Arzneimittel und Therapie

Hirntumore: Bessere Überlebenszeit durch Temozolomid

Die Therapiechancen bei bösartigen Hirntumoren sind noch keineswegs befriedigend. Doch es gibt deutliche Fortschritte, und das betrifft nicht nur die Operationstechniken, sondern auch die Radio-Chemotherapie, wie beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie in Essen dargelegt wurde.

An einem malignen Gliom erkranken jährlich in Deutschland rund 3000 Menschen, wobei die Prognose nach wie vor ungünstig ist. Denn die Tumore neigen sehr stark zur Metastasierung, und eine Heilung ist nur in einem geringen Prozentsatz der Fälle möglich. Rund zwei Drittel der Patienten verstirbt hingegen schon innerhalb des ersten Jahres nach Diagnosestellung.

Es wird deshalb auf allen Ebenen der Therapie intensiv an der Entwicklung neuer Verfahren und Strategien zur Verbesserung der Prognose gearbeitet. Die Neurochirurgie steht dabei stets an erster Stelle. Sie wird kombiniert mit der Strahlen- und in aller Regel auch mit einer Chemotherapie, da eine vollständige Resektion des Tumors nahezu unmöglich ist. Wird anschließend die Radiotherapie alleine eingesetzt, so verlängert sich die mediane Überlebenszeit um drei bis fünf Monate.

Temozolomid verlängert die mittlere Lebenszeit

Durch die zusätzliche Chemotherapie ist ebenfalls eine Verlängerung der mittleren Lebenszeit zu erwirken, beispielsweise durch das 1999 in die Therapie eingeführte orale Alkylans Temozolomid, das mehr und mehr zum Standard bei der Chemotherapie des malignen Glioms zu werden scheint.

Vergleichsstudien mit dem bisher üblicherweise eingesetzten Wirkstoff Procarbazin zeigen in den Studien eine höhere Ansprechrate und auch eine Verlängerung der mittleren Überlebenszeit. Durch solche Studien wurde insbesondere belegt, dass Glioblastome durchaus chemosensibel sind, wobei Temozolomid sich bei Astrozytomen als wirksam erwiesen hat und auch bei den ansonsten als weitgehend als therapieresistent geltenden Gliomen des WHO-Grades IV ein klinisch signifikantes Ansprechen erwirkt.

Hoffnungen setzen die Mediziner derzeit auf die neoadjuvante Chemotherapie, in der Temozolomid in vier Zyklen vor der Radiotherapie verabreicht wird. Dadurch lässt sich, so die ersten Studiendaten, die Prognose deutlich bessern, wobei in 13 Prozent der Fälle eine komplette Remission und in 31 Prozent eine partielle Remission erwirkt wurde. Die mediane Überlebenszeit wurde durch diese Strategie auf 13 Monate gesteigert.

Noch deutlich bessere Ergebnisse erhoffen die Mediziner sich von einer simultanen Radio-Chemotherapie, und es gibt Hinweise aus ersten Studien, dass sich dadurch die Überlebenszeit auf durchschnittlich 15 Monate steigern lässt. Allerdings fehlen noch Daten aus randomisierten Studien, die jetzt aber anlaufen.

Vermutet wird dabei, dass sich durch die postoperative simultane Strahlen- und Chemotherapie mit Temozolomid mit anschließender Erhaltungstherapie im Vergleich zur alleinigen Strahlentherapie eine bessere lokale Tumorkontrolle erwirken lässt, was sich in einem besseren Überleben der Patienten niederschlagen sollte.

Simultane Radio-Chemotherapie bald Standard?

Ob sich dies bewahrheitet, prüft die EORTC-Studie (European Organization for Research and Therapy of Cancer) bei 520 Patienten, wobei mit ersten Ergebnissen noch in diesem Jahr gerechnet wird. Dann wird sich zeigen, ob die simultane Radio-Chemotherapie zu einem neuen Standard bei der Primärtherapie des Glioblastoms werden wird.

Parallel dazu werden bereits jetzt weitere Indikationen für das normale Alkylans geprüft. Ersten Daten zufolge ist dieses auch bei rezidivierenden anaplastischen Oligodendrogliomen und Oligoastrozytomen wirksam, und auch bei primären zerebralen Lymphomen können Remissionen erzielt werden.

Wirksam scheint das Chemotherapeutikum ferner bei der Behandlung zerebraler Metastasen und hier insbesondere bei zerebral metastasierenden Bronchialkarzinomen zu sein. Es gibt deshalb parallel zu den vorgestellten Untersuchungen bei primären Hirntumoren nunmehr auch weitere Studien, bei denen überprüft wird, inwieweit durch das ZNS-gängige Chemotherapeutikum Temozolomid auch Hirnmetastasen bei soliden Tumoren günstig zu beeinflussen sind.

Quelle

Dr. Martin Kocher, Köln; Prof. Dr. Michael Weller, Tübingen; Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann, Braunschweig; Prof. Dr. M. Heinrich Seegenschmiedt, Essen: Satellitensymposium "Standards in der Therapie von Hirntumoren", Essen, 30. Juni 2003, veranstaltet von der Essex Pharma GmbH, München.

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