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Bereich Nordrhein: Die Auswirkungen des BSSichG auf die GKV-Ausgaben für Arznei
Eingelöste Rezepte
Im ersten Halbjahr 2003 sind in den nordrheinischen Apotheken knapp 31,4 Mio., und damit rund 1,5 Prozent oder annähernd 500 000 weniger an ärztlich ausgestellten Rezepten zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen eingelöst worden als im entsprechenden Vergleichszeitraum des Vorjahres (31,9 Mio.). Das ist fast genau jene Zahl an Rezepten, die im April des Jahres weniger eingelöst wurden als im April 2002 (minus 8,9 % oder fast 510 000 Rezepte).
Inwieweit dieser Rückgang über den Zeitraum von sechs Monaten – unter Berücksichtigung der Sondersituation im April wegen der Osterferien – eine Trendwende eingeleitet haben könnte, kann anhand der vorliegenden Zahlen nicht beurteilt werden, bedarf aber augenscheinlich weiterer Untersuchungen, die sich insbesondere mit den Thesen "restriktiveres Verordnungsverhalten der Vertragsärzte", "veränderter Krankenstand der in der Gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personen" und "Veränderung des Verhaltens der Bevölkerung in Bezug auf Arztbesuche" beschäftigen sollten.
Verordnungsvolumen
Der durchschnittliche Wert je Rezept liegt im ersten Halbjahr mit 46,80 Euro um gut 6,6 % über dem des Vergleichzeitraums des Vorjahres (43,90 Euro). Höhere Verordnungsdurchschnitte deuten einerseits auf die Verordnung innovativer, hochpreisiger Arzneimittel (oder auch größerer Packungseinheiten), andererseits auf ein restriktiveres Verordnungsverhalten der Vertragsärzte hin. Auch diese Gesichtspunkte sollten bei der Analyse des Rückgangs der Rezeptzahlen Berücksichtigung finden.
Aufgrund des Anstiegs des durchschnittlichen Wertes je Rezept ist das Verordnungsvolumen (vor Abzug von Rabatten und Zuzahlung) in den ersten sechs Monaten des Jahres gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres – trotz des wie oben beschriebenen Rückganges der Rezeptzahlen um 1,5 % – um 5,0 %, und zwar von 1 399,4 Mio. Euro auf 1 468,9 Mio. Euro, gestiegen.
Apothekenrabatt und ...
Seit Inkrafttreten des BSSichG zum 1. Januar 2003 haben die Apotheken den Krankenkassen auf Arzneimittel einen erhöhten Rabatt gemäß § 130 SGB V zu gewähren, der im Januar 2003 in Nordrhein mit 20,3 Mio. Euro – monatsbezogen – erstmals die 20 Millionen-Marke überstiegen hat, über Februar (auf 38,3 Mio. Euro), März (auf 57,0 Mio. Euro), April (auf 77,1 Mio. Euro) und Mai (auf 96,2 Mio. Euro) angewachsen ist, und in Nordrhein im Juni des Jahres mit 114,9 Mio. Euro die 100 TEuro-Marke bereits deutlich überschritten hat!
Wie Sonderberechnungen ergeben haben, entfallen vom gesamten Verordnungsvolumen in den nordrheinischen Apotheken ca. sieben Achtel auf Fertigarzneimittel, die der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) unterliegen, und auf die der neue, gestaffelte Apothekenrabatt (nach § 130 SGB V i.d.F.d. BSSichG) Anwendung findet. Das "restliche" Achtel des Verordnungsvolumens wird – bis auf geringe Ausnahmen, programmtechnisch – mit 6 % rabattiert.
Damit ist der Apothekenrabatt auf – der AMPreisV unterliegende – Arzneimittel von 5 % im Januar 2002 bzw. 6 % ab Februar 2002 im ersten Halbjahr 2003 auf durchschnittlich 8,08 % gestiegen.
... Großhandelsabschlag kumulieren zu ...
Neben dem neuen, erhöhten Rabatt (nach § 130 SGB V) haben die Apotheken den Krankenkassen zusätzlich den Großhandelsabschlag (bei rezeptpflichtigen und zu Lasten der GKV erstattungsfähigen Arzneimitteln) in Höhe von 3 % des Apothekenverkaufspreises zu gewähren, der ihnen – theoretisch – vom liefernden Großhandel ersetzt werden muss.
Dieser Abschlag beläuft sich für die ersten sechs Monate des Berichtsjahres in Nordrhein auf knapp 32,1 Mio. Euro, oder 2,18 % des gesamten Verordnungsvolumens. Wiederum bezogen auf den – der AMPreisV unterworfenen – Fertigarzneimittelumsatz heißt dies, dass wertmäßig rund 83,2 Prozent dieser Fertigarzneimittel rezeptpflichtig und erstattungsfähig waren – und damit dem Großhandelsabschlag unterlegen sind.
... Ertragseinbußen
Da den Apotheken dieser – vom Großhandel zu leistende – Abschlag, wie bereits oben angedeutet, seitens des Großhandels nur geringfügig erstattet worden ist (der Großhandel hat diesen Abschlag in der Vergangenheit vielmehr überwiegend mit den bisher den Apotheken gewährten Rabatten "verrechnet" [bzw. aufgrund seiner eigenen Renditesituation "verrechnen" müssen].
Sondererhebungen des Deutschen Apothekerverbandes gehen aktuell von einer Weiterwälzung von 80 % aus; für Nordrhein dürfte dieser Wert eher höher liegen, da das Rabattniveau in Nordrhein vor Inkrafttreten des BSSichG wegen der besonderen Wettbewerbssituation der Großhandlungen im Ballungsgebiet an Rhein und Ruhr über dem Bundesdurchschnitt gelegen hat), schlagen von diesen (weiteren) 2,18 % an gewährtem Großhandelsabschlag rund 1,75 % auf die Rendite der Apotheken durch.
Im Ergebnis haben die nordrheinischen Apotheken den Krankenkassen im ersten Halbjahr 2003 auf Fertigarzneimittel einen um knapp 70 Prozent höheren Rabatt (oder vier Prozentpunkte mehr!) als im Vorjahreszeitraum gewähren müssen, der (nach Abzug der Umsatzsteuer) den Rohertrag- und damit den Gewinn vor Steuern – jeder nordrheinischen Apotheke im ersten Halbjahr um mehr als 20 100 Euro geschmälert hat.
Zuzahlungen der Versicherten
Trotz des gestiegenen Verordnungsvolumens ist die Zuzahlung der Versicherten – auch im Verhältnis zur Entwicklung der Rezeptzahlen, und damit selbstverständlich auch absolut – gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres gesunken, so dass diese im Berichtszeitraum 2003 – nicht geleisteten – Versichertenzuzahlungen die GKV wieder zusätzlich belastet haben. So ist die Zahl der von der Zuzahlung befreiten Rezepte im ersten Halbjahr 2003 gegenüber dem Vorjahreszeitraum, trotz des bereits sehr hohen Niveaus, noch weiter gestiegen .
Herstellerrabatt
Zu einem – weiteren, wenn auch nicht so starken – Rückgang der GKV-Ausgaben haben die neuen Herstellerrabatte (nach § 130 a SGB V) mit 2,05 % des Verordnungsvolumens beigetragen. So haben die Apotheken aktuell gegenüber den Krankenkassen einen 6%tigen Rabatt auf den Herstellerabgabepreis auf alle zu Lasten der GKV abgegebenen Fertigarzneimittel zu leisten, die nicht Festbetrags- oder aut-idem-geregelt sind.
Anschließend hat der Hersteller diesen Rabatt der Apotheke gegen Nachweis zu erstatten. Diese neue, den Apotheken auferlegte Zusatzaufgabe belastet die Apotheken und die von ihnen beauftragten Rechenzentren mit weiteren Kosten (Aufbau eines zweiten Rechnungswesens, Eintreibung säumiger Zahlungen seitens einzelner Hersteller usw.)
Fazit
Ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Beitragssatzsicherungsgesetz kann festgehalten werden:
1. Das zu Anfang des Jahres innerhalb der vorgegebenen Zeitspanne für kaum umsetzbar Erachtete, nämlich eine korrekte Abrechnung ihrer erbrachten Leistungen gegenüber den Krankenkassen zu erstellen, ist für die öffentlichen Apotheken und deren Rechenzentren zwischenzeitlich Standard.
Es gibt zwar immer noch kleinere Unstimmigkeiten im Rahmen der Abrechnung; diese resultieren aber nicht aus Fehlern oder Mängeln, die den Apotheken oder ihren Rechenzentren anzulasten wären, sondern aus der – nach wie vor – unterschiedlichen Interpretation im Rahmen der Umsetzung eines Gesetzes, das mit der Brechstange (und mit politischen Irreführungen) über die parlamentarischen Hürden gebracht worden ist.
2. Das Volumen, das von den Vertragsärzten zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet und in den nordrheinischen Apotheken eingelöst worden ist, liegt in den ersten sechs Monaten um 5,0 % über dem Niveau des Vorjahreszeitraumes. Dennoch sind die Ausgaben der Krankenkassen im ersten Halbjahr 2003 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 2,6 Prozent gesunken!
Die gegenüber den Apotheken erhöhten Rabatte und die neuen, den Großhandlungen und Herstellern gesetzlich zugeordneten Rabatte haben, trotz einer weiter rückläufigen Zuzahlung der Versicherten, zu dieser Entlastung der Krankenkassen geführt.
3. Trotz eines um 5,0 % höheren Leistungsumfangs gegenüber den Krankenkassen haben die nordrheinischen Apotheken bereits in den ersten sechs Monaten des Jahres aus Leistungen zu Lasten der GKV durchschnittlich mehr als 20 100 Euro weniger an Rohertrag, und damit an Gewinn vor Steuern erzielen können.
4. Die Zahl der öffentlichen Apotheken ist – saldiert – in Nordrhein innerhalb eines Jahres von 2539 Apotheken (am 30.6.2002) um 25 Apotheken auf 2514 Apotheken (am 30.6.2003) zurückgegangen.
Dipl.-Math. Uwe Hüsgen, Geschäftsführer des Apothekerverbandes Nordrhein eV., Düsseldorf
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