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Feuilleton
Alte Klosterapotheke in Seligenstadt "neu eröffnet"
Die Museumsapotheke ist in vier Räumen im Erdgeschoss der "Alten Abtei", des ehemaligen Verwaltungsgebäudes des Klosters, eingerichtet – nur wenige Meter von ihrem ursprünglichen Standort, dem Konventbau, entfernt.
Unter Federführung von Dr. Friedl Brunckhorst, Leiterin des Fachgebietes Museen der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen, wurde ein Konzept erarbeitet, das die drei wesentlichen Räume einer historischen Apotheke umfasst: die Offizin, das Laboratorium und die Kräuterkammer.
Ein weiterer Raum führt mit Texttafeln in die Pharmaziegeschichte sowie in die besondere gesellschaftliche Rolle, die Klöster früher als Zentren der Gesundheitsversorgung spielten, ein; hier sind auch besonders bemerkenswerte Einzelstücke in Vitrinen ausgestellt.
Den Grundstock der Museumsapotheke bildet die pharmaziehistorische Sammlung der Firma Knoll, die mittlerweile in den Besitz des Deutschen Apotheken-Museums in Heidelberg übergegangen ist und von diesem als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt wurde – neben vielen anderen Exponaten. In Anlehnung an das Mobiliar der "Knoll-Apotheke" wurden weitere Repositorien und Schränke für die Offizin und die Kräuterkammer angefertigt.
Durch Leihgaben und gezielte Ankäufe wurde das Inventar vervollständigt. Um einerseits Kosten zu sparen und andererseits einen authentischen Gesamteindruck bieten zu können, wurden auch Repliken angeschafft – z. B. eine größere Anzahl von Fayencen, die das Repositorium hinter dem Rezepturtisch füllen und in ihrer Einheitlichkeit das für Apotheken – damals wie heute – typische Bild zeigen.
Bei dem Blick auf den Gesamteindruck wurden die Details nicht vernachlässigt. So ist der schmiedeeiserne Aufsatz auf dem Rezepturtisch mit diversen Utensilien behängt, die früher für das Rezeptieren erforderlich waren, z. B. auch mit einer Bindfadenrolle für die Defekturen.
Kräutergartenhinterm Kloster
Ausdrücklich hingewiesen sei auf die ansprechende Gartenanlage gleich hinter der Klosterapotheke, die bereits vor einigen Jahren nach einem Kupferstich aus dem Jahr 1712 rekonstruiert worden ist. Der größte Teil des Gartens ist als barocke Anlage mit großen Rabatten in geometrischen Formen gestaltet. Besonders originell sind die Bepflanzungen einzelner Rabatten mit Salat- und Kohlköpfen und Artischocken sowie ihre Einfassung mit Erdbeerpflanzen und Lavendel.
Den kleineren Teil der Anlage nimmt der Apothekergarten ein. Etwa 200 Arzneipflanzen, die nach ihren (historischen) Indikationen zusammengestellt und mit Täfelchen beschriftet sind, wachsen dort.
Als Fachberater bei der Anlage des Apothekergartens war Dr. Johannes Gottfried Mayer, Koordinator der Forschungsgruppe "Klostermedizin" am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg, tätig gewesen. Er hat – pünktlich zur Eröffnung der historischen Klosterapotheke – eine lesenswerte, gut illustrierte Broschüre über diesen Garten sowie den Kräutergarten beim ehemaligen Kloster Lorsch mit einer Darstellung der Geschichte und der Grundprinzipien der "Klostermedizin" verfasst.
Apotheker in sechster Generation
Der neuen alten Klosterapotheke fühlt sich besonders Rüdiger Binsack verpflichtet. Er ist in sechster Generation ein direkter Nachkomme des letzten von der Abtei angestellten Klosterapothekers und zugleich ersten Seligenstädter Stadtapothekers Clemens August Binsack. Er hat dem Museum einige Leihgaben, die wohl noch aus der alten Klosterapotheke stammen, zur Verfügung gestellt und bei der Eröffnungsfeier einen Nachdruck des "New Kreüterbuch" von Leonhart Fuchs aus dem Jahr 1543 geschenkt.
Binsack nutzte den Anlass, ein Familientreffen zu organisieren, zu dem viele der sehr zahlreichen Nachkommen des letzten Klosterapothekers erschienen sind.
Ein Museum, das lebt
Die Museumsapotheke soll übrigens nicht nur zum Anschauen da sein, sondern sie will in Sonderveranstaltungen auch praktischen Anschauungsunterricht über die alte Apothekerkunst und verwandte Fächer bieten, wie Rüdiger Binsack ankündigte. Er selbst wird demonstrieren, wie (heute teils obsolete) Arzneiformen wie Pillen oder Salben früher in der Apotheke hergestellt wurden. Den Reigen der Sonderveranstaltungen eröffnet am kommenden Sonntag der Clausthaler Chemie-Professor Georg Schwedt mit einem chemischen Experimentalvortrag der besonderen Art – erfahrungsgemäß gibt es dabei Knalleffekte und viele andere Überraschungen.
Kastentext Literaturtipp
Clemens Stoll: Die Apotheken am bayerischen Untermain – Eine pharmaziehistorische Dokumentation vom Beginn der Neuzeit bis zum Ende der Personalkonzession 1949. Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie, Bd. 77. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2000. XVI, 418 Seiten, 29 Abb., kt. 29,70 Euro. ISBN 3-8047-1799-3
Hinweis: Obwohl Seligenstadt zu Hessen gehört, wird auch dessen Apothekengeschichte in diesem Band abgehandelt.
Johannes Gottfried Mayer: Klostermedizin – Die Kräutergärten in den ehemaligen Klosteranlagen von Lorsch und Seligenstadt. Verlag Schnell und Steiner, Regensburg 2002. 52 Seiten, zahlr. Abb., 6,90 Euro. ISBN 3-7954-1429-6
Kastentext
Ehemalige Benediktinerabtei 63500 Seligenstadt Tel. (0 61 82) 82 98 82 Geöffnet: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr; ab 1. November: 10 bis 16 Uhr. Sonderveranstaltung am 8. September, 15 Uhr: Prof. Dr. Georg Schwedt, Clausthal: "Chemische Experimente mit Pharmazeutika aus der Klosterapotheke".
Im Jahr 1803 wurde das tausendjährige Benediktinerkloster Seligenstadt am Main säkularisiert und in der Folge dessen Apotheke privatisiert und an einen Standort in der Stadt verlegt. Fast genau 200 Jahre später kehrte die Klosterapotheke an ihren originalen Standort zurück – als Museumsapotheke. Am 31. August wurde sie in einer Feierstunde der Öffentlichkeit übergeben.
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