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Presseschau
Gewebezüchtung mit gentechnischen Mitteln In der "Zeit" vom 24. August wird über die neuen Möglichkeiten der Gewebezüchtung mit gentechnischen Mitteln diskutiert: Neue Neuronen für Parkinson-Patienten, Nervenzellersatz auch für Schlaganfallopfer und Schwachsinnige, Hautzellen für Brandverletzte, Herzmuskelgewebe zur Rettung nach dem Infarkt. All das wollen Forscher im Labor züchten. Die Mutigen unter ihnen wollen gar noch mehr: Niere, Leber oder Herz aus der Retorte. Mit dem Organmangel in der Transplantationsmedizin soll es endlich vorbei sein. Gewaltige Verheißungen.
Doch die Verheißungen münden in ein grundsätzliches moralisches Dilemma. Um ihre Ziele zu erreichen, wollen die Forscher mit embryonalen Stammzellen arbeiten.[...]
Sie sind das ideale Rohmaterial für die Ersatzteilzucht im Labor. Doch sie zu gewinnen ist heikel, manche sehen darin schlicht ein Verbrechen.[...]
Es geht immer um eine Intersessenabwägung: um den Schutz werdenden Lebens auf der einen, die Heilung von Schwerkranken auf der anderen Seite. Moralisch rigoros kann in dieser Situation nur urteilen, wer auf dem katholischen Standpunkt beharrt, wonach alles werdende Leben unter allen Bedingungen zu schützen sei. Nur er kann Patienten die Aussicht auf Heilung verweigern, ohne sich in Widersprüche zu verwickeln. Wer anders denkt, wird strengere Bestimmungen kaum begründen können.[...]
Die Forscher müssen die Zellen menschlichen Embryonen entreißen, die nach einer Retortenbefruchtung übrig geblieben sind. Oder sie müssen aus erwachsenen Zellen Klone erzeugen, embryonale Kopien ihrer Patienten.
Britische Mediziner haben ihrer Regierung gerade empfohlen, beide Verfahren zuzulassen. Und die Regierung will, wenn das Parlament zustimmt, dieser Empfehlung folgen. Doch darf man, für welch hehres Ziel auch immer, menschliche Embryonen töten, menschliche Kopien anfertigen? In Deutschland ist beides streng verboten.
Noch fällt es leicht, solche Forschung aus moralischen Erwägungen weiterhin abzulehnen. Noch sind die neuen Therapien nur Versprechungen. Doch die Entwicklung schreitet schnell voran, und an ihrem Ende wird eine Therapie stehen, die unzählige Menschenleben retten kann und zugleich moralisch unbedenklich ist.[...]
Einzig der Weg, auf dem die Methode entwickelt wurde, die toten Embryonen, die Klone, die ihn pflastern, mögen manchen noch mit Grauen erfüllen. Die Hände schmutzig gemacht hätten sich deutsche Politiker, Forscher, Mediziner dabei nicht, das haben sie Briten (und Amerikanern) überlassen. Doch die Hände aufhalten werden deutsche Patienten gewiss.[...]
Schon jetzt erfährt ein Embryo im Mutterleib sehr viel weniger rechtlichen Schutz als sein Pendant im Reagenzglas. Mehr noch, dieselben Embryonalstadien, denen die Forscher Zellen entnehmen wollen, dürfen durch empfängnisverhütende Methoden wie die Spirale am Einnisten in die Gebärmutter gehindert und so getötet werden.
Die Debatte um unscheinbare Zellhaufen, seien sie nun tiefgefroren oder geklont, offenbart ein grundsätzliches Dilemma bei der Definition menschlichen Lebens: Einerseits dürfen diese frühen Embryonen niemals nur als Gegenstand behandelt werden; sie haben besondere Rechte. Auf der anderen Seite wäre es falsch anzunehmen, der Mensch als Träger solcher Rechte lasse sich allein zellbiologisch definieren. Aus der Biologie lässt sich keine Moral ableiten, die Natur kennt keine Ethik.[...]
Rezept mit Verfallsdatum
Unter dem Titel "Ein Rezept mit Verfallsdatum" schreibt die "Frankfurter Rundschau" zu Spekulationen über das Arzneimittelbudget. Totgesagte leben länger. Und eigentlich längst überholte Unterlagen quellen immer wieder aus irgendwelchen Schubladen. So geht es auch einem in der SPD-Fraktion verfassten 14-seitigen Diskussionspapier zur Arzneimittelversorgung, das wahrlich revolutionäre Forderungen enthält. "Die Kollektivhaftung für Budgetüberschreitungen steht rechtlich auf tönernen Füßen" heißt es dort und wenig weiter gar, die Spd solle sich "so schnell wie wie möglich" von dem "untauglichen Steuerungsinstrument" trennen.
Das ist starker Tobak. Denn Jahr für Jahr streitet sich die Politik mit den Ärzten über den Regress für zuviel verordnete Pillen und Salben. Für 1999 drohen den Medizinern Rückforderungen von etwa 470 Millionen Mark. Die wollen die Sozialdemokraten nun angeblich streichen. "Ministerin hat ärger mit der SPD", meldet mit großen Lettern die Bild-Zeitung.
Die Sache hat nur einen Haken. Die gleiche Geschichte stand in den vergangenen Wochen schon in diversen anderen Zeitungen. Und "der ganze Pressewirbel bezieht sich auf ein uraltes Papier", wundert sich Rainer Vollmer. Der freie Gesundheits-Journalist dokumentiert in seinem Branchenblatt "Der Gelbe Dienst" die entscheidenden Passagen der vermeintlich "heißen" Quelle.
Es handelt sich um die Ausarbeitung eines einzelnen Mitarbeiters der SPD-Arbeitsgruppe Gesundheit vom 7. März. Schon im Juni hatten die SPD-Experten darüber beraten und die Thesen verworfen. "Das Papier spiegelt nicht die Meinung der Fraktion wider", beteuerte gestern die Abgeordnete Gudrun Schaich-Walch erneut.
Nichts Neues also? Das nun auch nicht. Intern nämlich wächst sowohl bei der SPD wie bei den Grünen das Unbehagen über die Wirkung des kollektiven Regresses, der auch jene Ärzte bestraft, die sparsam verordnen. Recht gewunden fallen daher die Erklärungen aus: Die SPD halte an "ihrer grundsätzlichen Position" zu den Budgets fest, versichert Schaich-Walch. Und eine Sprecherin des Berliner Gesundheitsministeriums verweist auf die bestehende gesetzliche Regelung: "Wenn die genauen Zahlen da sind, werden wir darüber reden." Hinter den Kulissen versuchen Politiker und Ärztefunktionäre derweil auszuloten, wie die starren Vorgaben flexibler gestaltet werden können, ohne dass die Ausgaben explodieren. Bislang fehlt es an praktikablen Alternativen. Doch dass die Krankenkassen das Geld von den Ärzten tatsächlich zurückfordern und die Politik kurz vor der Bundestagswahl eine Klage in Karlsruhe riskiert, halten Beobachter für ziemlich unwahrscheinlich.
Börse und Wetter
Die "Frankfurter Rundschau" vom 24. August 2000 schreibt zum Thema "Börse und Wetter": Das Wetter in diesem Jahr war aus sicht von Stada-Chef Hartmut Retzlaff immer schlecht. Im Frühling schien die Sonne zu häufig, das drückte auf den Absatz der Grippe-Präparate. Dann kam der große Regen, niemand wollte Sonnenschutzmittel kaufen. Trotzdem kletterten die Umsätze des Pharmaunternehmens in der ersten hälfte 2000 um 39 Prozent auf 462 Millionen Mark, etwa ein Viertel davon geht auf das Konto von Aquisitionen. Der Überschuss legte um 48 Prozent auf 23 Millionen zu. Die Zahl der Beschäftigten wurde um 363 auf 1513 ausgebaut. [...]
Nicht einverstanden ist Retzlaff mit der Resonanz an der Börse. Der Kurs der Vorzugsaktie lag Ende Juni auf dem gleichen Niveau wie zwölf Monate zuvor, die Stämme büßten sechs Prozent ein. Damit bekommen die Bad Vilbeler die Quittung für die Aufspaltung in zwei Aktiengattungen, an der Retzlaff vorerst, allerdings nicht auf Dauer festhalten möchte. Zudem führte die Kapitalerhöhung im zweiten Quartal zu einem Kursabschlag.
Für die Zukunft setzen die Hessen Hoffnungen auf die angepeilte Expansion in den USA, dem weltgrößten Markt für ihr Spezialgebiet Generika (Arzneien, deren Patent ausgelaufen ist). Die Verhandlungen mit potenziellen Partnern laufen
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