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- DAZ 30/2003
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Die Seite 3
Als sie vor die Presse traten, sprachen beide von ihrer "schönsten Nacht": Ulla Schmidt und Horst Seehofer über den nächtlichen Verhandlungs-Marathon zur Gesundheitsreform. Was bei der "schönsten Nacht" für Apothekerinnen und Apotheker herauskam, war eine einzige Niederlage. Wir haben gehofft bis zuletzt, auch wenn wir aus Erfahrung wissen, dass große Verhandlungsrunden von Opposition und Regierung kaum etwas Positives bringen können. Es muss immer zu Kompromissen kommen und vieles muss geopfert werden.
Dass die Apotheker dieses Mal wieder so stark betroffen sind, dass wir nichts erreicht haben und keine unserer Wünsche, Forderungen und Warnungen ernst genommen wurden – hat mich sehr bestürzt und enttäuscht. Das am 21. Juli bekannt gewordene Eckpunktepapier der nächtlichen Verhandlungsrunde offenbart, dass diese Regierung eine Systemveränderung im Apothekenbereich will und durchsetzt.
Nichts wird mehr so sein, wie es einmal war. Versandhandel, Mehrbesitz (auf vier Apotheken beschränkt), niedriger Fixaufschlag (8,10 Euro + 3%-Zuschlag) mit hohem Kassenrabatt (zwei Euro) und die Freigabe der OTC-Produkte – das sind die wesentlichen Eckpunkte, mit denen die Apotheken in Zukunft fertig werden müssen. Vor allem die Zulassung von Versandhandel, Mehrbesitz und die Preisfreigabe von OTC-Produkten macht klar, dass diese Regierung mit dem Begriff "Liberalisierung" eine stärkere Kommerzialisierung der Apotheke meint. Ein Apotheker wird in Zukunft eine Apotheke nur dann erfolgreich führen können, wenn er durch und durch kaufmännisch denkt – bis hin zur Planung von Sonderpreisen bei Arzneimitteln.
Bestätigt hat sich – wieder einmal –, dass auf Politikeraussagen kein Verlass ist. Vergessen wir alle Sonntagsreden, alle Beteuerungen pro Apotheke, kontra Versandhandel und kontra Mehrbesitz: die Union ist eingeknickt wie ein dünner Strohhalm. Sie konnte keine ihrer Zusagen im Apothekenbereich durchsetzen.
Zur Erinnerung: Noch auf dem außerordentlichen Apothekertag am 19. März in Berlin lehnte der Gesundheitsexperte der Union, Horst Seehofer, "Versandhandel mit Arzneimitteln strikt ab". Hinweise der Bundesgesundheitsministerin Schmidt auf europäische Trends hielt er damals nicht für überzeugend. Und heute? Als Politikerphrasen entpuppen sich auch die Worte des Unionsvorsitzenden der Arbeitsgruppe Gesundheit, Andreas Storm. Noch auf dem sächsischen Apothekertag in Dresden formulierte er: "Die CDU will das bestehende Apothekensystem in seinen Strukturelementen erhalten." Nach dem Kompromiss ist davon nichts mehr übrig geblieben.
Und die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion Annette Widmann-Mauz auf einer Gehe-Veranstaltung Ende Juni in Berlin: Das Mehrbesitzverbot sollte bestehen bleiben. Würde der Mehrbesitz zugelassen, würden neue Oligopole entstehen, außerdem würde der Fremdbesitz kommen, was nicht gewollt sei. Zum Versandhandel wörtlich: "Er bringt keine Einsparung, die Qualität wird nicht besser – warum sollte man Versandhandel wollen?" Auch die Preisfreigabe der OTC-Arzneimittel führe nicht zu Einsparungen.
Auch die FDP enttäuschte. Deren Gesundheitsexperte Dr. Dieter Thomae noch im März: Weder Mehr- und Fremdbesitz noch der Versandhandel von Arzneimitteln sind für die Liberalen ein Thema. Und heute? Immerhin zeigte sich diese Partei nicht zufrieden mit dem gefundenen Kompromiss.
Gespannt bin ich schon heute auf das Winden und Herumeiern von Union und FDP, wenn sie sich vor uns Apothekerinnen und Apothekern zu diesem Eckpunktepapier bekennen müssen. Da wird die Rede sein von Kompromissen, die man eingehen müsse, von Geben und Nehmen, da wird uns die Beschränkung des Mehrbesitzes auf insgesamt vier Apotheken als große Errungenschaft verkauft nach dem Motto, eine vollkommene Freigabe wäre ja viel schlimmer gewesen und hätte große Ketten nach sich gezogen. Und beim Versandhandel habe man immerhin "faire Bedingungen für den Wettbewerb von Versandapotheken mit öffentlichen Apotheken geschaffen". Mir wird übel. Bei diesen Verhandlungen wurde nur geschachert, es ging nicht um die Inhalte und Auswirkungen der Vorhaben, sondern nur um Machterhalt, wie etwa "Zahnersatz raus, Mehrbesitz rein".
Wie das Ergebnis auch schön geredet wird – es ist für die Apotheken eine große enttäuschende Niederlage, man möchte fast sagen: es ist der Super-GAU, schlimmer hätte es kaum kommen können. Die ABDA konnte sich nicht mit ihren Bedenken, Warnungen und Argumenten durchsetzen. Lediglich den Vorschlag, die Arzneimittelpreisverordnung auf ein Kombimodell (Fix- und Festzuschlag) umzustellen, griff die Verhandlungsrunde auf, natürlich nicht ohne uns auch hier kräftig zu drücken: nur 8,10 Euro (statt 8,55) soll der Fixzuschlag betragen, und statt 1 Euro sollen die Krankenkassen 2 Euro Rabatt erhalten.
Wir stellen Ihnen die im Eckpunkte-Papier vorgesehenen Maßnahmen ab Seite 22 vor. Wir haben außerdem versucht, ein kleines Stimmungsbild in unserer Redaktion einzufangen, wie das Papier nach dem ersten Durchsehen beurteilt wird. Schreiben Sie uns Ihre Meinung! Gibt es auch Hoffnungsschimmer für die Apotheke nach dieser Gesundheitsreform? Sehen Sie Chancen für Ihre Apothekenzukunft?
Peter Ditzel
Die Niederlage
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