Berichte

Pharmaziegeschichte: Kolloquium für Professor Dilg

Am 25. Oktober fand an der Universität Marburg ein sehr gut besuchtes Kolloquium zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. Peter Dilg statt, der dort seit 37 Jahren am Institut für Geschichte der Pharmazie wirkt.

Dekan Prof. Dr. Gerhard Klebe, DPhG-Präsident Prof. Dr. Theodor Dingermann und DGGP-Vorsitzender Dr. Klaus Meyer würdigten in ihren Grußworten den Einsatz des Jubilars in der akademischen Lehre, in der Doktorandenbetreuung und in den Gremien der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft sowie der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Prof. Dr. Christoph Friedrich sprach die Laudatio (s. DAZ 40, S. 128) und hob Dilgs "heute nahezu ausgestorbene Akribie und Sorgfalt" sowie die "sprachliche Gediegenheit" in seinen wissenschaftlichen Publikationen hervor. Anschließend überreichte er dem Jubilar ein druckfrisches Exemplar der ihm gewidmeten Festschrift "Rosarium Litterarum" (Hrsgg. Christoph Friedrich und Sabine Bernschneider-Reif, Govi-Verlag). Es folgten drei Festvorträge.

Reformation der Medizin

Prof. Dr. Christa Habrich, Ingolstadt, erläuterte einige Aspekte im Werk des Mediziners und Kräuterbuch-Autors Leonhart Fuchs (1501 – 1566). In einer Zeit der Rückbesinnung auf verschüttete Quellen, der Kritik an überlieferten Traditionen und vielfältiger Reformbestrebungen, die sich keineswegs nur auf die Reformation der Kirche richteten, sondern sämtliche Wissenschaften ins Visier nahmen, versuchte Fuchs die antike Medizin neu zu beleben. Es war sein Ziel, die überlieferten klassischen Werke von unrechtmäßigen Zutaten, Entstellungen und sonstigen Irrtümern ("errores"), die großenteils auf philologische Missverständnisse und Fehlinterpretationen zurückgingen, zu reinigen und vor allem den Einfluss der arabischen Medizin zurückdrängen. Fuchs, der als Medizinprofessor anfangs in Ingolstadt, ab 1535 bis zu seinem Tode in Tübingen wirkte, war humanistisch gebildet und beherrschte die griechische Sprache. Dadurch konnte er nachweisen, dass mehrere von Dioskurides (antiker griechischer Autor der "Materia medica" und noch in der frühen Neuzeit unbestrittene Autorität auf diesem Gebiet) genannte Arzneipflanzen im Laufe der Jahrhunderte mit anderen Arten verwechselt worden waren. Noch dringlicher als die Reform der Materia medica erschien Fuchs die Reform der Galenik. Er verurteilte die komplexen Rezepturen mit einer Unzahl von Bestandteilen, die damals besonders hoch angesehen waren, und forderte eine Beschränkung auf sinnvolle Ingredienzien. So kreierte er einen Theriak, der ohne das ansonsten obligatorische (aber häufig verfälschte) Vipernfleisch und viele andere Drogen auskam und deshalb in einer Arzneitaxe auch nur ein Achtel des Preises kostete. In seiner Arzneimittellehre war Fuchs der Humoralpathologie (Vier-Säfte-Lehre) verpflichtet. Im Rahmen dieser Theorie kannte er schon eine Art klinische Prüfung von Simplicia, also Zubereitungen jeweils einer einzigen Arzneidroge. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse hatte sich nach Meinung von Fuchs zu entscheiden, welche Komposita sinnvoll waren. Trotz der Rückbesinnung auf die Antike war Fuchs nicht fortschrittsfeindlich, vielmehr wertete er einige überseeische Arzneidrogen, die gerade erst in Europa bekannt geworden waren, als (potenziell) wertvolle Bereicherung des antiken Drogenschatzes. So hat er in seinem "New Kreüterbuch" (1543) erstmals eine Abbildung der (in Amerika beheimateten) Paprika publiziert. Ein von Fuchs geschriebenes "Dispensatorium perfectum" wurde posthum 1567 publiziert. Der Versuch, es in Regensburg als amtliche Pharmakopöe einzuführen, scheiterte jedoch, und zwar zu Recht, wie Frau Habrich meinte, denn aufgrund der vielen kritischen Anmerkungen zu den Rezepturen taugte es nicht für die praktische Arbeit in der Apotheke – tragischer Aspekt eines Gelehrtenlebens.

Pharmazeutisches Lehrtheater im alten China

Prof. Dr. Paul Unschuld, München, stellte ein chinesisches Theaterstück vor, in dem nicht weniger als 515 Arzneidrogen genannt wurden oder als Personifikationen auf der Bühne auftraten. Es zählt zum Genre des pharmazeutischen Lehrtheaters, das in China eine jahrhundertelange, staatlicherseits geförderte Tradition hatte, denn die Regierung betrachtete es als wertvoll für die Ausbildung der Apotheker, die ihr sehr am Herzen lag. Diese besondere Fürsorge lag im Konfuzianismus begründet, nach dessen Lehre der Apotheker für die Volksgesundheit wichtiger war als der Arzt. Das pharmazeutische Lehrtheater war der historischen Forschung lange verborgen geblieben, denn seine Stücke sind nur in handschriftlichen Büchern überliefert, weil sie für den Druck nicht anspruchsvoll genug erschienen oder auch zu obszön waren. Sie vermittelten dem Publikum das pharmazeutische Fachwissen in äußerst dramatischen Handlungen mit vielen Kampf- und Schlachtenszenen, Sex and Crime, Kabale und Liebe, garniert mit plattem bis hintergründigem Humor. Akteure waren die Arzneidrogen, die dabei auf allegorische Weise ihre typischen Eigenschaften preisgaben. Das von den Bösewichtern angerichtete Unheil wies meistens auf eine falsche Arzneimittelanwendung hin. Zum Glück kamen letzten Endes meistens die indizierten Drogen zum Einsatz, sodass die Geschichten gut endeten.

Leier und Schwert

Prof. Dr. Werner Kümmel, Mainz, referierte die seit dem Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert geführte Kontroverse, ob die Musik den Mann, insbesondere den Herrscher, verweichliche und verweibliche und damit für seine Lebensaufgaben untauglich mache. Zahlreiche Staatstheoretiker behaupteten, dass ein Herrscher, der musikalischen Darbietungen lauscht oder gar selbst musiziert, dadurch zwangsläufig seine militärische Qualifikation mindert. Die These der Unvereinbarkeit von "Leier und Schwert" widerlegte um 1750 ein für allemal Friedrich der Große, etwas später auch sein Neffe Louis Ferdinand v. Preußen († 1806) und der Freiheitskämpfer Theodor Körner († 1813). Z W. Caesar Kastentexte "Der Apotheker hat zwei Augen – er kennt die Krankheiten und die Arzneien. Der Arzt hat ein Auge – er kennt die Krankheiten, aber nicht die Arzneien. Der Patient hat kein Auge – er kennt weder Krankheiten noch Arzneien." Chinesisches Sprichwort

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