Ernährung

Interview: Weniger Fett und Eiweiß – dafür mehr Kohlenhydrate

Diabetiker nehmen zu viel Fett, zu viel Eiweiß und zu wenig Kohlenhydrate zu sich, das zeigt die EURODIAB-Studie, die das Ernährungsverhalten von Diabetikern europaweit untersucht hat. Die Richtlinien der Europäischen Studiengruppe für Ernährung aus dem Jahr 1995 wurden in diesem Jahr, auch vor dem Hintergrund der oben genannten Ergebnisse, überarbeitet. Dr. med. Monika Toeller-Suchan vom Deutschen Diabetes-Forschungsinstitut an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf ist Mitautorin des europäischen Statements zur Ernährung bei Diabetes mellitus und Vorsitzende des Ausschusses Ernährung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft.

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Wo liegt für den Diabetiker das Risiko einer zu hohen Eiweißzufuhr? Welchen Wert sollte nach den neuesten Erkenntnissen die tägliche Proteinaufnahme nicht überschreiten?

Toeller-Suchan:

Die EURODIAB-Studie hat gezeigt, dass Diabetiker, die sehr proteinreich essen, häufiger eine diabetische Nephropathie aufweisen. Die Ernährungsempfehlungen für Diabetiker 2000 weisen darauf hin, dass die Eiweißzufuhr 20% der Gesamtenergie pro Tag nicht überschreiten soll. Dies gilt insbesondere, wenn gleichzeitig auch noch eine Hypertonie bei den Patienten vorliegt.

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Die Nationale Verzehrstudie hat festgestellt, dass Diabetiker mehr Fett zu sich nehmen als der Rest der Bevölkerung. Dabei sollte bekannt sein, dass das Risiko für eine koronare Herzkrankheit (KHK), das bei Diabetikern per se hoch ist, durch eine fettreiche Ernährung verstärkt wird. Sollten diese Patienten deshalb nicht noch weniger Fett zu sich nehmen, als es für gesunde Personen empfohlen wird? Wie sollte dabei die Aufteilung nach gesättigten und ungesättigten Fettsäuren idealerweise aussehen? Welche Rolle spielen die so genannten Transfettsäuren?

Toeller-Suchan:

Das Risiko für die koronare Herzkrankheit (KHK) ist bei Diabetikern erhöht. Eine hohe Aufnahme von gesättigten Fettsäuren und von Transfettsäuren (als gehärtete Fette und Öle auf Verpackungen gekennzeichnet) ist mit einem hohen Risiko für die koronare Herzkrankheit (KHK) verbunden. Die derzeitige Aufnahme gesättigter Fette ist in vielen europäischen Ländern inakzeptabel hoch. Die Nationale Verzehrstudie hat gezeigt, dass Diabetiker in Deutschland davon noch mehr verzehren als die gleichaltrige Allgemeinbevölkerung.

Die aktuellen Empfehlungen für die Fettaufnahme von Diabetikern lauten: Gesättigte Fettsäuren plus Transfettsäuren sollen weniger als 10% der täglichen Energie ausmachen, da diese negative Auswirkungen auf die Lipoproteine haben. Eine noch geringere Aufnahme (weniger als 8% der Tagesenergie) kann nützlich sein, wenn erhöhte LDL-Cholesterinspiegel vorliegen. Der Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren ist auf unter 10% der Tagesenergie zu begrenzen, um mögliche unerwünschte Effekte erhöhter Lipidoxidation und reduzierter HDL-Spiegel, die mit einer höheren Aufnahme vergesellschaftet sind, zu vermeiden.

Einfach ungesättigte Fettsäuren, zum Beispiel Rapsöl und Olivenöl, sind auch in etwas größeren Mengen (10 bis 20% der Tagesenergie) unbedenklich, jedoch sollte die Gesamtfettaufnahme unter 35% der Energie bleiben. Wichtig ist auch, ein günstiges Verhältnis von n-3- zu n-6-Fettsäuren zu erreichen. Wenigstens eine Fischmahlzeit pro Woche und die Verwendung von Rapsöl, Sojaöl, Nüssen und grünblättrigem Gemüse zum Beispiel helfen, die adäquate Aufnahme von n-3-Fettsäuren sicherzustellen. Die tägliche Cholesterinaufnahme sollte unter 300 mg liegen.

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Früher hieß es grundsätzlich, dass Diabetiker vor allem auf eine geringe Kohlenhydratzufuhr achten sollten. Diese Empfehlungen wurden korrigiert. Was steckt dahinter und wie sehen sie heute aus?

Toeller-Suchan:

Die Kohlenhydrataufnahme kann zwischen 45 und 60% der Tagesenergie liegen. Nachteilige Effekte sind kaum zu erwarten, wenn Diabetiker gleichzeitig auf eine ausreichende Ballaststoffzufuhr achten und Lebensmittel mit geringer Blutzuckerwirksamkeit, also niedrigem glykämischen Index, bevorzugen.

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Bleibt die Frage nach dem Alkohol. Sollten Diabetiker ganz darauf verzichten?

Toeller-Suchan:

Für viele Diabetiker sind ein bis zwei kleine Gläser Wein oder Bier oder Ähnliches pro Tag möglich. Die Empfehlung lautet: Frauen sollen mit ihrer Alkoholaufnahme unter 15 g und Männer unter 30 g pro Tag bleiben. Eventuelle Kontraindikationen bei Hypertriglyzeridämie, Hypertonie, schwerer Neuropathie usw. müssen mit dem Diabetiker individuell besprochen werden.

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Last, but not least: Was halten Sie als Ernährungsexpertin von den so genannten Diabetikerprodukten?

Toeller-Suchan:

Für die Empfehlung zum Verzehr spezieller Diabetikerprodukte oder Diätprodukte für Diabetiker finden sich keine Begründungen.

Nachdruck aus "Lipodium" der Firma Merz + Co. GmbH & Co., Frankfurt, Ausgabe 5, Juli 2000.

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