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Podiumsdiskussion der "Apotheker im Internet" zum Hausapothekenmodell: Alternati
Zu der von 100 Apothekerinnen und Apothekern gut besuchten Veranstaltung konnte Sigrid Renate Drasch, Bezirksvorsitzende des Bayerischen Apothekerverbandes und gleichzeitig 2. Vorsitzende des Vereins, auf dem Podium neben Glaeske und Wolf auch Dr. Martin Schulz, den Leiter des Zentrums für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis (ZAPP) der ABDA, Florian Picha, Apothekenleiter und 1. Vorsitzender des Vereins "Apotheker im Internet", Karin Wahl, Apothekenleiterin und Mitglied des Vorstandes der Bundesapothekerkammer, sowie Moderator Werner Hilbig vom Verlag Wort & Bild begrüßen.
Glaeske: "Zu viele wurden bisher mitgeschleppt..."
In seinem Eingangsstatement sprach sich Glaeske für eine Weiterentwicklung und Vielfalt des Systems der Arzneimitteldistribution aus, die auch die Möglichkeit des Versandhandels einschließe. Dass es dabei nicht nur Gewinner geben könne, sei politisch einkalkuliert. Zu viele Leistungserbringer seien in der Vergangenheit "mitgeschleppt" worden.
Dies gelte für alle Bereiche innerhalb des Gesundheitswesens, auch für Apotheken. Ursächlich für die "langjährige Fehlentwicklung", so Glaeske, sei das System bestehender Kollektivverträge, das eine Differenzierung unter den Leistungserbringern wesentlich erschwere. Dadurch habe sich in Deutschland eine Selbstbedienungsmentalität entwickelt. Ihr müsse politisch entgegen gewirkt werden.
Als Alternative zum Versandhandel stellte ABDA-Vizepräsident in München noch einmal die Grundlagen des niedersächsischen Hausapothekermodells vor. Durch die Zusammenarbeit des Landesapothekerverbandes mit den Betriebskrankenkassen seien keine Einzel-, sondern Ergänzungsverträge geschlossen worden.
Jede Apotheke habe die Möglichkeit, an dem Modell teilzunehmen – allerdings unter der Voraussetzung nachgewiesener Fortbildungsmaßnahmen.. Die Kooperation zwischen Apotheken und Krankenkassen in Niedersachsen habe ihren Ursprung darin, dass Hannover das "Epizentrum des Versandhandels von Arzneimitteln" gewesen sei.
Dass man beim Hausapothekermodell Teststreifen zum Einkaufspreis sowie Rabatte auf das Freiwahlsortiment gegeben habe, sei kein Entgegenkommen an die Krankenkassen. Vielmehr ist diese Maßnahme durch das Verhalten der Versandhandels-Konkurrenz begründet, die bei den Patienten illegalerweise keine Zuzahlungen einfordern.
Wolf zeigte sich auch davon überzeugt, dass die Krankenkassen den Versandhandel mit Arzneimitteln keineswegs "aus Prinzip" anstrebten. Allerdings erwarten die Kassen, dass sich die Apotheker bei der Arzeneimittelversorgung hinsichtlich neuer sozialer Strukturen – bis zu 60 Prozent Single-Haushalte in den Großstädten – auf diese einstellen. Sofern keine Familienangehörige die benötigte Arznei für an das Krankenbett gefesselte Patienten besorgen können, müssten "wir Apotheker unseren Handverkaufstisch bis an das Krankenbett verlängern!"
Grundsätzlich sollte nicht der Preis das Kriterium für das Zustellen der Arzneimittel sein, sondern die pharmazeutische Notwendigkeit. Diese Notwendigkeit sei bei der wohnortnahen Apotheke jedoch nicht gegeben. Versandhandel und Callcenter seien auf keinen Fall in der Lage, die möglicherweise notwendige persönliche Beratung durch pharmazeutisches Botenpersonal zu ersetzen.
Der ABDA-Vizepräsident meinte, dass Einsparungen keinesfalls über neue Versorgungsstrukturen erzielt werden. Einsparungen könnten vielmehr mit einem intensiven Einsatz der Apotheken-EDV erreicht werden, da es mit deren Hilfe möglich ist, Arzneimitteldossiers anzulegen, die den Apotheker befähigen, der Über- und Fehlversorgung entgegenzusteuern.
Wahl und Schulz: Weiterer Spar-Druck zu Lasten der Patienten
Karin Wahl wies darauf hin, dass die ökonomische Seite der Arzneimittelversorgung ohnehin überbetont werde: "Qualität hat eben ihren Preis und Beratung kostet Zeit! Wenn wir Apotheker immer mehr Kapazitäten einsparen müssen, kann die bisherige ≠all-inclusive-Leistung' nicht mehr erbracht werden."
Seit der Einführung des Beitragssatzsicherungsgesetzes könne bei der Distribution nicht noch weitere Einsparungen vorgenommen werden, ohne dass dafür Qualitätsverluste für die Patienten in Kauf genommen werden müssten. Sie folgte damit ihrem Vorredner Dr. Martin Schulz, der bei weiteren Einsparungen bei der Arzneimitteldistribution ebenfalls eine Verschlechterung der Versorgungsqualität befürchtet.
Picha: Chancen ergreifen
Der Erste Vorsitzende des Vereins Apotheker im Internet e. V., Florian Picha, sieht in der von der ABDA propagierten Änderung der Arzneimittelpreisverordnung "eine echte Chance für die Apotheker!" Seiner Ansicht nach könnte eine pharmazeutische Leistung, die unabhängig vom Arzneimittelpreis ausgezahlt wird in Verbindung mit dem Hausapothekenmodell ein Weg in die Zukunft sein.
Allerdings sei es denkbar, dass dies auf Seiten der Patienten Irritationen hervorruft, wenn sie registrieren, dass es Apotheken gibt, die am Hausapothekenmodell teilnehmen und solchen, die an diesem Modell nicht beteiligt sind. Im Hinblick auf die von der Politik geplanten Vorteile zugunsten der Versandhändler beklagte Picha, dass damit gerade nicht mit den viel zitierten "gleich langen Spießen" gekämpft werde. Diese Wettbewerbsnachteile für die Apotheken seien nicht hinnehmbar.
Auf diesen Punkt bezogen, betonten sowohl Wolf als auch Schulz, dass sich mit der Einführung des ABDA-Kombimodells sich das Thema Versandhandel ohnehin erübrige, da der Versandhandelsapotheke durch den Wegfall des prozentualen Aufschlags bei hochpreisigen Arzneimitteln die ökonomische Grundlage entzogen werde.
Lebhafte Diskussion
Eine der drängendsten Fragen wurde gleich zu Beginn der Diskussionsrunde gestellt: So wollte ein Apotheker wissen, ob er und seine Kollegen mit der Einführung von Fixaufschlägen überhaupt noch in der Lage seien, teure Medikamente vorrätig zu halten.
ABDA-Vizepräsident Wolf erläuterte, dass genau dafür ein dreiprozentiger Fixaufschlag beim ABDA-Modell vorgesehen sei. Außerdem sei zu bedenken, dass bei einem durchschnittlichen Warenlager das jährlich acht mal umgeschlagen werde, sich dieses schon mit ca. 1,4 Prozent Fremdkosten finanzieren ließe.
Natürlich berge jede Systemveränderung auch Risiken, aber es gehe auch um Glaubwürdigkeit, warb Wolf für das ABDA-Modell, das auch für einen "Gerechtigkeitsschub" innerhalb der Apothekerschaft sorgen werde.
In der Diskussion machte Glaeske erneut seinen Standpunkt klar, wonach rund 15 Prozent der Ausgaben für Arzneimittel überflüssig seien. Den Einwand, dass bei einigen Krankheitsbildern eine nicht unerhebliche Unterversorgung vorhanden sei, konterte Glaeske mit dem Hinweis, dass es im gleichen Ausmaß eine Über- und Fehlversorgung gebe. Diese Indifferenz könne jedoch durch das Hausapothekermodell verbessert werden.
Gleichzeitig wies der Professor aber auch darauf hin, dass die Kundenbindung nicht mit Rabatten und Werbegeschenken seitens der Apotheker zu betreiben sei, sondern die Patienten mit pharmazeutischen Leistungen überzeugt werden müssten.
Auf die Frage, ob es unter dieser Voraussetzung richtig sei, dass die Steuerungselemente des Hausapothekermodells dann alleine zu Lasten der Apotheker gingen und alle ökonomischen Vorteile auf der Seiten der Kassen lägen, ging Glaeske nicht ein. Mit der Forde-rung der Apotheker nach Absenkung des geltenden Mehrwertsteuersatzes auf sieben Prozent erklärte sich der Gesundheitsexperte jedoch einig.
Moderator Werner Hilbig stellte abschließend fest, dass das Hausapothekermodell ein "Schritt in die richtige Richtung" sei, auch wenn es bei den Details noch Meinungsunterschiede gebe.
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