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Arzneimittel und Therapie
Indikationsimpfung gegen Windpocken: Für Jugendliche und Frauen mit Kinderwunsc
"Sternenhimmel" – so wird das typische Hautbild bei Windpocken bezeichnet. Kleine flüssigkeitsgefüllte Bläschen auf der Haut, Juckreiz, manchmal auch Fieber kennzeichnen den Primärinfekt mit Varizella-zoster-Viren (VZV). Sie werden per Tröpfchen weitergegeben und machen als typische Kinderkrankheit bereits im Kindergarten ihre Runde. Schon 90 Prozent der Siebenjährigen in Deutschland sind seropositiv, bei den 15-Jährigen sind es 95 Prozent. Wer die Infektion durchgemacht hat, ist lebenslang immun. Ein Schutz gegen Windpocken mit attenuierten Lebendimpfstoffen ist inzwischen möglich. Doch rechtfertigt die Datenlage die Impfung?
Risikogruppen: Immunsupprimierte und Schwangere
Ein wesentlicher Punkt ist die Häufigkeit schwerwiegender Komplikationen im Rahmen einer Infektion mit Varizella-zoster-Viren. In aller Regel heilt der Infekt problemlos aus. Doch Superinfektionen der Haut, aber auch Meningitiden und Enzephalitiden sind durchaus möglich. Wie oft sie auftreten, dazu ist die Datenlage spärlich. Fakt ist: Von den etwa 790 000 Infizierten pro Jahr müssen etwa 2000 Patienten stationär behandelt werden, fünf Patienten sterben. Die Häufigkeit von Enzephalitiden wird auf 1:10 000 geschätzt, "eher noch seltener". Meningitiden werden oft gar nicht exakt diagnostiziert.
Wirklich riskant ist eine VZV-Infektion aber für diejenigen, die im Erwachsenenalter erkranken. Denn mit zunehmendem Lebensalter steigt die Gefahr schwerer Komplikationen. Dies gilt insbesondere für immunsupprimierte Patienten. Aber auch Schwangere, die als Kinder die Viren "austricksen" konnten, gelten als Risikogruppe. Infizieren sie sich während der Gravidität, kann das folgenschwer sein: Etwa zwei Prozent der Neugeborenen entwickeln ein konnatales Varizellen-Syndrom, das durch Hautdefekte, Skelett- und Muskelhypoplasien, Augenschäden oder zentralnervöse Störungen charakterisiert ist. Zudem können seronegative Schwangere dem Neugeborenen keinen Nestschutz in die Wiege legen.
Windpocken im Kindesalter? Bei Jugendlichen nachfragen!
Die ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) richtete bei ihrer Entscheidung den Blick deshalb vor allem auf die fünf Prozent, die im Kindesalter keine VZV-Infektion durchgemacht haben, und empfiehlt die Impfung als Indikationsimpfung für bestimmte Jugendliche und Erwachsene (siehe Kasten). Damit ungeimpfte Jugendliche nicht vergessen werden, sollte bei den 12- bis 15-Jährigen auf jeden Fall nachgefragt werden. Wissen die Eltern nicht, ob ihr Kind früher Windpocken durchgemacht hat, kann auch blind geimpft werden.
Impfen mit abgeschwächtem Lebendimpfstoff
Die Impfung gegen Varizellen wird mit attenuierten Lebendimpfstoffen durchgeführt, mit denen sich Serokonversionsraten von über 98 Prozent erreichen lassen. Hergestellt werden diese gefriergetrockneten Zubereitungen aus dem attenuierten OKA-Stamm des Herpesvirus varicellae. Bereits in Deutschland verfügbar ist der Varizellen-Lebendimpfstoff Varilrix® (GlaxoSmithKline). Im April 2004 soll mit OKA/Merck (Varivax®) ein weiteres Präparat zugelassen werden. Anders als üblich müssen Kinder bis zum zwölften Lebensjahr nur einmal geimpft werden, Jugendliche und Erwachsene zweimal im Abstand von sechs bis acht Wochen. Übrigens: Der Begriff Oka stammt vom Namen des Japaners, von dem das Virus stammt.
Varizellenimpfung für alle? Eher fragwürdig!
Ob in Deutschland, wie in den USA, eine allgemeine Empfehlung für eine Varizellenimpfung kommt, wird äußerst kritisch diskutiert. Voraussetzung wäre eine hohe Durchimpfungsrate von mindestens 85 Prozent. Ob sich dies erreichen lässt, ist mit Blick auf die Akzeptanz anderer Impfungen äußerst fraglich. So erhalten nur noch 15 bis 30 Prozent der Kinder die Zweitimpfung gegen Masern. Umgekehrt sind niedrige Impfraten nicht unproblematisch. Denn wird nur ein Teil der Kinder geimpft, wächst die Zahl nicht-immuner Erwachsenen. Das würde bedeuten: Es erkranken weniger Kinder, aber mehr Jugendliche und Erwachsene mit deutlich höherem Risiko. Derzeit wird auch ein MMR-VZV-Kombinationsimpfstoff entwickelt. Damit ließe sich die Compliance möglicherweise verbessern.
Was in den USA längst Usus ist, wird in Deutschland heiß diskutiert: die Impfung gegen Windpocken. Dabei stellt sich die grundsätzliche Frage: Rechtfertigt allein die Tatsache, dass eine Impfung möglich ist, auch deren Einsatz. Nun gibt es erste konkrete Empfehlungen der STIKO. Dabei geht es nicht um die Impfung von Kindern, sondern in erster Linie von Erwachsenen.
- ungeimpfte 12- bis 15-jährige Jugendliche ohne Varizellenanamnese
- seronegative Frauen mit Kinderwunsch
- seronegative Patienten – vor geplanter immunsuppressiver Therapie, – unter immunsuppressiver Therapie, – mit Leukämie – mit schwerer Neurodermitis sowie deren Kontaktpersonen
- medizinische Mitarbeiter, insbesondere im Bereich der Pädiatrie, Onkologie, Gynäkologie/Geburtsthilfe, Intensivmedizin, Betreuung von Immundefizienten.
Empfohlen wird, möglichst früh, am besten nach Vollendung des zweiten Lebensmonats, mit der Impfung zu beginnen. Rund 8,7 Millionen Impfdosen hexavalenter Impfstoffe sind bis zum Frühjahr 2003 an rund drei Millionen Kinder verimpft worden.
Zu Turbulenzen kam es im März diesen Jahres: Damals wurde von fünf unerwarteten Todesfällen innerhalb von 24 Stunden nach der Impfung berichtet. Bis zum Juni 2003 wurden insgesamt 16 Todesfälle gemeldet, bei denen vier Stunden bis 38 Tage vorher ein hexavalenter Impfstoff injiziert wurde.
Bislang konnte jedoch in zahlreichen Studien kein kausaler Zusammenhang zwischen dem plötzlichen Kindstod (sudden infant death – SIDS) und Impfungen gezeigt werden, betonte Dr. Dirk Knieps, Leimen. Und er zeigte auf, dass es allein aufgrund der Inzidenz von SIDS im ersten Lebensjahr und der Häufigkeit der Impfungen wahrscheinlich ist, dass SIDS statistisch zufällig in zeitlichem Zusammenhang mit einer Impfung auftreten. So liegt bei einer Inzidenz von SIDS von 1:1200 im ersten Lebensjahr und drei Impfterminen das SIDS-Risiko binnen 24 Stunden nach Impfung bei 1:70 000. Nun werden die ungeklärten Todesfälle untersucht. Die Zulassung für die Sechsfachimpfstoffe bleibt aber unverändert.
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