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Vorschaltgesetz: Bundesrat verweigert Spargesetzen die Zustimmung
Das BSSichG der Bundesregierung zielt bekanntlich darauf ab, die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ab dem Jahr 2003 zu entlasten und einen weiteren Anstieg der Beitragssätze in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung zu vermeiden. Gleichzeitig soll für strukturelle Reformmaßnahmen in der GKV ein finanzieller Spielraum geschaffen werden.
Im Gesundheitsbereich hat sich rot-grün verschiedene Einschnitte bei allen Beteiligten erdacht: Durch teilweise befristete gesetzlich festgelegte Preisabschläge sollen Arzneimittelhersteller mit einem Solidarbeitrag in Höhe von ca. 0,42 Mrd. Euro, der Arzneimittel-Großhandel mit ca. 0,6 Mrd. Euro und die Apotheken mit ca. 0,35 Mrd. Euro zur Stabilisierung der GKV beitragen. Zudem soll die Versicherungspflichtgrenze für nicht bereits privat krankenversicherte Arbeitnehmer angehoben, das Sterbegeld um 50 Prozent vermindert und die Preise der zahntechnischen Leistungen in der GKV um 5 Prozent gesenkt werden.
Schon im Vorfeld der Bundesratssitzung zeichnete sich ab, dass die Länderkammer die sozialpolitischen Eilgesetze nicht passieren lassen wird. Diverse Unterausschüsse des Bundesrats hatten empfohlen, den Vermittlungssauschuss anzurufen. Der Wirtschafts- und der Finanzausschuss empfahlen überdies, das Gesetz für zustimmungspflichtig zu erklären.
Auch die Empfehlungen zum zustimmungspflichtigen Teil des GKV-Spargesetzes waren ablehnend: Der Gesetzentwurf zur Änderung des Sozialgesetzbuchs, Fünftes Buch (SGB V), wonach Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen wieder der Festbetragsregelung unterworfen werden und die Verwaltungskosten der Krankenkassen für 2003 auf das Niveau von 2002 festgeschrieben werden sollten, verweigerte die Länderkammer die notwendige Zustimmung.
Union: Verlierer sind die Patienten
Franz Thönnes (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, warb daher vergeblich vor dem Bundesrat um Zustimmung. Die bayerische Sozialministerin Christa Stewens (CSU) übte vor allem Kritik an den rot-grünen Methoden der Rentenbeitragssatzstabilisierung. Gegenwärtig werde aber auch das deutsche Gesundheitssystem an die Wand gefahren: Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt erinnere an "einen Fahrer, der mit Vollgas auf eine Mauer zufährt und gleichzeitig das Abbremsen mit Hupen versucht", so Stewens.
Der baden-württembergische Gesundheitsminister, Friedhelm Repnik (CDU), legte nach: Die Gesetze seien "staatlicher Dirigismus in Reinkultur". Statt echter Reformen, die die Sozialsysteme nachhaltig zukunftsfähig machen, seien nur "kurzatmige Einsparungen" vorgesehen. Diese würden jedoch "allesamt ihr Ziel verfehlen" und zudem zu Lasten der Versicherten und der Versorgung der Patienten gehen, so Repnik. Ein Beitragsstopp löse keine Probleme – er könne nicht einmal ein weiteres Ansteigen der Kassenbeiträge im kommenden Jahr verhindern. Das zeige sich schon daran, dass bereits im Vorfeld des Vorschaltgesetzes rund 30 Krankenkassen Beitragserhöhungen beantragt hätten.
Repnik, der selbst als Apotheker arbeitete, bevor er Minister wurde, verteidigte zudem die gestiegenen Arzneimittelkosten, die die Regierung als "Sündenbock erspäht" habe. Es sei klar gewesen, dass die Ausgaben nach Aufhebung der Budgets steigen mussten – zu groß sei der Nachholbedarf gewesen. In Wirklichkeit, so Repnik, gehe es nicht um Preistreiberei der Pharmaindustrie, der Großhändler oder gar der Apotheker, sondern darum, dass für die Patienten die bestmögliche Versorgung ermöglicht werde: "Es sind nun einmal neue und teure Arzneimittel, die deutliche Behandlungserfolge erzielen".
Zwangsrabatte würden daher zu einer schlechteren Versorgung, einer Abwanderung der Pharma-Forschung aus Deutschland und zur Schließung von Apotheken führen. Repnik kritisierte zudem den "Wortbruch" der Bundesregierung gegenüber der pharmazeutischen Industrie: die Solidarzahlung der forschenden Arzneimittelhersteller zu gunsten der GKV zu Beginn dieses Jahres ging einher mit der Zusage der Regierung, die Arzneimittelpreise bis 2003 keinen weiteren Abschlägen zu unterziehen.
Zustimmungsbedürftig oder nicht?
Repnik erklärte weiterhin, das BSSichG bedürfe entgegen der Auffassung der Bundesregierung der Zustimmung des Bundesrats, da es in das Verwaltungsverfahren der Länder gegenüber den Krankenkassen eingreife. Die Regierung "trickse nach Belieben", wenn sie das Vorschaltgesetz in einen zustimmungsfreien und einen zustimmungspflichtigen Teil aufspalte.
Soweit die Regierung ihr Gesetzesvorhaben selbst als zustimmungsbedürftig erachtet hat – so hinsichtlich der Änderung des SGB V, d. h. der Wiederbelebung von Festpreisen für patentgeschützte Arzneimittel und des Einfrierens der Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenkassen – sei auch dies ungeeignet, die desolate Finanzlage in der GKV zu verbessern, so Repnik.
Hinsichtlich der Verwaltungskosten würden die Kassen bestraft, die schon jetzt effizient arbeiten, während die, die bisher ineffizient arbeiten, dies auch zukünftig tun könnten. Der Sozialminister aus Stuttgart verteidigte auch die von der Bundesregierung geschmähten Me-Toos: Es handle sich um Schrittinnovationen, die oftmals therapeutische Fortschritte mit sich brächten. Sie seien "zur medizinischen Fortentwicklung unerlässlich". Repniks Resümee: "Beide Gesetze dokumentieren die völlige Hilflosigkeit der Bundesregierung in der Gesundheitspolitik" und "müssen sofort vom Tisch".
Wie es nun weitergeht ...
Das BSSichG, in dem sich auch die neuen Rabatt-Staffelungen für Apotheken finden, muss jetzt durch den Vermittlungsausschuss des Bundesrats. Dieser hat also allerhand zu tun, wenn sich seine 32 Mitglieder – jeweils 16 Vertreter des Bundesrats und des Bundestags – am 5. November zur konstituierenden Sitzung zusammenfinden werden.
Über die Zusammensetzung dieses Gremiums herrscht derzeit jedoch Streit zwischen den Regierungsparteien und der Union: Rot-grün hat sich durch eine Änderung der Besetzungsmodalitäten eine Mehrheit im Ausschuss gesichert – die Union hat deshalb Klage angedroht. Wenn nun dennoch alles nach dem Plan der Regierung läuft, kann der Bundestag den Einspruch des Bundesrats gegen das BSSichG am 20. Dezember mit einfacher Stimmenmehrheit zurückweisen und die Regelungen können am 1. Januar 2003 in Kraft treten.
Was die Einfrierung der Verwaltungskosten der Krankenkassen und die Festpreise für patentgeschützte Arzneimittel betrifft, so hat der Bundesrat von seiner Möglichkeit, den Vermittlungsausschuss anzurufen, keinen Gebrauch gemacht. Da hier ohne Zustimmung der Länderkammer nichts geht, steht zu erwarten, dass die Bundesregierung oder der Bundestag nun den Vermittlungsausschuss anruft.
Der Bundesrat hat am 29. November dem rot-grünen Gesundheits- und Renten-Sparpaket erwartungsgemäß seine Zustimmung verweigert. So wird sich am 5. Dezember der Vermittlungsausschuss mit dem Gesetz zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (BSSichG) beschäftigen müssen. Die unionsgeführten Bundesländer befürworteten die Anrufung des Ausschusses mit dem Ziel der Aufhebung des Gesetzes.
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