang gibt es keine aussagekräftigen Belege, dass Tumorerkrankungen durch Nahrungsergänzungsmittel verhindert werden können; möglicherweise ist eine Chemoprävention mit COX-2-Inhibitoren oder Tamoxifen sinnvoll.
Unter einer primären Chemoprävention versteht man die Einnahme von Arzneistoffen, isolierten Vitaminen, Mineralstoffen oder definierten Nahrungsergänzungsmitteln. Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe, die mit der Nahrung aufgenommen werden, zählen definitionsgemäß nicht dazu. Die ersten systematischen Studien zur Chemoprävention wurden ungefähr 1990 mit der präventiven Einnahme von Beta-Caroten begonnen. Die Ergebnisse zweier großer Studien (ATBC- und CARET-Studie) waren enttäuschend; statt einer erhofften Abnahme der Tumorinzidenz stieg bei gegenwärtigen Rauchern das Lungenkrebsrisiko an.
In anderen Studien wurden Retinoide (Vitamin A und seine Derivate) bei Patienten eingesetzt, die an einem sehr früh diagnostizierten und vollständig entfernten nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom erkrankt waren. Da Retinoide an der Regulation der Zelldifferenzierung und Proliferation epithelialer Zellen beteiligt sind, erhoffte man sich von ihrer Substitution einen Benefit. Dieser konnte ebenfalls nicht nachgewiesen werden, da in der Verum- und Plazebogruppe gleich häufig ein neuer Tumor auftrat. Bei Rauchern stieg die Mortalität unter einer Retinoidsubstitution an.
Calcium und Folate
Calcium bindet Fett- und Gallensäuren im Darm und hemmt deren proliferative und karzinogenen Effekte. Daher wurde die Beziehung zwischen einer Calciumsupplementation und dem Wiederauftreten von Darmpolypen bzw. dem Risiko für kolorektale Tumore in mehreren prospektiven und retrospektiven Studien untersucht. Bei Patienten, die kolorektale Adenome aufwiesen, konnte das Wiederauftreten von neuen Polypen durch Calcium reduziert werden.
Die Auswertung zweier großer Kohortenstudien (Nurses Health Study und Health Professionals Follow-up-Study) deutet ebenfalls auf eine Beziehung zwischen der Calciumeinnahme und einem reduzierten Darmkrebsrisiko hin; allerdings ist die optimale Dosis noch unklar. Ebenfalls aus der Nurses Health Study wird der Zusammenhang einer langjährigen Folatsubstitution und einem verminderten Darmkrebsrisiko abgeleitet. Vor allem bei entsprechender Familienanamnese scheinen eine Folat- und Methioningabe sowie das Vermeiden von Alkohol das Krebsrisiko zu senken.
Acetylsalicylsäure und COX-2-Inhibitoren
Zahlreiche Fall-Kontroll-Studien weisen auf ein vermindertes kolorektales Risiko unter einer regelmäßigen ASS-Einnahme hin. Allerdings ist noch nicht geklärt, wie lange und in welcher Dosierung eine präventive Acetylsalicylsäureeinnahme zu erfolgen hat. Zur Vermeidung des kolorektalen Krebsrisikos ist wahrscheinlich eine mindestens zehnjährige Einnahme notwendig, zur Verhinderung von Adenomen genügt eine kürzere Einnahmedauer.
Die beobachtete Assoziation zwischen der Einnahme eines nicht-steroidalen Antirheumatikums und einem verringerten Darmkrebsrisiko führte zum Einsatz von COX-2-Inhibitoren bei der Prävention und Therapie kolorektaler (und anderer) Tumore. Dieses Vorgehen hat folgenden Hintergrund: Die Entstehung eines Darmtumors ist ein mehrstufiger Prozess. Bereits in einer frühen Phase führt eine bestimmte Genmutation (Mutation des APC-Gens) zu einem Anstieg von COX-2 in adenomatösen Polypen, die in mehreren Schritten entarten können (s. Grafik).
Diese Abläufe finden sich auch bei der familiären adenomatösen Polyposis, einer Erkrankung, bei der hunderte bis tausende von Polypen mit hohem Entartungsrisiko entstehen. Durch die präventive Gabe von Celecoxib (Celebrex®) können Anzahl und Größe dieser Polypen reduziert werden. In den USA hat Celecoxib bereits eine Zulassung für diese Indikation. Zurzeit werden in mehreren klinischen Studien Celecoxib und Rofecoxib (Vioxx®) präventiv und therapeutisch in Kombination mit einer Hormon- oder Chemotherapie bei weiteren Tumorentitäten (Bronchial- und Mammakarzinom sowie hämatologischen Tumoren) untersucht.
Tamoxifen und orale Kontrazeptiva
Im Breast Cancer Prevention Trial erhielten mehr als 13000 Hochrisikopatientinnen während fünf Jahren täglich 20 mg Tamoxifen. Nachdem eine Interimsanalyse eine knapp 50%ige Reduktion der Brustkrebsinzidenz bei mit Tamoxifen behandelten Frauen ergab, wurde die Studie vorzeitig abgebrochen. Eine Zwischenauswertung der MORE-Studie, in der prophylaktisch Raloxifen (Evista®) eingesetzt wurde, zeigt ebenfalls eine sehr deutliche Abnahme neu diagnostizierter Mammatumore. Diese Ergebnisse werden indes kontrovers diskutiert, unter anderem werden Studiendesign und unklarer Hormonrezeptorstatus bemängelt.
Eindeutiger ist der Nutzen oraler Kontrazeptiva im Hinblick auf das Ovarialkarzinom: die Einnahme oraler Kontrazeptive senkt das Risiko, an einem Ovarialkrebs zu erkranken.
Präventive Impfungen
Eine Hepatitis-B-Infektion kann zu Leberkarzinomen führen. Durch eine flächendeckende Impfung gegen Hepatitis B konnten in Taiwan Inzidenz und Mortalität von Leberzellkarzinomen deutlich gesenkt werden. Eine weitere präventive Impfung besteht in einer Vakzine gegen humane Papillomaviren (HPV), die bei der Entstehung des Gebärmutterhalskrebses eine wesentliche Rolle spielen. Die Impfung mit einer HPV-16-Vakzine schützt vor chronischen HPV-16-Infektionen und damit verbundenen Präkanzerosen. Allerdings ist dieser Schutz typenspezifisch und wirkt nicht gegen andere Hochrisiko-HP-Viren.
Kann Krebs durch Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel verhindert werden? Diese Frage wird erst seit ungefähr 15 Jahren systematisch untersucht. Dabei tauchen mehrere Schwierigkeiten auf: Wird eine Studie prospektiv konzipiert, ist eine extrem lange Studiendauer erforderlich; greift man retrospektiv auf Daten zurück, können oftmals Menge und Dauer einer Arzneimittel- oder Vitamineinnahme nicht mehr exakt bestimmt werden. Bislang gibt es keine aussagekräftigen Belege, dass Tumorerkrankungen durch Nahrungsergänzungsmittel verhindert werden können; möglicherweise ist eine Chemoprävention mit COX-2-Inhibitoren oder Tamoxifen sinnvoll.
- Hemmung der Apoptose
- Verstärkte Angiogenese
- Verstärkung der Invasivität von Tumorzellen
- Modulation der Immunsuppression und Entzündung
- Konversion von Prokarzinogenen in Karzinogene
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