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Deutsche Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie: Jahrestreffen 2002 in Leipz

Die Regionalgruppen Sachsen und Sachsen-Anhalt der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (DGGP) haben am 15. Juni in Leipzig gemeinsam ihr Jahrestreffen 2002 durchgeführt.

Das Schillerhaus in Leipzig-Gohlis

Die Veranstaltung fand im Schillerhaus in Leipzig-Gohlis statt. Friedrich Schiller (1759 – 1805) lebte im Sommer 1785 für einige Monate im Hause des Bauern Schneider im Dorf Gohlis, damals ein beliebtes Ausflugsziel, das man von Leipzig nach einem halbstündigen Spaziergang durch das schöne Rosental erreichte. Begeisterte Verehrer hatten Schiller nach Leipzig eingeladen, allen voran der Schriftsteller und Jurist Christian Gottfried Körner (1756 – 1831), Vater des späteren Freiheitsdichters Karl Theodor Körner (1791 – 1813).

In Leipzig hat Schiller zahlreiche Bekanntschaften und Freundschaften geschlossen. Genannt seien die Dichter Christian Felix Weiße (1726 – 1803), Georg Joachim Zollikofer (1730 – 1788) und Johann Friedrich Jünger (1756 – 1797), der Direktor der Mal- und Zeichenakademie Adam Friedrich Oeser (1717 bis 1799) und der später so erfolgreiche Verleger Georg Joachim Göschen (1752 bis 1828). Schiller schrieb dort u. a. Teile des 2. Aktes von "Don Carlos" und begann seinen Hymnus "An die Freunde", den er im Herbst 1785 in Dresden vollendete.

Dem 1842 von Robert Blum (1807 – 1848) gegründeten Schillerverein gelang es, das Gohliser Schillerhaus zu erwerben und zu erhalten. Er erhielt dafür finanzielle Unterstützung durch die Leipziger Verleger Heinrich Brockhaus (1804 – 1874), Salomon Hirzel (1804 – 1877) und Karl Christian Tauchnitz (1798 bis 1884).

Heute ist das Schillerhaus Teil des Stadtgeschichtlichen Museums. Vor wenigen Jahren wurde es umfassend restauriert.

Arzneimittel zwischen Magie und Mystik

Im Schillerhaus referierte Dr. Gisela Wurm, Essen, zum Thema "Die Doppelnatur der Heilkunst – Arzneimittel zwischen Magie und Mystik". Zum Menschsein gehört die Beobachtungsgabe. Daraus resultieren logische Fähigkeiten zur Lebenserhaltung, Leidenslinderung und Heilzusage, auf denen seit Urzeiten der Arzt/Apotheker/Priesterberuf beruht.

Im 21. Jahrhundert stehen Apotheker im Spannungsfeld zwischen unvorstellbaren medizinisch-technologischen Möglichkeiten einerseits und der teilweise erschreckenden intensiven Zuwendung von Patienten zu Heilmethoden vergangener Zeiten oder anderer Kulturen andererseits. Woher kommt diese Diskrepanz?

Kranke suchen und benötigen Hoffnung. Wie sollten sie die immer komplexer werdenden medizinischen Fakten verstehen? Ihre Erkenntnissuche muss mangels Grundlagenwissens und spezifischer Kenntnisse in eine Sackgasse führen.

Die Hinwendung von Patienten zu mystischen Heilversprechungen – auch neueste Technologien können darunter fallen – könnte daraus resultieren. Vertreiber alternativer Stoffe und Verfahren benutzen dieses Defizit. Nicht leugnen lassen sich Erfolge im psychosomatischen Bereich. Wer kann den Anteil von Seele und Leib an der Gesundheit beziehungsweise Krankheit ermessen?

Leider fallen die Kompetenzen auseinander, der Arzt als Experte für Krankheit und der Patient als Experte für Kranksein, dazwischen der Heilberuf Apotheker. Ein Blick in die Geschichte soll zeigen, wie die Menschen früher Faktenwissen und Magie bei Krankheiten angewandt haben.

Naturerkenntnis kontra Aberglauben

Bereits in der klassischen Antike wollte Epikur die Menschen durch die Naturerkenntnis von den Schrecknissen des Aberglaubens befreien und zur Glückseligkeit führen. Die Lehren des Leukipp und des Demokrit weitete er erstaunlich aus und suchte sie allgemein verständlich zu erklären. Durch das Mitdenken versuchte er die Menschen zu erlösen, Glück bestand für ihn aus geistiger Lust (scholé).

Wie für Aristoteles fand für ihn Forschen im Kopf statt. Lust war ihm weniger Sinneslust wie für die später so bezeichneten Epikureer. Aus diesem Wertewandel lässt sich das Nichtverstehen der "Laien" ablesen. Epikur hat mit seinen beachtlichen naturwissenschaftlichen und medizinischen Lehren die Menschen nicht erreicht, nicht erlöst.

Druiden, weise Frauen, Hexen

Auch die Bewohner des nordwesteuropäischen Raumes setzten Faktenwissen ein, bei ihnen überwog allerdings der Anteil an Magie. Die Kelten hatten eine Dreiklassengesellschaft. Die Herrschaftsschicht der "Druiden" wirkte als Priestergelehrte durch Verflechtung von Naturwissenschaft mit Prophetie und Opferschau bei medizinischen Handlungen. Als ihre Panazee ist der Misteltrunk überliefert.

Die heilkundigen Frauen der Germanen halfen ebenfalls durch ein Geflecht von Kult, Zauber und empirischen Kenntnissen. Sie nahmen eine führende Stellung in der Pflege, in der Anwendung von Zauberlisten sowie in der Kenntnis von Heilkräutern ein.

Je nach Schwerpunkt hießen sie "weise Frauen", "Kulturpriesterinnen" oder als Kräuter sammelnde Frauen "wilde Weiber aus dem Hag" (althochdeutsch "hagzissa", die etymologische Wurzel von "Hexe"). In ihrem Heilschatz finden sich Räucherungen ("Hexenrauch") von einheimischen Pflanzen, die heute noch bei uns verwendet werden. Aus dem Süden gelangten Mohn sowie die Alraune, die als Allheilmittel sowie Unsterblichkeitsdroge kultische Bedeutung hatte, nach Norden. Magie ist hier als durch Initiation erworbene Zauberkunst zu betrachten.

Christentum und überirdische Heilkräfte

Mit dem Siegeszug des Christentums wandelte sich die Doppelnatur der Heilkunst. Gläubige Versenkung und Meditation ("theologia mystica") ergeben die mystische Schablone der medizinischen Wissenschaft, deutlich abzulesen am Königswunder von Reims. Nach der Salbung mit dem Öl der heiligen Ampulle durch den Erzbischof gewann der französische König thaumatologische Kräfte (griech. thauma = Wunder) und konnte durch Berührung Skrofulose-Kranke heilen. Als erster vollbrachte Philipp I. 1059 das Wunder, zuletzt 1654 Ludwig XIV.

Die Pervertierung der Mystik zur politischen Agitation lässt sich am Bild von Antoine-Jean Baron Gros ablesen: "Napoleon bei den Pestkranken in Jaffa", gemalt 1804, einige Monate bevor sich Napoleon in Notre-Dame die Kaiserkrone aufs Haupt setzte.

Die Mystik hat ihren Anteil in der Medizin bis in die Gegenwart. Das Wiederaufleben der Lehren von Hildegard von Bingen dient als Beleg. Aus Hildegards Werken "Physica" (1997 erschien durch M. L. Portmann eine Übersetzung "Heilkraft der Natur – Physica – Rezepte und Ratschläge für ein gesundes Leben") und "Causae et curae" (1990 neu übersetzt) schöpften Gottfried Hertzka und Wighard Strehlow für die "Große Hildegard-Apotheke".

Beide Verfasser bezeichnen diese Schrift als "Naturheilverfahren aus Empirie", als "echte Wald- und Wiesenapotheke". Die Ernährungslehre der Hildegard gilt als ausgewogen. Sie basiert weitgehend auf dem Dinkel (Triticum spelta), einer Weizenart, deren geröstete Körner als Grünkern bekannt ist.

Die mystische Komponente der Therapien lässt sich in den zahlreichen Bildern zum Thema "Christus als Arzt" und "Christus als Apotheker" ablesen. Die Doppeldeutigkeit der Heilmittel stellte Jean Perréal 1516 mit dem Bild "Remonstrances de Nature à l'Alchemiste errant" dar. Er hatte ein Plädoyer gegen bestimmte chemische Praktiken und eine nur chemiatrisch ausgerichtete Medizin geschrieben, das er mit diesem Bild ergänzte.

Mystik bei Goya und Dalí

1780 malte Francisco de Goya den "Arzt". Nach Rezepten aus Büchern, die neben ihm liegen, rührt der Arzt rotgewandet über einer Kupferschale mit beschwörenden Gesten einige Ingredienzien. Ein dunkel gekleideter Adept in finsterer Landschaft schaut ihm über die Schulter. Mystik liegt in der Luft.

Die moderne Kunst mahnt wiederum kritisch die nur naturwissenschaftliche Heilkunst. Der Surrealist Salvador Dalí gestaltete 1936 das rätselhafte Bild "Der Apotheker von Ampurias auf der Suche nach absolut nichts". Es macht nachdenklich, gibt aber dem Apotheker die Gewissheit, dass er auf dem richtigen Weg ist mit seiner Hinwendung zum Patienten.

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