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Chronisch venöse Insuffizienz: Pflanzliche Arzneimittel bei Venenleiden

Prof. Dr. Wolfgang Blaschek, Kiel, sprach am 21. Januar in Münster auf einer Veranstaltung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft über die Möglichkeiten einer rationalen Phytotherapie bei chronischen Venenleiden. Einige oral eingesetzte Phytopharmaka können die Beschwerden lindern, eventuell das Fortschreiten der Erkrankung verzögern und eine Kompressionstherapie sinnvoll unterstützen, notfalls sogar ersetzen. Stärker geschädigte Venen lassen sich auf diesem Weg jedoch nicht in gesunde Venen zurückverwandeln.

Das Beinvenensystem besteht aus den oberflächlichen Venen im Unterhaut-Bindegewebe und den tiefen Venen innerhalb der Muskelfaszien-Hülle. Als Querstege verbinden die Perforans-Venen beide. Am Blutabfluss sind die Oberflächenvenen nur zu 10% und die tiefen Venen zu 90% beteiligt. Durch Muskelkontraktionen, beispielweise beim Laufen, wird das Blut aus den Beinen zum Herzen zurücktransportiert (sog. Venen-Muskel-Pumpe). Das Blut wird "herzwärts gemolken". Chronische Venenleiden sind weit verbreitet. In Deutschland leiden zwischen 20 und 40% der Bevölkerung daran. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, und die Prävalenz steigt mit dem Alter.

Definitionen

"Varikose" beschreibt ein Krankheitsbild mit geschädigten Venen. Durch Erweiterung und Verlängerung der Venen können sich Krampfadern (Varizen) bilden. Man erkennt gewundene, bläulich sichtbare und tastbare Venengeflechte, die zunächst meist am Unterschenkel auftreten (s. Kasten). Als Phlebitis bezeichnet man die Entzündung oberflächlicher Venen. Bei einer Thrombophlebitis hat sich zusätzlich im Entzündungsbereich ein Blutgerinnsel gebildet. Gefährlicher ist die Phlebothrombose, bei der eine tiefe Vene durch ein Blutgerinnsel verschlossen wird. Während bei den übrigen Venenleiden Bewegung grundsätzlich günstig ist, muss bei einer Phlebothrombose das Bein ruhig gelagert werden, da eine Thrombuswanderung zur Lungenembolie führen kann.

So entstehen chronische Venenleiden

Risikofaktoren für eine chronisch venöse Insuffizienz sind insbesondere familiäre Veranlagung, Übergewicht und überwiegend stehende oder sitzende Tätigkeit. Auch Schwangerschaft, hormonale Kontrazeption, hoher Hämatokritwert, erhöhte Gerinnungsneigung und Rauchen steigern das Risiko. Krampfadern entstehen auf der Basis einer angeborenen Bindegewebsschwäche, die einen Tonusverlust der Venenwandung nach sich zieht ("primäre" Varikose), aber auch ausgehend von einer Klappeninsuffizienz in den tiefen Beinvenen ("sekundäre" Varikose). Beide Phänomene führen zum Anstieg des venösen Drucks mit der Folge, dass Flüssigkeit ins Interstitium austritt und Ödeme auftreten. Die chronisch venöse Insuffizienz betrifft nicht allein die venöse Makrozirkulation. Auch venöse Mikrozirkulation, Lymphdrainage und die Ernährung der Gewebe sind beeinträchtigt.

Nach Widmer unterscheidet man folgende Stadien der chronisch venösen Insuffizienz:

  • Stadium I mit erweiterten Hautvenen, zeitweiser oder permanenter Ödembildung,
  • Stadium II mit zusätzlichen trophischen Störungen, wie Verhärtungen von Haut, Unterhaut und Fettgewebe, Hyper- und Depigmentierungen,
  • Stadium III mit akuten oder abgeheilten Unterschenkelgeschwüren.

Die neuere CEAP-Klassifikation (Clinical Signs, Aetiology, Anatomic distribution and Pathophysiologic dysfunction) teilt in die Stadien 0 (= keine sichtbaren oder tastbaren Symptome) bis 6 (Hautveränderungen plus offenes Ulkus) ein.

Allgemeinmaßnahmen können helfen

Die Behandlung der chronisch venösen Insuffizienz verfolgt vier Ziele: Ödeme reduzieren oder verhindern, trophische Störungen verringern oder beseitigen, das Fortschreiten der Erkrankung verhindern und die Lebensqualität verbessern.

Venenkranke profitieren von folgenden Allgemeinmaßnahmen:

  • Gewichtsreduktion,
  • Vermeiden langen Sitzens und Stehens,
  • Hochlagerung der Beine,
  • Körperliche Bewegung (Ausdauersport),
  • Vermeiden von Wärmebelastung.

Eine wirksame Behandlung stellt die Kompressionstherapie (Stützstrümpfe) dar, allerdings ist die Compliance eher gering. Weniger als die Hälfte der Patienten wenden sie langfristig an. Dagegen beträgt der Anteil der Patienten, die orale Arzneimittel korrekt einnehmen, rund zwei Drittel.

Extrakte aus den Samen der Rosskastanie

Bei Venenleiden werden verschiedene Phytopharmaka, aber auch isolierte Pflanzeninhaltsstoffe eingesetzt. Es gibt zahlreiche Venentherapeutika aus Rosskastaniensamenextrakten (Stammpflanze: Aesculus hippocastanum). Der Extrakt enthält zu 70% Aescin, ein Gemisch pentazyklischer Triterpensaponine, und zu 1 bis 2% Flavonoide. Zur Extraktion wird Ethanol (z. B. 50% bzw. 68%) oder Methanol 80%verwendet. Die orale Resorption des Aescins ist mit 10 bis 15% gering und erfolgt überwiegend im Duodenum. Als Nebenwirkung kann eine Reizung der Magen- und Darmschleimhaut auftreten. Aescin wird biliär und renal eliminiert.

In klinischen Studien wurden vor allem Rosskastaniensamenextrakte, die auf 50 mg Aescin standardisiert waren (Tagesdosis 100 mg), untersucht. Ein solcher Extrakt wurde beispielsweise in einer dreiarmigen, partiell verblindeten Studie bei 240 Patienten mit chronisch venöser Insuffizienz geprüft (Lancet 1996; 347:1182). Patienten der Kompressionstherapie-Gruppe wurden zunächst eine Woche lang mit Diuretika behandelt, um die Kompressionsstrümpfe optimal anpassen zu können, und trugen anschließend 11 Wochen lang die Strümpfe. Die übrigen Patienten wurden 12 Wochen lang mit Plazebo oder Rosskastaniensamenextrakt behandelt. In der Plazebogruppe kam es zu einer leichten Zunahme der Ödeme. Unter der Kompressionsbehandlung setzte die Ödemabnahme schneller ein als unter der Arzneitherapie, war aber nach 12 Wochen vergleichbar.

In vielen In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen wurden ödemprotektive Wirkungen des Rosskastaniensamenextraktes gezeigt. Die Wirkmechanismen sind allerdings nur bruchstückhaft geklärt: Aescin normalisiert die pathologisch erhöhte Kapillarpermeabilität unter anderem durch Hemmung lysosomaler Enzyme, welche Matrixbestandteile der Venenwandung (Proteoglykane) abbauen und so die Gefäßwände schädigen. Flavonoide scheinen vor allem entzündungshemmende Wirkungen zu entfalten.

Extrakte aus dem Wurzelstock des Mäusedorns

Extrakte aus dem Wurzelstock des Mäusedorns (Ruscus aculeatus, Abb. 1) enthalten ebenfalls Saponine, allerdings Steroidsaponine (4 bis 6%). Dies sind insbesondere das bisdesmosidische Furostanolglykosid Ruscosid, das Monodesmosid Ruscin und die Aglyka Ruscogenin und Neoruscogenin. Einige Präparate sind auf einen Gehalt von 4 bis 5 mg Ruscogenine pro Dosis eingestellt, andere haben einen unklaren Gehalt.

Ein Mäusedornwurzelstockextrakt mit 35 mg Extrakt und 4,5 mg Ruscogeninen pro Kapsel (Tagesdosis zwei Kapseln) wurde in einer Studie plazebokontrolliert geprüft. Teilnehmer waren 166 Patienten, die an einer chronisch venösen Insuffizienz im Stadium I oder II litten. Die Ödeme nahmen unter einer 12-wöchigen Behandlung mit Plazebo zu und mit dem Extrakt ab. Auch die übrigen Symptome der chronisch venösen Insuffizienz besserten sich mit der Phytotherapie im Vergleich zu Plazebo signifikant.

Extrakt aus rotem Weinlaub

Das Phytopharmakon Antistax® Venenkapseln wird durch wässrige Extraktion aus rotem Weinlaub gewonnen. Es enthält verschiedene Flavonoide, darunter als Hauptflavonoid Quercetin-3-O-β-D-glucuronid. Eine Studie, in der zwei Dosierungen des Extrakts (320 mg und 720 mg) gegen Plazebo getestet wurden, zeigte eine dosisabhängige ödemreduzierende Wirkung in den Verumgruppen.

Japanischer Schnurbaum und Buchweizenkraut

Sowohl Blüten des japanischen Schnurbaums (Sophora japonica) als auch Buchweizenkraut (Fagopyrum esculentum) enthalten Rutin, ein weiteres für die Venentherapie interessantes Flavonoid. Beide sind Ausgangsmaterial für die industrielle Rutin-Gewinnung. Chemisch handelt es sich bei Rutin um Quercetin-3-O-rutinosid. Da Rutin selbst schlecht wasserlöslich ist, werden in Fertigarzneimitteln mit Einzelstoffen gerne Hydroxyethyl-Derivate (Oxerutine) verwendet, insbesondere Trihydroxyethyl-Rutin (Troxerutin). Auch zu diesen Präparaten existieren Studien, die eine antiödematöse Wirksamkeit belegen. Das Flavonoid Diosmin findet man in der Natur sehr selten. Es wird durch Dehydrierung aus Hesperidin hergestellt, das aus Citrus-Fruchtschalen extrahiert wird. Zu Diosmin gibt es nur kleinere, wenig aussagekräftige Studien.

Steinkleekraut

Steinklee (Melilotus officinalis) enthält in Vakuolen gespeichert Melilotosid. Erst bei der Trocknung des Steinkleekrauts entstehen durch Glykosidspaltung Melilotin und andere Cumarine. Die Datenlage zur Wirksamkeit Cumarin-haltiger Präparate bei chronisch venöser Insuffizienz ist eher unbefriedigend.

Externa

Äußerlich angewandte Venentherapeutika sind trotz ihrer Beliebtheit nach Ansicht von Prof. Blaschek hinsichtlich ihres Behandlungserfolgs sehr kritisch einzustufen. Das gilt sowohl für Phytopharmaka (z. B. Rosskastaniensamenextrakte, Weinlaubextrakt, Arnikablütentinktur) als auch für Heparin- und Hirudin-Salben. Aescin wird zu 10 bis 25% durch die Haut resorbiert, sodass eine lokale Wirkung zumindest möglich ist. Die Externa sollten von unten nach oben – also herzwärts – verstrichen werden. So wird die Venen-Muskel-Pumpe aktiviert. Eine beginnende venöse Entzündung kann durch die Massage allerdings verstärkt werden. Abschließend wies der Referent auf die Grenzen der Selbstmedikation hin (s. Kasten).

Typische Symptome bei Krampfadern

  • Schwere und Spannungsgefühl in den Beinen
  • Geschwollene Beine, vor allem abends
  • Sichtbare Erweiterung und Schlängelung der Hautvenen
  • Juckreiz, Ekzeme, Hautpilzerkrankungen
  • Bräunliche Pigmentierungen am Unterschenkel
  • Zunehmende Atrophie der Haut
  • Entzündung der Venen und darüber liegender Hautareale
  • Schlecht heilende Unterschenkelgeschwüre
  • Thrombenbildung in entzündeten Venen (Emboliegefahr)

Grenzen der Selbstmedikation Eine ärztliche Behandlung ist unter anderem in folgenden Situationen einer chronisch venösen Insuffizienz unerlässlich:

  • Akute Komplikationen
  • Ausgeprägte Ödeme oder venöse Stauungen
  • Starke Hautveränderungen
  • Unterschenkelgeschwüre
  • Starke oder chronische Schmerzen
  • Patienten mit Diabetes mellitus, Blutgerinnungs-, Herz-, Nieren- oder Leberfunktionsstörungen

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