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Berichte
Stabilität von Arzneimitteln
Allgemeine Grundlagen
Zunächst machte Prof. Dr. Harnischfeger die Teilnehmer mit den rechtlich relevanten Definitionen wie Haltbarkeit, Haltbarkeitsfrist, Haltbarkeitsversuche mit Langzeit- und Stressversuchen, Charge, Klimazonen etc. bekannt. Jeder Begriff wurde ausführlich erläutert, der Bezug zu den zugrunde liegenden Richtlinien und amtlichen Vorgaben, die sich in den zur Verfügung gestellten Arbeitsunterlagen befanden, wurde hergestellt und kommentiert.
Die sich daraus ergebenden formalen Rahmenbedingungen für eine zulassungsrelevante Haltbarkeitsdokumentation wurden mithilfe der derzeitig gültigen und/oder als Entwurf vorliegenden Richtlinien der EU und des ICH im Detail erörtert. Die Frage, wie schnell diese Vorgaben durch meist detailliertere neue amtliche Vorgaben ersetzt werden, konnte auch der Referent nicht beantworten. Die "Lebensdauer" solcher Papiere scheint statistisch nicht über ein Jahr hinauszugehen.
Spezielle technische Anforderungen
Vor einer Haltbarkeitsprüfung müssen Vorgaben zu Wirkstoffgehalt, physikalischer Konsistenz, Freisetzung, mikrobiologischem Status und äußerem Erscheinungsbild festgelegt und, wo möglich, mit Zahlengrenzen und Spannen angegeben werden. Temperatur, Feuchte, Gase und Licht sind Einflussgrößen für nicht tolerierbare Veränderungen im Verlauf der Prüfung.
Mögliche Reaktionswege für eine ablaufende chemische Veränderung des Wirkstoffs sind Hydrolyse, Solvolyse, Redoxvorgänge, Polymerisationen, Decarboxylierungen und photochemische Radikalreaktionen. Bei der Reaktionskinetik ist die Reduktion auf eine Kinetik 1. Ordnung für den Abfall der Ausgangskonzentration um 10%, den für Vorhersagen wichtigen Bereich, zulässig. Physikalisch-chemische Veränderungen, wie Ausfällungen, Kristallmodifikation, Kristallwachstum, können ebenfalls auftreten.
Haltbarkeitsuntersuchungen sind für verschiedene Klimazonen durchzuführen, wobei mehrere Prüfparameter und Vorgaben organoleptischer und mikrobiologisch relevanter Spezifikationen zum Einsatz kommen. Zur statistischen Auswertung gehören die Regressionsanalyse und die Varianz bzw. der Vertrauensbereich, der Auswirkungen auf die Haltbarkeitsvorhersage hat.
Die Haltbarkeitsvorhersage für ein Arzneimittel wurde aufgrund von Stressversuchen mit unterschiedlichen Temperaturen anschaulich gemacht. Die einzelnen Vorgehensschritte waren:
- Erstellung der Kinetiken 1. Ordnung,
- Berechnung der Reaktionskonstanten,
- Extrapolation über die Arrheniusgleichung zur Konstanten für die gewünschte Temperatur und
- Konstruktion der Vorhersagegeraden zur Bestimmung der Haltbarkeit.
Anlage einer Haltbarkeitsprüfung
Die Anlage einer Haltbarkeitsprüfung in der Praxis stellte Dr. Tegtmeier vor. Dabei diente ein Bericht über eine dreijährige, abgeschlossene Haltbarkeitsstudie für Dragees als Leitfaden. Der Bericht erfüllt die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) genannten Vorgaben für Zulassungsanträge. Vor dem Start einer Haltbarkeitsuntersuchung müssen die notwendigen Validierungsarbeiten für die analytischen Untersuchungsverfahren erfolgreich abgeschlossen worden sein. Daneben sollte auch eine Regelung für den Umgang mit Ergebnissen existieren, welche nicht der Laufzeitspezifikation entsprechen (OOS-SOP: "out-of-specification-SOP").
Bei der Planung der Haltbarkeitsstudie sollte der Mengenplanung viel Sorgfalt gewidmet werden. Ein "großzügiges Einlagern" ermöglicht auch zum Ende der Haltbarkeitsstudie noch zusätzliche Untersuchungen. Auch über die Möglichkeit des Einfrierens von Probenmaterial zur späteren Nachuntersuchung der Ausgangswerte sollte im Vorfeld nachgedacht werden. Große Bedeutung für die Haltbarkeitsuntersuchungen hat auch das Equipment. So sollte vor dem Beginn der Studie z.B. eine Notfallplanung für den Ausfall von Klimakammern erfolgen. Tegtmeier stellte die geprüften Parameter der oben genannten Haltbarkeitsstudie für Dragees sowie die dafür eingesetzten Prüfmethoden vor. Dabei stand die tabellarische Darstellung der Ergebnisse sämtlicher Untersuchungstermine im Mittelpunkt. Gerade die Bewertung dieser Ergebnisse im Rahmen der abschließenden Beurteilung stieß auf großes Interesse. Die einzelnen Punkte des Berichtes wurden mit einem separaten Kommentar versehen.
Verkürzte Haltbarkeitsprüfungen
Nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, sondern auch wegen des Zeitgewinns in der galenischen Entwicklung finden verkürzte Haltbarkeitsprüfungen großes Interesse. Bei der Beurteilung ihres Nutzens sollte eine Trennung zwischen der Verwendung für galenische Entwicklungsarbeiten und für Zulassungsanträge erfolgen. So kann die Produktentwicklung durch den Einsatz von Stressversuchen deutlich effizienter gestaltet werden, während die formalen Vorgaben die Verwendung dieser Daten in Zulassungsanträgen eher ausschließen. Eine allgemein gültige Aussage lässt sich leider nicht treffen, sodass eine Entscheidung über den Einsatz dieser modifizierten Untersuchungen projektbezogen erfolgen muss. Dabei bietet sich insbesondere bei Bracketing und Matrixing eine Abstimmung über die Konzeption der jeweiligen Haltbarkeitsstudie mit den Behörden im Vorfeld an.
Sonderprüfungen
Sonderprüfungen sind z.B. bei der Erstellung einer Anbruchstabilität, wie sie neuerdings laut EU-Richtlinie für flüssige und halbfeste Arzneiformen in Mehrfachentnahmebehältnissen gefordert wird, erforderlich. Auch die mikrobiologische Stabilitätsprüfung und die Prüfung auf Photostabilität erfolgen nach amtlichen Vorgaben.
Abweichungen vom allgemeinen Prüfdesign
Die Vielfalt der galenischen Formen führt zu spezifischen Abweichungen vom allgemeinen Prüfdesign. Abhängig von der Darreichungsform ergeben sich auch die Varietäten in der Primärverpackung. Die dritte klassische Variable ist die jeweilige Klimazone. Daneben existieren noch die Sonderfälle der Standardgalenika in Form der Standardzulassung, welche Einschränkungen bei den Haltbarkeitsuntersuchungen ermöglichen.
Bei Kombinationsarzneimitteln stellen sich an die Stabilitätsstudien erhöhte Anforderungen, um die Spezifität und Selektivität im Sinne der bekannten Validierungskonzepte zu verwirklichen. Bei den Phytopharmaka kann die Reinheitsprüfung der Vielstoffgemische mithilfe der Fingerprinttechnik innerhalb einer Haltbarkeitsuntersuchung realisiert werden. In der Rezepturgestaltung von pflanzlichen Arzneimitteln gibt es einen konzeptionellen Unterschied zwischen dem deutschen Weg (Bezug auf die fixe Menge eines nativen Extraktes) und den US-amerikanischen Vorstellungen (Normierung auf wirksamkeitsbeeinflussende Inhaltsstoffe), sodass auch die Haltbarkeitsstudien unterschiedlich aufgebaut sind.
Praktische Übungen
Zum Abschluss des Seminars konnten die Teilnehmer ihr zuvor erworbenes Wissen in der praktischen Durchführung durch Gruppenarbeit vertiefen. Dafür wurden die Ergebnisse verschiedener Haltbarkeitsstudien anhand der jeweiligen Laufzeitspezifikationen bewertet. Auch das Erkennen von formalen Mängeln gehörte zu den Aufgaben dieses Workshops. Den Ausklang der Veranstaltung bildete die Extrapolation einer Haltbarkeit auf der Basis von Stressversuchen.
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