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Feuilleton
Ausstellung: Vom "Ausstopfen" zur modernen Tierpräparation
Natur im Museum
Scheu duckt sich eine Kette Rebhühner am Gehölzrand. Die naturgetreue Szene, die in der freien Natur wohl nur sehr selten zu beobachten ist, findet sich als Diorama im Museum. Ein Präparator modellierte dafür die Bälge von Rebhühnern auf Dermoplastiken in naturgetreuen Positionen. Dann wurden sie in eine Nachbildung ihres Lebensraums gesetzt. Schon war das Diorama fertig. Nicht immer wurde die Natur im Museum so authentisch dargestellt. Im Altenburger Naturkundemuseum bietet derzeit eine Sonderausstellung mit etwa 3000 Exemplaren Gelegenheit, die Technik der Tierpräparation vom "Ausstopfen" zur modernen Dermoplastik nachzuvollziehen.
Im Reich der Pharaonen war es üblich, kultisch verehrte Tiere wie Falken und Ibisse zu mumifizieren. Wenn sich ihre leibliche Hülle erhielt, würden sie im Jenseits - so glaubten es die Ägypter - einen neuen Leib erhalten. In Europa kann die Geschichte des Präparierens mangels Belegmaterial nur unvollkommen rekonstruiert werden. Möglicherweise wurden schon vor der Renaissance, als Fürsten und Gelehrte in Naturalienkabinetten und Kuriositätenkammern Präparate zusammenzutragen begannen, Tiere konserviert.
Sammlung, Dokumentation, Präparation
Die ältesten Vogelpräparate in der Sammlung des Altenburger Naturkundemuseums stammen aus dem ausgehenden 18.Jahrhundert. Als in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts Bildungsbürger begannen, die Welt zu entdecken und mit naturwissenschaftlichen Fragestellungen zu erforschen, erlebte das "Ausstopfen" von Vogelbälgen eine Blütezeit. In Altenburg hatten Gelehrte 1817 die Naturforschende Gesellschaft des Osterlandes gegründet.
Durch die Korrespondenz mit dem "Vogelpastor" Christian Ludwig Brehm (1787-1864) und dessen Sohn Alfred Edmund Brehm (1829-1884) gelang es den Mitgliedern der Naturforschenden Gesellschaft, eine umfangreiche Sammlung von Vogelpräparaten aufzubauen. Darüber hinaus gab es in Ostthüringen auch wohlhabende Bauern, die sich auf die ornithologische Forschung spezialisiert hatten. 1850 wurde der "Ornithologische Special-Verein des Pleißenlandes" gegründet. Insbesondere Johann Kratzsch, Christian Friedrich Schach und Hermann Porzig sammelten, dokumentierten und präparierten und machten sich somit als "Bauernornithologen" einen Namen.
Mit Drahtgestell und Heu
Die ersten öffentlich zugänglichen Sammlungen ähnelten freilich eher Magazinen: Die Präparate waren frei aufgestellt oder wurden in Glasschränken aufbewahrt. Sie dienten in erster Linie der Forschung, das Publikum hatte nur begrenzt Zutritt. Weil die Präparatoren der Pionierzeit die Vögel nur selten in ihrem Habitat hatten beobachten können, gerieten die Präparate meist sehr statisch. Auch die Materialien und Aufbereitungsmethoden ließen nur wenig Freiraum für authentische Darstellungen: Die Häute wurden mit Draht in Position gebracht und dann im wahrsten Sinn des Wortes "ausgestopft".
Persönliche Handschrift
Dennoch hatten die frühen Präparatoren - wie zahlreiche Exponate im Museum belegen - ihre eigene "Handschrift": Christian Ludwig Brehm beispielsweise präparierte mit Vorliebe Vogel-"Paare", die zu Lebzeiten zusammengehört hatten. Die Präparate Porzigs wiederum präsentieren sich dem Betrachter mit einer sorgfältiger aufbereiteten "Schauseite". Möglicherweise um Kosten zu sparen, stattete der Bauernornithologe die Tiere nur mit einem Glasauge (an der Schauseite) aus.
Besonders wertvolle oder exotische Vogelpräparate, die einst im Auftrag wohlhabender Bürger angefertigt wurden, werden durch einen Glassturz vor Staub geschützt. Auch waren "Vogelbäume" mit präparierten Populationen unterschiedlicher Arten beliebt. Mitunter wurden sogar ornithologische "Mikrokosmen" auf Platten mit getrocknetem Pflanzenmaterial zusammengestellt, gewissermaßen als Vorläufer der Dioramen.
Neben den Schaupräparaten konservierte Brehm für seine wissenschaftliche Sammlung auch Bälge, die - mit den anatomischen Maßen versehen - platzsparend in Schubladen aufbewahrt werden konnten. Die Skelette wurden separat präpariert und konnten bei Bedarf ebenfalls ausgewertet werden. Noch heute ist die Flüssigkonservierung von Vogelkörpern eine bewährte Methode. Das Material kann jederzeit bei Bedarf angetrocknet und anschließend wieder eingelegt werden.
Wandel der Avifauna
Wenngleich die historischen Präparate aufgrund ihrer wenig attraktiven Aufbereitung kaum noch den heutigen Erwartungen entsprechen, sind sie für Wissenschaftler doch sehr aufschlussreich: Weil die Ornithologen des 19.Jahrhunderts ihre Funde akribisch mit angebundenen Schildern dokumentierten, können Veränderungen des regionalen Artenbestands nachvollzogen werden. Kratzsch beispielsweise sammelte und präparierte im Sommer 1851 einen Schwarzstirnwürger, den er bei Kleintauschwitz gefunden hatte. Heute ist diese Spezies nur noch im mediterranen Raum verbreitet. Schach fand am 20.Mai 1853 - also während der Brutzeit - in Jannowitz eine Blauracke. Diese Vogelart ist heute nur noch bei Cottbus anzutreffen. Die Türkentaube, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Mitteleuropa einwanderte, fehlt indessen in den frühen Sammlungen.
Seit Beginn des 20.Jahrhunderts wurden in musealen Sammlungen zusehends wissenschaftliche und öffentliche Bereiche voneinander getrennt. Um wissenschaftliche Erkenntnisse laiengerecht vermitteln zu können, bieten sich Dioramen an, in denen Lebensräume mit ihrer charakteristischen Fauna und Flora zu sehen sind. Auch die Tierpräparatoren haben ihr Handwerk oder ihre Kunst weiterentwickelt. Von den Fleischkernen fertigen sie naturgetreue Dermoplastiken an, über die sie die konservierte Tierhaut ziehen.
Kastentext: Ausstellungsdaten
Ort: Naturkundemuseum "Mauritianum", Altenburg, Parkstraße 1, Tel. (03447) 2589. Geöffnet: Montags bis freitags 8.00 bis 12.00 Uhr und 13.00 bis 17.00 Uhr, sonntags 9.00 bis 17.00 Uhr.
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