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BAH-Jahresversammlung: Der Countdown zur Bundestagswahl läuft
Schmidt-Zadel und Lohmann erklärten, am Solidarsystem der gesetzlichen Krankenversicherung festhalten zu wollen. Dem laufe die Einführung von mehr Wahlfreiheiten für die Versicherten sowie Selbstbehalten nicht entgegen, so Lohmann. Schmidt-Zadel bekräftigte erneut, dass für die SPD Wahlmöglichkeiten beim Leistungsumfang nicht in Frage kommen.
Die FDP möchte das Gesundheitswesen hingegen völlig umwälzen: "Wir müssen langfristig aus der solidarischen Finanzierung aussteigen und in ein Prämiensystem einsteigen", erklärte Thomae. Die Sachleistung soll der Kostenerstattung weichen, Selbstbehalte zur Regel werden. Eine Härtefallregelung, die sämtliche Einkommensarten berücksichtigt, soll für einen sozialen Ausgleich sorgen. Auch über den Leistungskatalog müsse angesichts der demographischen Entwicklung zwingend nachgedacht werden, so Thomae. So sollten etwa Zahnersatz, versicherungsfremde Leistungen und private Unfälle aus der GKV ausgegliedert werden.
Die Forderung, Leistungen wie Mutterschafts- oder Sterbegeld, die im Grunde nichts mit einer Krankenversicherung zu tun haben, künftig aus Steuergeldern zu finanzieren, erfreut sich schon seit Jahren über Partei- und Lobbygrenzen hinweg großer Beliebtheit – allein der jeweils amtierende Finanzminister vermag diese Begeisterung nicht zu teilen.
Das gleiche gilt für die nicht minder populäre Forderung, den Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel auf sieben Prozent zu reduzieren. Sowohl Schmidt-Zadel als auch Thomae räumten ein, sich bei der Erwähnung dieser Punkte bereits eine Abfuhr bei Hans Eichel (SPD) bzw. seinerzeit bei Theo Waigel (CSU) eingehandelt zu haben. Beide wollten daher nicht versprechen, dass derartige Ideen in der nächsten Legislaturperiode auch umgesetzt werden können. Lohmann gab sich kampfeslustiger: "Wir wollen den Krieg mit den Finanzminister aufnehmen", ließ er verlauten, "Friedrich Merz weiß das auch schon".
Kein Versandhandel à la DocMorris
Auch der Versandhandel mit Arzneimitteln wurde thematisiert: Thomae lehnte eine Versandapotheke nach dem Vorbild DocMorris entschieden ab. Die Gründe der FDP: DocMorris profitiere lediglich von den unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen, biete zudem ein Leistungsspektrum, das nicht den deutschen Vorstellungen entspreche, und habe von Freitag Abend bis Montag Morgen geschlossen. Allerdings, so räumte Thomae ein, werde man sich auch in der FDP dem Versandhandel nicht verschließen, wenn eine Harmonisierung in Europa stattfinde und sichere Rahmenbedingungen, etwa wie in der Schweiz, geschaffen würden. Auch ein "Internetversandhandel von Deutschlands aus" wäre für Thomae "kein Problem".
Lohmann möchte keine Kompromisse machen: er fürchtet schwere Schäden, wenn die bewährte Kontrolle in den Apotheken dem Versandhandel zum Opfer fällt. Das Verbot des Versandhandels und des Fremd- und Mehrbesitzverbots seien zwei Grundprinzipien, an denen genauso wenig gerüttelt werden dürfe wie an der Therapiefreiheit des Arztes und der freien Arztwahl, so der CDU-Politiker. Der Service der deutschen Apotheken könne zwar sicherlich noch verbessert werden – einen Versandhandel mit dem Ausland bedürfe es dazu jedoch sicherlich nicht.
Schmidt-Zadel machte deutlich, dass der SPD weniger eine Versandapotheke nach niederländischem als vielmehr nach schweizerischem Vorbild vorschwebe. Das hierzu- lande bestehende Apothekensystem sei gut, sollte aber auf diesen Vertriebsweg ausgedehnt werden. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, werde die SPD im Rahmen der europäischen Harmonisierung aber auf jeden Fall darauf achten, dass "die deutsche Apotheke nicht den Kürzeren ziehe", so die SPD-Politikerin.
FDP und CDU/CSU: Die Arzneimittelpreisverordnung muss bleiben
Beim Thema Zuzahlung offenbarte sich dann unerwartete Einigkeit auf dem Podium: Selbst Schmidt-Zadel könnte sich – obwohl im SPD-Walprogramm nicht erwähnt – mit einer prozentualen Zuzahlung für Medikamente "anfreunden". Auch Lohmann und Thomae sprachen sich für eine solche neue Zuzahlungsregelung aus.
Letztlich standen noch die Änderung der Arzneimittelpreisverordnung und Naturalrabatte zur Diskussion. Was letzteres betrifft, waren sich die drei gesundheitspolitischen Sprecher einig: An der eingespielten Praxis lässt sich voraussichtlich wenig ändern. Hier helfe nur Vertrauen, man könne zur Überwachung schließlich "keinen Satelliten an den Himmel hängen", so Thomae.
Anders sieht es bei der Arzneimittelpreisverordnung aus: Bei FDP und CDU/CSU lautet die Devise "Finger davon!". Wenn es um Arzneimittelsicherheit geht, muss sich selbst der von den Liberalen vielbeschworene Wettbewerb unterordnen. Auch Lohmann versteht die Infragestellung der Arzneimittelpreisverordnung nicht: "Wo sind denn die Apotheken, die sich mit der Mischkalkulation heute noch eine goldene Nase verdienen können?". Bei der SPD denkt man hingegen über ein Höchstzuschlagssystem nach. Ebenso über eine Drehung der Preisspannenverordnung – diese Überlegungen, so Schmidt-Zadel seien jedoch noch nicht abgeschlossen.
Der Wahltag rückt näher. Noch ist offen, welche der Änderungsvorschläge in der kommenden Legislaturperiode realisiert werden können. Von Ulla Schmidt heißt es jedenfalls, dass sie ein Buch über ihre Erfahrungen mit der Arzneimittelindustrie schreiben möchte – in Kürze wird sich weisen, wie viel Zeit sie dafür haben wird.
Es dürfte das letzte Mal gewesen sein, dass die noch amtierenden gesundheitspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen von SPD, CDU/CSU und FDP zu einer öffentlichen Diskussion zusammengekommen sind. Regina Schmidt-Zadel (SPD) und Wolfgang Lohmann (CDU) kandidieren nicht mehr für die Wahl zum nächsten Bundestag. Lediglich Dieter Thomae (FDP) verabschiedet sich noch nicht von der politischen Bühne. Und so verlief die Podiumsdiskussion mit den drei Gesundheitspolitikern und Dr. Jochen Hückmann, stellv. Vorsitzender des BAH, unter Moderation von Andreas Mihm, FAZ, bei der Jahresversammlung des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) am 11. September in Berlin weitgehend harmonisch bis amüsant.
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