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DAZ aktuell
Bayerischer Apothekerverband stellt sich den Fragen der Basis – Reichert:
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Herr Reichert, wie viele Teilnehmer haben die Veranstaltungen am 11. und 12. November 2003 in München und Nürnberg besucht?
Reichert:
In München waren es ca. 1200, in Nürnberg ungefähr 900. Ich kann mich an keine so zahlreich besuchte Veranstaltung in den letzten Jahren erinnern.
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Ein Thema Ihres Referates war die Reimportregelung. Wie geht es hier in 2004 weiter?
Reichert:
Niemand weiß, wie sich die Preise der importierten Arzneimittel in den nächsten Jahren darstellen werden. Jetzt hierfür Voraussagen zu treffen, wäre reine "Kaffeesatzleserei".
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Was können bzw. müssen die Apotheken hier erwarten und was ist die Position der Landesapothekerverbände?
Reichert:
Wir haben zwei Möglichkeiten: Entweder wir tun gar nichts, dann gilt die gesetzliche Regelung, dass wir immer dann, wenn der Import mindestens 15% billiger bzw. 15 Euro preiswerter ist, ein solches Arzneimittel abgeben müssen. Es stellt sich aber dann die Frage des Nachweises: Ist ggf. ein derartiges Arzneimittel am Markt überhaupt verfügbar?
In der Vergangenheit haben wir erlebt, dass die Kassen zunächst retaxierten und wir dann sehr aufwändig nachweisen mussten, dass das betreffende Arzneimittel gar nicht verfügbar war. Wie soll dies aber nun konkret nachgewiesen werden? Bestätigung vom Großhandel und/oder Importeur? Wie viele Lieferanten muss ich befragen?
Die Alternative wäre eine niedrigere Importquote mit einer sehr kurzen Kündigungsfrist, um im Falle des Falles sehr schnell aussteigen zu können. Ein Risiko wäre dies wohl nicht, da ohnehin in fast allen Apotheken (derzeit leider nicht nutzbare) Boni verfügbar sind.
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Wie ist der aktuelle Verhandlungsstand?
Reichert:
Wir stehen mit den Spitzenverbänden der Kassen in Verhandlungen und werden ausloten, was für uns die erträglichste Lösung ist.
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Wie stehen Sie zu den jetzt häufig angebotenen Kooperationen?
Reichert:
Der Gesetzgeber gibt im OTC-Bereich zum 1. Januar 2004 die Preise frei. Das bedeutet freie Kalkulation für uns als Apotheker. Wer die Preise freigibt, gibt aber auch grundsätzlich frei, dass Nachfragemacht gebündelt werden darf und Einkaufsvorteile wahrgenommen werden dürfen.
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Handelt es sich Ihrer Meinung nach bei all diesen Kooperationen nur um Einkaufsgemeinschaften?
Reichert:
Bei den so genannten Kooperationen finden wir die unterschiedlichsten Gestaltungsformen: vom reinen Einkaufsverbund bis zu Franchise-Modellen und schon fast kettenähnlichen Modellen. Ich persönlich gedenke nicht, meine unternehmerische Freiheit aufzugeben und mich irgendeinem Diktat zu unterwerfen. Vorteile wahrnehmen – warum nicht? Aber nicht zu jedem Preis. Es kommt ganz darauf an, was ich für ein Einkaufsmodell zahlen soll, ob es Eintrittsgeld kostet, zu was ich mich verpflichten muss (Werbekosten, einheitliches Logo, Werbung für Dachmarke).
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Was empfehlen Sie denn den "kooperationswilligen" Kollegen? Eine zügige Entscheidung oder erst einmal auf weitere Alternativen warten?
Reichert:
Grundsätzlich halte ich die derzeitige Hektik für nicht sachgerecht. Diese Kooperationsverträge sind vermutlich zu einer Zeit entworfen worden, als man glaubte, dass Ketten erlaubt würden. Ich kann nur raten, in aller Ruhe zu prüfen und abzuwarten.
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Wo glauben Sie, wird es mit den Kunden zum Jahreswechsel in der Apotheke die größten Probleme geben?
Reichert:
Mit Sicherheit bei den Zuzahlungen und den Befreiungen. Trotz aller Publikationen und Öffentlichkeitsarbeit werden viele Kunden und Versicherte die höheren Zuzahlungen nicht verstehen – auch nicht die Änderungen im System.
Wie soll ein Versicherter denn begreifen, dass er z. B. bei Verbrauchshilfsmitteln (was das eigentlich genau bedeutet, weiß ohnehin noch niemand) höchstens monatlich 10 Euro Eigenbeteiligung bezahlen soll? Wie rechne ich dies auf Rezept ab? Kann man so etwas überhaupt ordentlich dokumentieren?
Alles Fragen, die dieser Tage mit den Krankenkassen abgeklärt werden müssen. Dass Hilfsmittel bezüglich der Zuzahlung wie Arzneimittel behandelt werden, wird auch nicht leicht zu erklären sein. Und die höhere Zuzahlung überhaupt – 10 Euro pro Packung – ist schließlich kein Pappenstiel.
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Ein heißes Eisen, die neuen Modalitäten zur Befreiung von der Zuzahlung. Auf was müssen sich die Kollegen hier einstellen?
Reichert:
Noch viel schwieriger wird es sein, den Kunden und Versicherten zu erklären, dass die in ihren Händen befindlichen Befreiungsnachweise am 31. Dezember 2003 ungültig werden, obgleich der aufgedruckte Gültigkeitszeitraum doch viel länger andauert.
Es wird sehr schwer werden, den Umdenkprozess des Gesetzesgebers unseren Kunden zu vermitteln, dass zunächst zu Beginn des Kalenderjahres der gesamte Eigenanteil zu zahlen ist, bevor eine Befreiung ausgesprochen werden kann. Das wird in Einzelfällen zu sozialen Härten führen.
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Und was passiert, wenn der Patient wirklich nicht bezahlen kann?
Reichert:
Dann schwebt der Apotheker zwischen unterlassener Hilfeleistung und finanziellem Verlust. Dass notfalls, nach vergeblicher schriftlicher Mahnung des Versicherten, unbezahlte Zuzahlungen von der Kasse eingezogen werden, ist wohl nur ein schwacher Trost. Ein völlig ungelöstes Problem sind die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen, die nur über ein geringes Taschengeld verfügen. Auch hier suchen wir noch nach einer vernünftigen Lösung.
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Wird es im OTC-Bereich ab dem neuen Jahr zwei Preise gebe, einen für die noch verordnungsfähigen Arzneimittel zu Lasten der Kassen und einen Privatpreis?
Reichert:
Theoretisch wäre dies möglich. Einige Kollegen werden dies wohl auch so ausprobieren wollen. Vernünftig ist es in gar keinem Fall. Wenn wirklich die Preise für die GKV und das Privatpublikum auseinander gingen, würde dies doch sofort zur Folge haben, dass die Kassen nach niedrigeren Preisen rufen. Damit würden wir sehr schnell den gefundenen Kompromiss der Beibehaltung der alten Arzneimittelpreisverordnung im erstattungsfähigen OTC-Bereich kaputt machen.
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Ihre Empfehlung an die Kollegen?
Reichert:
Ich kann nur dringend raten, jegliches Preisdumping zu unterlassen. Ich gehe davon aus, dass jedes Arzneimittel im OTC-Bereich zum Jahreswechsel eine unverbindliche Preisempfehlung durch den Hersteller erhält. Ich denke, dass auch alle Landesapothekerverbände in den nächsten Wochen Seminare anbieten werden, wie denn kostendeckend kalkuliert werden kann und muss.
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Zum Thema Rabatte. Die Kassen sind der Auffassung, dass alle Rabatte ihnen zustehen. Was ist Ihre Meinung?
Reeichert:
Es muss ganz klar sein: Verzichtet der Lieferant, z. B. der Großhändler, auf die volle Ausschöpfung seiner Marge, so kann diese Differenz der Apotheker für sich in Anspruch nehmen. Kauft ein Apotheker beim Hersteller direkt, wird ihm niemand verwehren können, dass er die Vorteile bis zur Höhe der Großhandelsmarge für sich reklamiert. Höhere Vergünstigungen halte ich indes für problematisch.
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Bitte etwas konkreter!
Reichert:
Grundsätzlich hat sich mit der neuen Arzneimittelpreisverordnung zumindest im verschreibungspflichtigen Bereich etwas geändert. Rabatte wurden in den Abgabeaufschlag mit eingerechnet und somit das Verhältnis zwischen Lieferant und Apotheke geändert.
Die Apotheken sollen von der zugestandenen Arzneimittelpreisverordnung ihre Rendite beziehen – das ist die Meinung der Politik und der Kassen. Das bedeutet aber nicht, dass der Apotheker keinerlei Nutzen aus dem wirtschaftlichen Einkauf ziehen darf, auch im verschreibungspflichtigen Bereich.
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Herr Reichert, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!
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