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Arzneimittel und Therapie
Notfallkontrazeption: Drei wirksame Regime im Vergleich
Eine Notfallkontrazeption mit Mifepriston hat gegenüber Levonorgestrel den Vorteil der einmaligen statt zweimaligen Einnahme, vermutlich verbunden mit einer höheren Compliance. In einer WHO-Studie wurden Levonorgestrel und Mifepriston auf ihre schwangerschaftsverhütende Wirksamkeit und Nebenwirkungen untersucht. Neben der üblichen Zweimalgabe wurde Levonorgestrel auch in Form einer hoch dosierte Einmalgabe angewendet. Folgende Regime wurden randomisiert und doppelblind verglichen:
- einmal 10 mg Mifepriston
- einmal 1,5 mg Levonorgestrel
- zweimal 0,75 mg Levonorgestrel im 12-Stunden-Abstand.
Die erste Dosis musste innerhalb von 120 Stunden (fünf Tagen) nach dem ungeschützten Verkehr eingenommen werden.
Studie in zehn Ländern
Die Studie fand an 15 Familienplanungskliniken in zehn Ländern statt, darunter China, Indien, Großbritannien, Schweden und Schweiz. Gesunde Frauen mit regelmäßigem Zyklus (24 bis 42 Tage lang), die sich wegen eines einzelnen ungeschützten Geschlechtsverkehrs im selben Zyklus hilfesuchend an eine der Kliniken wendeten, konnten teilnehmen.
Sie mussten gewillt sein, auf weiteren ungeschützten Verkehr im selben Zyklus zu verzichten. Schwangere, Stillende und Frauen, die im selben Zyklus eine hormonelle Kontrazeption oder die natürliche Empfängnisverhütung nach Knaus-Ogino angewendet hatten, waren ausgeschlossen.
Die erste Dosis wurde in der Klinik eingenommen, die zweite 12 Stunden danach zu Hause. Primäres Studienziel war die Schwangerschaftsrate. Schwangerschaften wurden bei Folgeuntersuchungen mittels Schwangerschaftstest und Ultraschall festgestellt.
4136 Frauen wurden aufgenommen. 4071 Frauen gingen in die Intention-to-treat-Analyse ein, 1359 bekamen Mifepriston, 1356 eine Dosis Levonorgestrel und 1356 zwei Dosen. Die Frauen waren durchschnittlich 27 Jahre alt. 54% waren Chinesinnen.
Niedrige Schwangerschaftsrate in allen Gruppen
65 Frauen wurden schwanger: 21 (1,5%) unter Mifepriston, 20 (1,5%) unter einer Dosis Levonorgestrel und 24 (1,8%) unter zwei Dosen Levonorgestrel. Die Schwangerschaftsrate unterschied sich nicht signifikant zwischen den Behandlungsgruppen.
Auch der Anteil verhinderter Schwangerschaften (Verhältnis aus eingetretenen zu erwarteten Schwangerschaften) war in allen drei Gruppen vergleichbar: 81% unter Mifepriston, 82% unter einer Dosis und 77% unter zwei Dosen Levonorgestrel. Die Zahl der erwarteten Schwangerschaften war mit Hilfe der Empfängniswahrscheinlichkeit am jeweiligen Zyklustag berechnet worden.
Das relative Risiko für eine Schwangerschaft betrug bei einer Notfallkontrazeption mit nur einer Levonorgestrel-Dosis im Vergleich zu zwei Dosen 0,83. Im Vergleich zur Mifepriston-Notfallkontrazeption lag das relative Risiko für eine Schwangerschaft unter einer Levonorgestrel-Notfallkontrazeption (ein oder zwei Dosen) bei 1,05.
Ob die erste Einnahme am Tag 1, 2, 3, 4 oder 5 nach dem ungeschützten Verkehr erfolgte, wirkte sich auf die Wirksamkeit der Verhütung aus: Die Schwangerschaftsrate stieg mit der Verzögerung der Ersteinnahme.
Zyklus meist normal lang
Die meisten Frauen bekamen ihre Menstruation innerhalb von zwei Tagen des erwarteten Zeitpunktes. Verfrüht setzte die Menstruation unter Levonorgestrel häufiger ein als unter Mifepriston, verzögert war sie unter Mifepriston häufiger. Bei 9% der mit Mifepriston behandelten Frauen begann die nächste Regel mehr als eine Woche später als erwartet.
Nebenwirkungen vergleichbar
An den sieben Tagen nach der Behandlung notierten die Frauen täglich Nebenwirkungen. Diese waren im Allgemeinen leicht und in allen drei Gruppen ähnlich häufig, zum Beispiel Übelkeit (14% vs. 14% vs. 15%), Schmerzen im Unterleib (14% vs. 14% vs. 15%), Müdigkeit (15% vs. 14% vs. 13%) Brustspannen (jeweils 8%) sowie Erbrechen (jeweils 1%). Nicht Menstruations-bedingte Blutungen traten innerhalb von sieben Tagen unter Levonorgestrel häufiger auf als unter Mifepriston: bei 16% gegenüber 9% der Frauen.
Die Nebenwirkungsrate variierte beträchtlich zwischen den einzelnen Zentren. Im Allgemeinen meldeten Frauen in entwickelten Ländern häufiger Nebenwirkungen als Frauen in Entwicklungsländern. Beispielweise berichteten 28% der Teilnehmerinnen in Manchester, aber nur 2% der Teilnehmerinnen in Neu-Delhi Übelkeit.
Drei schwere Ereignisse – eine ektope Schwangerschaft nach zwei Dosen Levonorgestrel, eine Nierenbeckenentzündung nach Mifepriston und die Ruptur einer Corpus-luteum-Zyste nach einer Dosis Levonorgestrel – hatten keinen Zusammenhang zur Therapie.
Eine Dosis genügt
Alle drei Regime waren also sehr wirksam und gut verträglich. Die Wirksamkeit unterschied sich weder zwischen Mifepriston und Levonorgestrel noch zwischen Ein- und Zweimalgabe von Levonorgestrel.
Als ein Zyklus wird dabei der Zeitraum vom ersten Tag einer Monatsblutung bis zum letzten Tag vor der nächsten Blutung bezeichnet. Grundlage dieser Methode ist die Tatsache, dass eine Eizelle nach dem Eisprung ca. 6 bis 12 Stunden befruchtungsfähig ist und dass die männlichen Spermien 3 bis 4 Tage (im Extremfall bis zu sechs Tagen) in den weiblichen Sexualorganen überlebensfähig sind. Benannt ist die Methode nach den beiden Ärzten Hermann Knaus und Kyusaku Ogino.
Als Methode zur Schwangerschaftsverhütung gilt diese Methode mit einem Pearl Index von 15 bis 38 als sehr unsicher. Sie kann aber bei der natürlichen Familienplanung zur Errechnung des optimalen Empfängniszeitraums im Falle eines Kinderwunsches herangezogen werden.
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