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Arzneimittel und Therapie
Phytotherapie: Baldrian-Hopfen-Kombination gegen Schlafstörungen
Sieben Stunden Schlaf sind normal
Gelegentliche Schlafstörungen werden meistens durch innere Anspannungen oder durch falsches Ernährungsverhalten am Abend – z. B. schwerverdauliche Speisen wie Rohkost, anregende Getränke oder exzessiver Alkoholgenuss – ausgelöst.
Viele Personen klagen über Schlafstörungen, ohne dass sie an einer Insomnie leiden. Sie meinen also zu Unrecht, dass sie nicht lange genug schlafen. Diese an sich unbegründete Sorge um den Schlaf kann allerdings tatsächlich zu Schlafstörungen führen. Den Betroffenen hilft vor allem Aufklärung – und die Verkürzung der Bettliegedauer.
Der durchschnittliche Deutsche schläft von 23.04 Uhr bis 6.18 Uhr, also gut sieben Stunden. Diese Schlafdauer gilt unter Schlafforschern als normal für einen gesunden Menschen. Sie findet sich übrigens auch in der 1500 Jahre alten und millionenfach befolgten Benediktinerregel, die den Tag der Mönche so einteilt, dass sieben Stunden auf den Schlaf, sieben Stunden auf das Gebet und zehn Stunden auf alle übrigen Tätigkeiten entfallen.
Ist der Mond schuld?
Eine im Jahr 2000 durchgeführte Umfrage des Instituts Allensbach ergab, dass 39% der Deutschen an einen Zusammenhang zwischen Vollmond und Schlafstörungen glauben; fünf Jahre zuvor bekannten sich nur 22% zu dieser Aussage, die allerdings durch zahlreiche wissenschaftliche Studien gründlich widerlegt ist (zuletzt J. Zeitlhofer, 2003).
Zwar kann das Mondlicht den Schlaf stören, die Mondphasen selbst – Vollmond, Neumond, zunehmender und abnehmender Mond – entfalten jedoch keinerlei Wirkung auf den menschlichen Organismus, weder auf den Schlaf noch auf irgendwelche anderen physiologischen Phänomene.
Die empirischen Studien stimmen mit physikalischen Berechnungen überein, denen zufolge die Gravitation des Mondes, die in den Weltmeeren die Gezeiten verursacht, völlig unzureichend ist, um das Verhalten der Flüssigkeit im Organismus zu verändern und eventuell auf diese Weise physiologisch etwas zu bewirken.
Die innere Uhr und das Schlafprofil
Mehrwöchige Untersuchungen an Probanden, die in unterirdischen Räumen isoliert waren, die Uhrzeit nicht kannten und den Wechsel von künstlicher Beleuchtung und Dunkelheit selbst regeln mussten, legen den Schluss nahe, dass der menschliche Schlaf-Wach-Rhythmus endogen gesteuert wird, denn die Probanden behielten einen Rhythmus von etwa 24 Stunden bei.
Wichtigster sekundärer Regler ist das Hormon Melatonin, das schlaffördernd wirkt und ab einer Lichtstärke von 2500 Lux nicht mehr vom Körper synthetisiert wird (helles Tageslicht hat etwa 10 000 Lux, eine Vollmondnacht nur 0,2 Lux).
Man unterscheidet vier Schlafstadien sowie das zwischen dem Stadium 1 (leichter Schlaf) und dem Wachsein angesiedelte REM-Stadium (rapid eye movement), in dem der Mensch träumt (Abb. 1).
Unverzichtbar für Gesundheit und Wohlbefinden sind der Tiefschlaf der Stadien 3 und 4 und der REM-Schlaf, während eine Verkürzung der Schlafstadien 1 und 2 keine negativen Folgen nach sich zieht. Im Gegenteil: Zu langes Schlafen kann eine Ursache von Schlafstörungen sein (s.o.).
Mit zunehmendem Alter wird der Nachtschlaf kürzer und leichter, während das Bedürfnis eines Mittagsschlafs größer wird.
Behandlung der Insomnie
Eine Insomnie sollte zunächst mit Maßnahmen der
- Schlafhygiene – z. B. ruhiges, kühles Schlafzimmer (16 bis 18 ľC), gute Matratze, leichte Abendmahlzeit, kein oder sehr mäßiger Alkoholgenuss am Abend, "Einschlafritual" – und
- Verhaltenstherapie – z. B. körperlich-seelische Entspannung, Verkürzung der Schlafdauer –
behandelt werden. Eine medikamentöse Therapie sollte solche Maßnahmen nur ergänzen. Pflanzliche Schlafmittel wie z. B. Baldrian-Hopfen-Kombinationspräparate bieten sich deshalb vorrangig zur medikamentösen Therapie an, weil sie sowohl die Einschlafzeit als auch die Wachzeiten zwischen den Schlafphasen verkürzen, ohne das Schlafprofil grundlegend zu ändern und die Aktivität am Tag zu beeinträchtigen.
Bei 30 Patienten mit leichter Insomnie, die zwei Wochen lang mit dem Baldrian-Hopfen-Spezialextrakt Ze 91019 behandelt wurden, stieg die Schlafeffizienz – das ist der Anteil des Schlafs an der Bettliegezeit – signifikant von 80,4% auf 86,9%. Die Dauer des Schlafstadiums 1 sank auf weniger als die Hälfte, während sich die Dauer aller anderen Schlafstadien verlängerte (A. Füssel, 2000).
Eine vom TÜV Rheinland initiierte plazebokontrollierte Studie wies nach, dass Ze 91019 keinerlei Hangover-Effekte bewirkt. Die Probanden waren hinsichtlich Reaktionsschnelligkeit und -sicherheit nicht beeinträchtigt, und in Bezug auf Dauerkonzentration, Stresstoleranz und motorische Koordination waren sie der Plazebogruppe sogar überlegen (Kammerer, 1996).
Benzodiazepine sollten nur kurze Zeit bei schwerer Insomnie eingesetzt werden. Sie bergen die Gefahr, dass der Patient eine Abhängigkeit entwickelt, und häufig haben sie unerwünschte Nebenwirkungen wie Tagesmüdigkeit, Schwindel und Schwächegefühl. Zudem ist die Benommenheit infolge von Benzodiazepinen bei älteren Personen, die nachts die Toilette aufsuchen müssen, bereits in den 90er-Jahren als eine Ursache für Stürze und Frakturen erkannt worden.
Eine ebenfalls in den 90er-Jahren durchgeführte Studie zeigte, dass ältere Patienten mit langjährigem Benzodiazepin-Abusus erfolgreich auf Ze 91019 umgestellt werden können (Flesch, 1997).
Wirkmechanismus von Baldrian und Hopfen
Baldrianextrakterhöht in vitro die Konzentration der g-Aminobuttersäure (GABA) im synaptischen Spalt von Neuronen; dieser GABA-erge Mechanismus ist auch von Benzodiazepinen her bekannt und eher unerwünscht, weil er den Anteil der Schlafstadien 3 und 4 zugunsten des Stadiums 2 verkürzt. Da dieser Befund nicht mit der klinischen Studie von Füssel zum Schlafprofil nach Gabe von Ze 91019 übereinstimmt (s. o.), wurden weitere sedative Wirkmechanismen von Baldrian vermutet.
In der Tat zeigten neuere In-vitro-Studien, dass Baldrianextrakt auch agonistisch auf Adenosin-1-Rezeptoren wirkt (Christa E. Müller, 2001 und 2002). Adenosin, dessen Spiegel abends relativ hoch, morgens relativ niedrig ist, ist ein Schlaffaktor; Adenosin-Antagonisten wie Coffein wirken dem gemäß stimulierend.
Für den A1-Rezeptor-Agonismus von Baldrian sind wahrscheinlich hydrophile Lignane wie Hydroxypiniresinol (Abb. 2) verantwortlich, die im methanolisch-wässrigen Extrakt angereichert werden. Ansonsten ist die Identifizierung der wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe des Baldrians noch unbefriedigend.
Die Pharmakologie des Hopfens ist noch weniger geklärt. Zwar wirkt Methylbutenol, ein bei der Lagerung von Hopfen entstehendes Abbauprodukt der Phloroglucinderivate Humulon und Lupulon, deutlich sedierend, doch ist sein Gehalt in den Extrakten zu gering, als dass man ihn als Hauptwirkstoff bezeichnen könnte.
Schwere Schlafstörungen
Die obstruktive Schlafapnö ist mit einer Prävalenz von 4,2% die häufigste schwere Schlafstörung; von ihr sind etwa 40% aller Hypertoniker betroffen – großenteils ohne dass sie es wissen. Sie kann heute durch die nasale Ventilationstherapie erfolgreich behandelt werden.
Das Restless-legs-Syndrom ist eine Missempfindung in den Beinen, die es unmöglich macht, abends entspannt einzuschlafen. Die Therapie ist insgesamt noch unbefriedigend; teilweise haben sich physiotherapeutische Maßnahmen sowie die Gabe von dopaminergen Substanzen, Eisen und Magnesium bewährt.
Quellen
Pressekonferenz "Schlafen und die Kräfte der Natur: das Heilwissen der Klöster und neue Erkenntnisse für die moderne Therapie", veranstaltet von der Forschergruppe Klostermedizin, Würzburg, und der Fa. Abtei, Bühl, am 11. Juni 2003 in Frankfurt/Main. Zeitschrift für Phytotherapie, Ausgabe 2/2003, Themenheft "Pflanzliche Sedativa". Zulley, J., Knab, B.: Die kleine Schlafschule. Freiburg 2002.
"Ein gutes Schlafmittel lässt den Patienten am Tag aktiv sein.." Prof. Dr. Jürgen Zulley
Alluna Einschlaf-Dragees, die am 1. Juli 2003 als apothekenpflichtiges Arzneimittel in den deutschen Markt eingeführt werden, enthalten 310 mg Extrakt. Der Hersteller empfiehlt eine Tagesdosis von 1 bis 2 Filmtabletten, die eine Stunde vor dem Schlafengehen mit Flüssigkeit zu nehmen ist.
Hopfen wurde zwar schon seit dem frühen Mittelalter in Mitteleuropa zum Bierbrauen verwendet, aber seine schlaffördernde Wirkung wurde erstmals im damals arabischen Spanien entdeckt. Um 1900 galt er als obsolet, seit drei Jahrzehnten erlebt er eine Renaissance.
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