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Berichte
Universität Hamburg: Viele Ehrungen am Tag der Pharmazie
Erstmals fand der Hamburger Tag der Pharmazie im größten Hörsaal des Fachbereiches Chemie statt, da das pharmazeutische Institut für die über 300 Gäste nicht ausreichte. Aus Anlass des Jahres der Chemie betonte Institutsdirektor Prof. Dr. Detlef Geffken, wie fest die Pharmazie in der Chemie verwurzelt ist. Dies gelte in gleicher Weise für das Hamburger pharmazeutische Institut als Teil des Fachbereiches Chemie der Universität.
Erfolge der Hamburger Pharmazie in schwieriger Zeit
In seinem Grußwort beschrieb Prof. Dr. Holger Fischer, Vizepräsident der Universität Hamburg, den Wandel der Hochschullandschaft in der Hansestadt. Die Öffentlichkeit nehme hiervon wenig Notiz, obwohl auch die Allgemeinheit von dem sinkenden Studienplatzangebot betroffen sein werde.
An der Pharmazie würdigte er insbesondere die Interdisziplinarität, die in anderen Fächern keineswegs selbstverständlich sei. Neben vielen Publikationen seien Patente, die zu marktfähigen Produkten geführt haben, der eindrucksvollste Beweis dafür, dass die Universität gesellschaftlich relevante Forschung erbringe. Zudem habe die Hamburger Pharmazie in einem Ranking der DFG in vielen Kategorien einen Platz in der Spitzengruppe erreicht.
Auch Prof. Dr. Joachim Thiem, Dekan des Fachbereichs Chemie der Universität Hamburg, würdigte die Erfolge der Hamburger Pharmazie und hob dabei die jüngsten Berufungen der in Hamburg habilitierten Pharmazeuten hervor. Prof. Dr. Andreas Link lehrt inzwischen in Marburg, Priv.-Doz. Dr. Conrad Kunick erhielt kürzlich einen Ruf nach Braunschweig.
Prof. Dr. Theodor Dingermann, Präsident der DPhG, hob die Bedeutung der wissenschaftlichen Fachgesellschaft speziell in der derzeitigen Situation hervor. In einer Zeit, in der Gesundheit immer mehr aus der ökonomischen Perspektive betrachtet werde, sollte deutlich gemacht werden, dass der gesundheitliche Fortschritt wesentlich auf Arzneimitteln beruht.
Nach Ansicht von Dr. Reinhard Hanpft, Geschäftsführer der Apothekerkammer Hamburg, befindet sich der überwiegende Teil der Apothekerschaft angesichts der politischen Entwicklung in einer existenzbedrohenden Krise. Dennoch sei vor Panik- oder Weltuntergangsstimmung zu warnen.
Dem Berufsnachwuchs müsse eine Perspektive geboten werden. Apotheker würden immer gebraucht, wenn sie kompetent und auf der Höhe der Zeit seien. Daher bilde die universitäre Ausbildung die wichtigste Grundlage für die Zukunft. Hanpft dankte dem Team des pharmazeutischen Instituts für die Leistungen bei der Ausbildung der Studierenden für alle Berufssparten. Dabei hob er besonders das Engagement für die Etablierung der klinischen Pharmazie hervor, durch die neue Lehr- und Forschungsinhalte entstehen.
Ehrendoktorwürde für Prof. Dr. Gerwalt Zinner
Nach den Grußworten würdigte Prof. Dr. Detlef Geffken in einer sehr persönlichen Laudatio das wissenschaftliche Werk und die Persönlichkeit von Prof. Dr. Gerwalt Zinner, dem anschließend die Ehrendoktorwürde der Universität Hamburg verliehen wurde. Mit dieser sehr seltenen Ehrung solle die jahrzehntelange Verbundenheit Zinners mit dem Hamburger Institut weiter gefestigt werden.
Zinner wurde am 30. September 1924 in Schalkau am Thüringer Wald geboren. Aufgrund seiner vielfältigen Begabungen sei die Berufswahl schwer gefallen. Auch künstlerische Fächer wie Operettenkomposition, Schauspielregie und Theaterkritik wurden erwogen. Nach Kriegseinsätzen in Russland und Bosnien-Herzegowina mit Verwundung, Lazarettaufenthalten und Gefangenschaft entschied er sich allerdings für die Naturwissenschaften und das pharmazeutische Praktikum.
Ab 1947 studierte er bei Prof. Dr. Horst Böhme in Marburg. Nachdem Zinner 1951 dieses erste Studium abschloss, studierte er außerdem Chemie und Lebensmittelchemie und wurde bereits 1953 promoviert. Die Habilitation folgte 1957. Dieses beeindruckende Pensum war nach Einschätzung von Geffken nur durch ungewöhnliche Kreativität, Disziplin und Konzentration auf das Wesentliche möglich. Dabei kam auch das Privatleben keineswegs zu kurz, Zinner heiratete 1956 seine Kommilitonin Margarete Winterfeld.
Nach einem zweijährigen Extraordinariat für pharmazeutische Technologie in Münster wurde Zinner 1965 Professor für pharmazeutische Chemie in Braunschweig, wo er 1991 emeritiert wurde. Er betreute 57 Doktoranden und fünf Habilitanden, darunter Prof. Dr. Detlef Geffken. Der einstige Schüler Zinners erinnerte an den Geist von Toleranz, Freiheit, schöpferischer Unruhe und fürsorglicher Begleitung in Zinners Institut.
Zinner habe stets den kritischen Diskurs gefördert und gefordert. Etwa 230 Veröffentlichungen sprächen für seine schöpferische Originalität. Aus tiefer Überzeugung fühle sich Zinner der Grundlagenforschung verpflichtet, die der Suche nach der Wahrheit entspringt. Die Grundlagenforschung schaffe unabhängig vom Zeitgeist beständige Ergebnisse, erfordere aber Geduld, Stille und Beharrlichkeit.
Das zentrale Thema seines Werkes, das er in den vielfältigsten Variationen betrachtete, waren Hydroxylamin und Hydrazin. Als hochreaktive Moleküle führen sie zu den verschiedensten Reaktionen und grundsätzlichen Erkenntnissen über labile chemische Bindung. Das Fundament für diese Arbeiten schuf Zinner selbst durch die nach ihm benannte "Zinner-Reaktion".
Mit dem 1,2,4-Oxadiazolidin-3,5-dion schuf er ein neues Ringsystem, das später auch in der Natur gefunden wurde, ebenso wie weitere von Zinner synthetisierte zyklische Strukturen. Demnach standen die "Ringe", die seiner Phantasie entsprangen, im Einklang mit der Natur.
Zinner zeigte sich tief berührt von Geffkens Laudatio und der Ehrung durch den Dekan des Fachbereichs. In seinem Vortrag "Nachdenken über Hydroxylamin oder die schwierige Suche nach der Wahrheit" ließ Zinner die Synthese des Moleküls von 1869 und die Strukturaufklärung bis weit in die 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts Revue passieren. Neben der Darstellung der chemischen Fakten zeichnete er dabei ein Bild der wissenschaftlichen Arbeitsweise jener Zeit und würdigte die Bemühungen der Grundlagenforschung.
Zeugnisse für den Berufsnachwuchs
Der zweite Teil des Tages der Pharmazie begann mit der Aushändigung der Zeugnisse über den Zweiten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung an Hamburger Studierende. Prof. Dr. Hans-Jürgen Duchstein forderte die Absolventen auf, künftig mit ihrer Arbeit weiterzumachen wie bisher.
Sie würden jetzt erst anfangen, ihren Beruf zu entwickeln, und müssten die Fortbildung ernst nehmen. Dann würden sie auch die politischen Probleme bewältigen. "Wellenbewegungen" auf dem Arbeitsmarkt, wie sie in der Pharmazie derzeit zu spüren seien, seien beispielsweise in der Chemie durchaus normal.
GlaxoSmithKline-Wissenschaftspreis
Wie bei den drei vorangegangenen Hamburger Tagen der Pharmazie wurde auch in diesem Jahr der GlaxoSmithKline-Wissenschaftspreis für die Pharmazie verliehen. Damit wird alle zwei Jahre die beste Dissertation des zurückliegenden Zweijahreszeitraumes an der Hamburger Pharmazie gewürdigt.
Der Preisträger war in diesem Jahr Dr. Abolfasl Golisade, der für seine Arbeit über die polymerunterstützte Synthese von antitrypanosomal und antiplasmodial aktiven Adenosinderivaten ausgezeichnet wurde.
Dr. Norbert Marquardt, Operations Director der GlaxoSmithKline-Niederlassung in Bad Oldesloe, übergab den Preis als Vertreter des preisstiftenden Unternehmens. Er betonte die engen Beziehungen des Unternehmens zur Hamburger Pharmazie, die ebenso wie der Preis auch nach dem Umzug der Unternehmenszentrale nach München aufrechterhalten würden.
Dr. Golisade gab einen kurzen Überblick über seine Arbeit. Sie ging von der Erkenntnis aus, dass Adenosinderivate eine zentrale Rolle im Stoffwechsel von Trypanosomen und Plasmodien einnehmen. Substituierte Adenosinderivate könnten daher die Entwicklung dieser Erreger hemmen.
Um potenziell geeignete Substanzen testen zu können, wurde ein Verfahren gesucht, mit dem solche Derivate in hoher Reinheit und Ausbeute zu gewinnen sind. Dabei griff er auf eine von Prof. Dr. Andreas Link, damals Habilitand in Hamburg, entwickelte Methode der kombinatorischen Chemie zurück.
Die Substanzen konnten so ohne Schutzoperationen gewonnen und mit einfachen Trennschritten isoliert werden. Einige der mit diesem Verfahren neu entwickelten Adenosinderivate wurden inzwischen von Kooperationspartnern erfolgreich getestet.
60. Geburtstag von Prof. Dr. Detlef Geffken
Eine Überraschung für das Auditorium und insbesondere für Prof. Dr. Detlef Geffken war die anschließende Laudatio für den Institutsdirektor aus Anlass seines 60. Geburtstages, den er am 17. April begangen hatte. Prof. Dr. Jobst B. Mielck würdigte den Jubilar und überreichte ihm im Namen des Instituts einen Notenständer als Geschenk.
Zu den wesentlichen Stationen in Geffkens wissenschaftlichem Werdegang zählten die Dissertation und die Habilitation bei Zinner, dessen Arbeit somit erneut zur Sprache kam. Geffken baute auf diesen Arbeiten auf und entwickelte weitere Ringsysteme, aus denen Patente für Herbizide hervorgingen, die weltweit genutzt werden.
Geffkens Leidenschaften seien Sport, Musik und Natur. Mielck erinnerte an die Tätigkeit des Jubilars im Orchester des Braunschweiger Doms und an Auftritte bei festlichen Anlässen im Hamburger pharmazeutischen Institut, beispielsweise bei früheren Tagen der Pharmazie.
Lernen von der Natur
Den Abschluss des Vortragsprogramms bildete der Festvortrag von Prof. Dr. Wolfgang Steglich, München, über Synthesen nach dem Vorbild der Pilze und Schwämme. Der Naturstoffchemiker faszinierte das Auditorium mit einem packenden Einblick in die chemischen Syntheseleistungen dieser Organismen. Es sei überraschend, wie viel Chemiker von Pilzen "lernen" könnten. Pilze produzieren vielfältige Strukturen aus einfachen Bausteinen.
Steglich stellte einige skurrile Ringsysteme aus Pilzen vor, deren Struktur durch die Synthese bestätigt werden konnte. Die Substanzen erklären teilweise die Farbe von Pilzen oder versprechen sogar Nutzen als potenzielle Therapeutika gegen Tumoren.
Am Beispiel der Pityriasis versicolor erläuterte Steglich, wie die Erforschung der Naturstoffe helfen kann, die biochemischen Hintergründe einer Krankheit aufzuklären. Die Krankheit äußert sich in weißen Flecken, die sich üblicherweise nicht entzünden. Die betroffenen Hautstellen fluoreszieren in UV-Licht gelb und zeigen nie Sonnenbrand.
Die Krankheit wird durch die Hefe Malassezia furfur verursacht, die von Priv.-Doz. Dr. Peter Mayser, Dermatologe an der Universität Gießen, untersucht wurde. Die Hefe produziert aus Tryptophan diverse farbige und fluoreszierende Stoffe und Substanzen mit stark entzündungshemmender Wirkung. Außerdem wurde ein hochwirksamer UV-Schutzfilter gefunden. So kann das Krankheitsbild auf verschiedene Stoffwechselprodukte der Hefe zurückgeführt werden. Das von der Hefe gebildete Malassezin hemmt die Pigmentbildung von Melanozyten und erklärt die weißen Flecken.
Besonders beeindruckend waren die Schilderungen Steglichs über den Einsatz von Pilzen als Bioreaktoren. Einige Pilze, wie beispielsweise Lyophyllum connatum, wandeln injizierte Hydroxylaminderivate innerhalb weniger Tage mit nahezu 100%iger Ausbeute um. Im Labor würden diese Reaktionen größte Mühe erfordern. Dabei verarbeitet der Pilz unspezifisch die verschiedensten Derivate, sogar Substanzen, die für viele andere Pilze toxisch sind. Solche Beispiele aus der Natur würden immer wieder faszinierende Anregungen bieten.
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